# taz.de -- England und Wales: Abtreibungen bald straffrei
       
       > Bislang blieben Schwangerschaftsabbrüche nur bis zur 24. Woche für Frauen
       > straflos. Die Gesetzesänderung bezieht die beteiligten Ärzte nicht ein.
       
 (IMG) Bild: Ihr Körper, ihre Entscheidung: Eine Demonstrantin zeigt im September 2023 in London klare Kante gegen Abtreibungsgegner
       
       London taz | Frauen in England und Wales, die außerhalb der gesetzlichen
       Vorgaben abtreiben, müssen künftig keine strafrechtlichen Konsequenzen mehr
       fürchten. Das entschied das britische Unterhaus am Dienstagabend in einer
       Abstimmung. Mit 379 zu 137 Stimmen nahm eine Mehrheit den Änderungsantrag
       der Labour-Abgeordneten Tonia Antoniazzi an. Die Tochter
       walisisch-italienischer Eltern, die erst seit einem Jahr im Parlament
       sitzt, schrieb damit Geschichte. Die Änderung markiert einen Bruch mit dem
       Abtreibungsgesetz von 1967 und dem viktorianischen Gesetz von 1861, welche
       Abtreibungen stets kriminalisierten.
       
       Bislang gelten Schwangerschaftsabbrüche in England und Wales bis zur 24.
       Woche zwar als rechtswidrig, sind jedoch straffrei. Spätere Abtreibungen
       sind nur unter besonderen Umständen möglich, etwa, wenn das Leben der
       Mutter auf dem Spiel steht. Der alte Gesetzestext erlaubt es, für
       Schwangerschaftsabbrüche lebenslange Haftstrafen zu verhängen.
       
       Antoniazzi schilderte den Fall von Nicola Parker, die nach Einnahme eines
       Abtreibungsmittels in der 26. Woche – zu Hause legal nur bis zur zehnten
       Woche – festgenommen wurde. Parker gab an, nicht gewusst zu haben, dass sie
       bereits länger schwanger war. Nach einer Totgeburt wurde sie im Krankenhaus
       behandelt, verhaftet und ohne Zugang zu Medikamenten in eine Zelle
       gebracht. Ihr vier Jahre dauernder Rechtsstreit endete mit einem
       Freispruch, doch sie verlor ihr Einkommen und musste intime Details vor
       Gericht offenlegen.
       
       Antoniazzi berichtete auch von anderen Fällen: Eine junge Mutter, von ihrem
       gewalttätigen Partner zur Einnahme von Abtreibungspillen gezwungen,
       verblutete fast. „Als sie festgenommen wurde, drohte ihr Partner, sie zu
       ermorden, falls sie seine Mittat nenne.“ Während ihr Partner tatsächlich
       unbehelligt blieb, musste Laura eine zweijährige Gefängnisstrafe absitzen,
       so Antoniazzi.
       
       ## Ziehen Schottland und Nordirland nach?
       
       Andere Frauen hatten eine Totgeburt und wurden falsch beschuldigt. Neben
       Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt waren, fallen darunter auch Frauen, die
       Opfer von Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung waren. Laut Statistik
       betraf dies 2023/24 allerdings nur 18 Frauen – 1 Prozent aller
       Abtreibungen. In sechs Fällen kam es zu Strafverfahren.
       
       Die Tatsache, dass Frauen in England und Wales nun nicht mehr als
       Tatverdächtige angesehen werden, ermöglicht es ihnen, Hilfe zu suchen, ohne
       Angst vor Bestrafung. Die Regelung gilt zunächst in England und Wales,
       könnte aber auch Schottland und Nordirland beeinflussen. [1][In Nordirland
       wurden Abtreibungen bis zur 24. Woche erst 2019 straffre]i, zumindest wenn
       die Schwangerschaften Resultat einer Vergewaltigung oder Inzestbeziehung
       waren.
       
       Trotz der Gesetzesänderung bleibt die ärztliche Unterstützung von
       Abtreibungen nach der 24. Woche strafbar. Ein weiterer Antrag, Abtreibungen
       als Menschenrecht zu deklarieren, wurde abgelehnt. Ebenso scheiterte der
       Vorschlag der konservativen Abgeordneten Caroline Johnson, eine
       verpflichtende Beratung für medikamentöse Abtreibungen bis zur zehnten
       Woche einzuführen.
       
       Über 50 Organisationen, darunter der Dachverband britischer
       Geburtshelfer:innen und Gynäkolog:innen (RCOG), unterstützten die
       Reform. Die RCOG-Vorsitzende Ranee Thakar nannte die Entscheidung einen
       „Sieg für Frauen und ihre essenziellen Reproduktionsrechte, Frauenrechte
       und das Recht auf Selbstbestimmung“. Frauen könnten nun ohne Angst vor
       Ermittlungen oder Verurteilungen abtreiben. Die Gesetzesänderung tritt erst
       nach Abschluss aller parlamentarischen Verfahren in Kraft, doch die breite
       Zustimmung im Unterhaus macht ihre Verabschiedung wahrscheinlich.
       
       ## Deutschland noch deutlich restriktiver
       
       Abtreibungsgegner:innen, darunter christliche Gruppen und die Society for
       the Protection of Unborn Children (SPUC), kritisierten die Entscheidung
       scharf. Sie bezeichneten sie als „barbarisch“ und warnten, dass selbst
       späte Abtreibungen nun straffrei seien. Diese Meinung wurde von
       [2][Justizministerin Shabana Mahmood] unterstützt. Die Regierung hatte
       jedoch schon vorher erklärt, dass sie sich der Entscheidung des Parlaments,
       über die die Abgeordneten ohne Fraktionszwang abstimmten, fügen werde.
       
       Die Geschäftsführerin des britischen Schwangerschaftsberatungsdienstes BPAS
       feierte die Reform als Meilenstein für Frauenrechte – ermöglicht
       ausgerechnet durch eine Abgeordnete, die einst eine strenge katholische
       Schule besuchte.
       
       Ähnlich wie in der bisherigen Gesetzgebung in England und Wales ist im
       deutschen Strafgesetzbuchparagrafen 218 festgehalten, [3][dass Abtreibungen
       grundsätzlich rechtswidrig sind]. Durch Ausnahmeregeln sind sie zwar auch
       straffrei, allerdings nur innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen
       und wenn die Frau sich zuvor hat beraten lassen. Auch wenn bestimmte
       medizinische Gründe vorliegen oder nach einer Vergewaltigung ist ein
       Abbruch möglich, ohne sich strafbar zu machen. Eine Änderung ist erst
       einmal nicht absehbar. (mit Agenturen)
       
       18 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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