# taz.de -- Repression in der Türkei: Die Filmemacherin Kudret Güneş ist festgenommen worden
       
       > Bei Ankunft am Flughafen Ankara ist die Regisseurin und Autorin
       > festgesetzt worden. In einem Comic hatte sie von einer Zwangsheirat
       > erzählt.
       
 (IMG) Bild: Die französisch-kurdische Regisseurin Kudret Güneş während eines Drehs
       
       Es wirkt wie eine Szene aus einem ihrer Filme: Eine kurdische Frau landet
       am Flughafen von Ankara – und wird festgenommen. Nicht wegen einer
       Straftat, sondern wegen eines Comics. Kurz darauf folgt ein Ausreiseverbot.
       Seither steht sie unter Hausarrest. Die 69-jährige Kudret Güneş ist
       französisch-kurdische Regisseurin, Autorin und Feministin und erzählt seit
       Jahrzehnten Geschichten über widerständige Frauen. Am 27. Mai ist sie
       selbst zur Protagonistin eines Justizdramas geworden.
       
       Am 27. Mai wird Günes bei der Einreise in Ankara festgenommen. Die Anklage
       lautet auf „Propaganda für eine terroristische Organisation“. Gemeint ist
       die [1][PKK]. Grundlage sind unter anderem einige alte Facebook-Beiträge
       aus dem Jahr 2014 und ihre Graphic Novel „La Liberté dans le sang“
       („Freiheit im Blut“). Das Buch erzählt die Geschichte einer jungen
       kurdischen Frau, die eine Zwangsheirat überlebt, verhaftet wird, flieht,
       sich dem Widerstand anschließt und schließlich in die Gewalt des IS gerät.
       Dort wird sie Opfer brutaler Übergriffe. Es ist eine Erzählung über Flucht,
       Unterdrückung, Überleben – und über weibliche Selbstermächtigung.
       
       Die Hauptfigur basiert teils auf familiären Erfahrungen, etwa der
       Geschichte ihrer Schwester, die einst zur Ehe gezwungen wurde. Weitere
       Episoden beruhen auf realen Berichten von gefangenen Frauen, überlebenden
       Jesidinnen oder Kämpferinnen in Kobanê. Die künstlerische Verwebung aus
       Fiktion und dokumentierter Realität ist dabei kein Zufall – sie zieht sich
       wie ein roter Faden durch Günes’ gesamtes Werk.
       
       In der Türkei geboren, lebt Kudret Günes seit 1982 in Frankreich, wohin sie
       im Rahmen eines türkisch-französischen Stipendienprogramms als
       Nachwuchsregisseurin ging. Früh positionierte sie sich nicht nur als
       Künstlerin, sondern auch als politische Intellektuelle, die sich offen zur
       feministischen Bewegung bekannte – in ihren Filmen, auf Podien, in
       Interviews. In Frankreich etablierte sie sich als Autorin und Filmemacherin
       mit Haltung.
       
       Ihr dokumentarischer Film „[2][Leyla Zana] – le cri au-delà de la voix
       étouffée“ (2002), ein Porträt der kurdischen Abgeordneten Leyla Zana, wurde
       mehrfach ausgezeichnet. Auch ihr Fernseh-Drehbuch Alev – über eine junge
       Kurdin, die in Frankreich in eine arrangierte Ehe mit einem homosexuellen
       Mann gedrängt wird – brachte ihr wichtige Anerkennung: 2003 erhielt sie
       dafür den Spezialpreis der Jury beim FIPA-Festival für das beste Drehbuch,
       zudem eine Förderzusage vom französischen CNC, und 2004 wurde das Projekt
       beim Festival in Montpellier unter die 14 besten Stoffe gewählt. Eine
       Realisierung blieb aus.
       
       Ihre Drehbücher bewegen sich oft zwischen Migration, Geschlechterrollen und
       Kriegstraumata – im Zentrum stehen meist junge Frauen, die zwischen
       familiärer Tradition und gesellschaftlicher Realität nach
       Handlungsspielräumen suchen. Auch ihr jüngstes Drehbuch erzählt von einem
       kurdischen Mädchen, das in einem umkämpften Grenzgebiet eine Bombe für ein
       Spielzeug hält – und so in die Gewalt des Konflikts zwischen Armee und
       Milizen gerät. Das Projekt wurde 2017 zwar in die Auswahl des
       Mittelmeer-Filmfestivals aufgenommen – erneut gelobt, erneut nicht
       produziert. Diesmal lautete die Begründung: die Sorge vor politischer
       Instrumentalisierung.
       
       Dass ihre Geschichten heute kriminalisiert werden, ist kein Zufall. Es ist
       Teil eines größeren Musters: der [3][Repression gegen kurdische Stimmen],
       feministische Positionen und künstlerische Ausdrucksformen, die sich nicht
       vereinnahmen lassen. In Frankreich wurde „La Liberté dans le sang“ unter
       mehr als 138 Einsendungen unter die 15 besten Graphic Novels gewählt. Auch
       in Deutschland wird ihr Comic diesen Herbst veröffentlicht. In der Türkei
       dagegen gilt dasselbe Werk als staatsfeindlich.
       
       Der Hausarrest in Ankara erlaubt ihr derzeit keine künstlerische Bewegung.
       Kudret Güneş macht keine Politik im klassischen Sinn. Aber sie erzählt
       Geschichten, die gefährlich sind – für ein System, das Angst hat vor
       Frauen, die sich nicht zum Schweigen bringen lassen.
       
       12 Jun 2025
       
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