# taz.de -- Putins Verhandlungsangebot an Ukraine: Ein durchsichtiger Schachzug mitten in der Nacht
       
       > Russland geht nicht auf das Ultimatum ein, ab Montag 30 Tage die Waffen
       > ruhen zu lassen. Es schlägt Gespräche in der Türkei vor, konkret ist
       > nichts.
       
 (IMG) Bild: Fragen waren nicht zugelassen: Putins nächtlicher Auftritt im Kreml
       
       Moskau taz | Es war bereits kurz vor zwei Uhr in der Nacht zum Sonntag, die
       Journalist*innen im Kreml hatten mehr als eineinhalb Stunden im
       Presseraum des Kremls gewartet, als ein sichtlich selbstbewusster wie
       gereizter Wladimir Putin sich an den weißen Tisch setzte und seine
       Erklärung abgab: Er biete Kyjiw die Wiederaufnahme der Istanbuler Gespräche
       vom März 2022 an, direkte und bedingungslose.
       
       Fragen zu seinen Ausführungen waren nicht zugelassen, das hatte der Kreml
       bereits im Vorfeld bestimmt. Am Donnerstag, 15. Mai, las Putin vom Zettel
       ab, solle das Treffen stattfinden. Den türkischen Präsidenten Recep Tayyip
       Erdogan werde er noch darum bitten, dieses zu organisieren.
       
       Es ist Russlands taktisches Kontern der [1][Forderungen der Ukraine,
       Europas und der USA vom Samstag nach einem 30-tägigen Waffenstillstand ab
       Montag], ohne nur mit einem Wort auf diese Forderungen einzugehen. „Es
       herrscht Krieg, wir bieten Frieden an“, sagte der russische Präsident.
       
       Ein in zweierlei Hinsicht bemerkenswerter Satz. Der Aggressor verkauft sich
       damit als Friedensengel und tut so, als würde er all denen entgegenkommen,
       die direkte Gespräche fordern. Zudem sagt er „Krieg“, ein Wort, für das in
       Russland jede und jeder ins Gefängnis kommen kann, wenn er den Krieg in der
       Ukraine und vor allem das Handeln Russlands auch nur ansatzweise öffentlich
       kritisiert.
       
       ## Während Putin spricht, wird die Ukraine bombardiert
       
       Während Putin noch vor den Kameras sprach, flog Russlands Armee bereits die
       nächsten Angriffe auf das Nachbarland. Die dreitägige Waffenruhe, die
       Russland zu seinen pompösen Feierlichkeiten zum „Tag des Sieges“ verkündet
       hatte, sei schließlich um Mitternacht zu Ende gegangen, bekräftigte der
       Kremlsprecher Dmitri Peskow.
       
       Putins nächtlichem Auftritt gingen intensive wie für ihn äußerst
       erfolgreiche Tage voraus. Der 72-Jährige eilte rund um den 9. Mai von einem
       Gespräch zum nächsten. Hier ein [2][Händedruck mit Brasiliens Lula da
       Silva], da [3][gemeinsame Bilder mit dem Palästinenser Abbas]. Und immer
       wieder [4][Xi Jinping aus China], der höchste Staatsgast, der Putin bei
       seiner Siegesshow auf dem Roten Platz die Ehre erteilte. Allzu konkret
       wurde es in den russisch-chinesischen Gesprächen zwar nicht. Aber es zählen
       die Bilder. Bilder, die zeigen sollen: Russland ist nicht isoliert.
       
       Die Panzer rollten störungsfrei, die Menschen entlang den Straßen jubelten,
       die Sonne lachte vom Himmel. Die Verhältnisse hätten sich stabilisiert, der
       „Konflikt mit der Ukraine“, so der Kreml-Sprech, gehe zwar weiter, aber man
       sei „immer schon“ für Frieden gewesen, und „immer schon offen für
       Gespräche“. Es sei der „Kriegstreibende Westen“, so das russische Narrativ,
       das selbst im Westen verfängt, der Russlands Interessen und Russlands
       Sicherheit bedrohe.
       
       Die Verachtung für die ukrainische Führung versuchte Putin bei seinem
       nächtlichen Friedensgebaren gar nicht erst zu verdecken. Er habe
       schließlich bereits dreimal Feuerpausen verfügt, aber es sei die Ukraine,
       die sich nicht daran halte. Schlimmer noch: Die Ukraine habe alles dafür
       getan, die Anreise der Gäste für die 9. Mai-Feier, für Russland ein
       „heiliger Tag“, zu stören. Moskau fühlt sich – auch angesichts des
       einstigen Sieges über Nazi-Deutschland – als moralisch überlegen.
       
       ## Einen 30-Tage-Waffenstillstand lehnt Russland ab
       
       Letztlich führt Putin seine Hinhaltetaktik fort, den Gegner mit immer
       wieder neuen Vorschlägen zu zermürben, um so weiter die eigenen Ziele zu
       verfolgen: die Ukraine zu unterwerfen. Von einem 30-tägigen
       Waffenstillstand hält er nichts, das hat der Kreml mehrfach deutlich
       gemacht, da es darin lediglich eine Verschnaufpause sieht, in der die
       Ukraine weiterhin mit westlichen Waffen beliefert werde.
       
       So ist Putins Istanbul-Vorschlag vor allem für Moskau bequem. Moskau
       behauptet, [5][im März 2022] habe praktisch ein fertiges Abkommen
       vorgelegen, ein mehrfach widerlegter russischer Mythos. Das neuerliche
       Anknüpfen würde bedeuten, dass weder die USA noch die Europäer mit am
       Verhandlungstisch sitzen würden und die Ukraine sich praktisch auf einen
       Frieden einlassen müsste, der einer Kapitulation gleichkäme: Seine
       Streitkräfte müsste Kyjiw reduzieren, auf die von Russland eroberten
       Gebiete verzichten, der Nato für immer abschwören, Russischsprachigen
       Sonderrechte einräumen. Die Sicherheit dafür würde unter anderem Russland
       garantieren.
       
       Putin kann sich zurücklehnen, vor allem Trump zeigen, was für ein
       großzügiger Staatsmann er doch sei, und einfach abwarten – um dann wieder
       einmal die Ukraine zu beschuldigen, diese hintertreibe den Friedensprozess.
       
       11 May 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [3] https://x.com/mfa_russia/status/1921303905230635052
 (DIR) [4] https://x.com/China_Fact/status/1921006000795988202
 (DIR) [5] /Ukraine-Russland-Krieg/!5845331
       
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