# taz.de -- Personalmangel in Bremer Justiz: Staatsanwälte müssen sich in Triage üben
       
       > Der Bremer Staatsanwaltschaft fehlen Stellen. Das hat Folgen: Wenn
       > Ermittlungen zu lange dauern, kommt es oft nicht mehr zu Verfahren.
       
 (IMG) Bild: Der Bremer Justiz fehlt es an Personal. Vor allem in der Staatsanwaltschaft gibt es nicht ausreichend Stellen für die Arbeit
       
       Bremen taz | Der Bremische Richterbund schlägt Alarm: Die Justizbehörde hat
       ausgerechnet, wie viele Stellen die Bremer Justiz eigentlich bräuchte. Ob
       Richter*innen oder Fachangestellte für die Verwaltung: Vom Soll sind
       alle weit entfernt. Vor allem aber in der Staatsanwaltschaft ist der Mangel
       gravierend: 97 Vollzeitstellen, so zeigen es die Berechnungen, bräuchte es
       dort, um mit der täglichen Arbeit hinterherzukommen. Aber nur 66 Stellen
       (aufgeteilt auf 83 Staatsanwält*innen) gibt es tatsächlich – etwa ein
       Drittel unter Soll.
       
       Schuld ist nicht der Fachkräftemangel: Ausgeschriebene Stellen werden laut
       Justizbehörde schnell besetzt. Das Problem ist vielmehr: Es werden nicht
       ausreichend Stellen eingeplant. Es fehlt an Geld.
       
       Die Justizbehörde bedauert den Zustand. Schließlich sind es ihre eigenen
       Zahlen, die den Mangel belegen. Man habe den festen Willen, die fehlenden
       Stellen auszuschreiben – aber das Justizressort habe im Gesamthaushalt des
       Landes einfach nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Das
       Ressort baut so gegenüber den anderen senatorischen Behörden schon einmal
       Druck auf für die [1][schwierigen Haushaltsverhandlungen] für das Jahr 2026
       im Herbst.
       
       Dabei ist in den letzten Jahren schon mehr Geld in die Personalausstattung
       der Bremer Justiz geflossen. Seit 2020 wurden zehn neue
       Staatsanwält*innen eingestellt. Das Problem: Schon vorher hat die
       Personalausstattung nicht gereicht; und seit einigen Jahren wächst die
       Arbeit in der Behörde rasant an: Rund 60.000 Fälle gab es Jahr für Jahr für
       die Staatsanwaltschaft, relativ gleichbleibend bis 2022, so die Sprecherin
       des Justizressorts. 2023 kam dann der Sprung auf 72.000 Verfahren. Kein
       einmaliger Ausreißer: 2024 waren es sogar 78.000 neue Fälle, bei denen
       Beschuldigte bekannt waren; alle anderen Verfahren werden ohnehin meist
       eingestellt.
       
       ## Warum steigen die Fallzahlen?
       
       Das Phänomen der steigenden Fallzahlen gibt es im ganzen Bundesgebiet; auch
       anderswo kommen die Behörden nicht nach beim Schaffen neuer Stellen.
       
       Erklärungsversuche gibt es: So ist es plausibel, dass die
       Internetkriminalität zugenommen hat – oder dass dank
       Netzwerkdurchsuchungsgesetz von 2017 mehr Hasskommentare aus Sozialen
       Netzwerken angezeigt werden. Auch im Sexualstrafrecht gibt es neue,
       zusätzliche Straftatbestände, die einen Teil des erhöhten Aufkommens
       erklären könnten. Und vielleicht, so eine weitere Überlegung, hat sich auch
       das Meldeverhalten in der Bevölkerung verändert.
       
       Was davon entscheidend ist, oder ob es weitere Gründe gibt bleibt aber
       unklar. Die Ursachenanalyse ist seltsam unausgeleuchtet; es gibt bisher
       offenbar keine wissenschaftliche Untersuchung, die den Anstieg
       zufriedenstellend erklären könnte.
       
       Auch bei den gesellschaftlichen Folgen der Überlastung bleiben viele Fragen
       offen. Auf den ersten Blick ändert sich wenig: Die Bearbeitungsdauer pro
       Fall bleibt seit Jahren bei durchschnittlich 2,3 Monaten. Was allerdings
       gewachsen ist, ist die Zahl der Fälle, die zum Zeitpunkt des Jahreswechsels
       noch nicht zu einem Ende gebracht waren: Silvester 2023 waren es 10.000.
       Zum Stichtag ein Jahr später ging es um 17.000 Fälle.
       
       Das widerspricht sich nur auf den ersten Blick: Die unfertigen Fälle
       konnten schließlich noch nicht in die Bearbeitungsdauer einfließen. Viele
       schnell zu bearbeitende Fälle werden gleich erledigt, gerade langwierige
       Verfahren sammeln sich bei den Altfällen. Erst, wenn sie irgendwann
       abgearbeitet sind, können sie den Bearbeitungsschnitt nach unten drücken.
       
       ## Manche Fälle fallen erst mal hinten runter
       
       Bei zu wenig Ressourcen, so viel ist klar, müssen bestimmte Fälle nach
       hinten gestellt werden. Festlegen möchte sich die Staatsanwaltschaft nicht
       auf Entscheidungskriterien für diese juristische Triage. In der Tendenz
       aber werden zum einen besonders gravierende Fälle schnell behandelt, zum
       anderen solche, die unkompliziert und schnell zu bearbeiten sind.
       
       Andere Verfahren wandern dann womöglich nach hinten. Das hat Folgen: Wenn
       zwischen Straftat und Abschluss der Ermittlungen zu viel Zeit vergangen
       ist, wird bei leichteren Fällen eine Strafe von den Gerichten nicht mehr
       als angemessen eingeschätzt. Verfahren werden dann oft gegen Geldauflage
       eingestellt.
       
       Die schlechteste Prognose gibt es damit für Fälle, die bei normalem
       Strafverfahren eher ein kleines Strafmaß nach sich ziehen würden und
       gleichzeitig schwer zu ermitteln sind. [2][Gerade im Bereich der
       Wirtschaftskriminalität] trifft diese Kombination auf viele minder schwere
       Fälle zu. Öffentliche Zahlen zu Einstellungen in diesem Bereich gibt es
       aber aktuell noch nicht.
       
       28 May 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Haushaltsnotlage-steht-vor-der-Tuer/!6032577
 (DIR) [2] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/cum-ex-aufarbeitung-100.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lotta Drügemöller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kriminalität
 (DIR) Bremen
 (DIR) Staatsanwaltschaft Bremen
 (DIR) Staatsanwalt
 (DIR) Justiz
 (DIR) Strafrecht
 (DIR) Amtsgericht
 (DIR) Justiz
 (DIR) Staatsanwaltschaft Bremen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Personalnot am Hamburger Amtsgericht: Lange Wartezeit für Gerichtstermine
       
       Unbesetzte Stellen und Aktenberge: Dem Amtsgericht Hamburg fehlt Personal.
       Besserung ist nicht in Sicht. Das Problem hat nicht nur Hamburg.
       
 (DIR) Personalmangel bei der Justiz: Vorzeitige U-Haft-Entlassungen
       
       Immer wieder werden Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen,
       weil die Verfahren zu lange dauern. Die Strafkammern sind überlastet.
       
 (DIR) Bamf-Ermittlungsskandal: Staatsanwälte nicht justiziabel
       
       Bremer Generalstaatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Janhenning Kuhn
       und Untergebene ein. Sie findet nämlich nicht raus, wer was gesagt hat.