# taz.de -- Sprintchampion aus Westafrika: Königin der Bahn
       
       > Sprinterin Gina Bass ist Gambias größter Sportstar. Sie trainiert im
       > Ausland, weil sie in ihrer Heimat keine geeigneten Bedingungen vorfindet.
       
 (IMG) Bild: Glücklich im Ziel: Gina Bass nach dem 100 Meter-Finale der Afrikameisterschaften 2024 in Kamerun
       
       Wer in Gambia unterwegs ist, kommt um Gina Bass nicht herum. Der
       offensichtlichste Grund dafür ist, dass sie einen Werbevertrag mit einem
       Telekommunikationsanbieter hat und Plakate im ganzen Land verkünden:
       „Schnellste Athletin – schnellstes Internet“. Weniger profan, weil Gina
       Bass der größte Sportstar des westafrikanischen Küstenstaats ist. Und zwar
       geschlechterübergreifend. In dieser patriarchalen Gesellschaft, an deren
       Stränden fast nur Männer Sport treiben, ist die erfolgreichste Athletin
       eine Frau.
       
       Geboren wurde Gina Bass dabei gar nicht im Land, aber immerhin in Senegal
       nahe der Grenze, und ist als Kind mit ihrer Familie übergesiedelt. Schon in
       der Grundschule entwickelt sie Leidenschaft fürs Laufen: „Wenn ich laufe,
       bin ich immer glücklich.“ Früh wird ihr Talent entdeckt, sie spezialisiert
       sich auf die Sprintdistanzen 100 und 200 Meter. [1][Ihre Idole]: Jamaikas
       Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser-Pryce sowie Murielle Ahouré-Demps und
       Marie Josée Ta Lou-Smith von der Elfenbeinküste. Denn daheim fehlen ihr
       weibliche Vorbilder.
       
       Dass Bass es in die Weltspitze geschafft hat, ist ein kleines Wunder
       angesichts ihrer Voraussetzungen. „Jeder weiß, dass uns hier in Gambia
       viele Dinge fehlen“, sagte sie 2022 in einem TV-Interview. „Wir haben im
       Laufsport nicht mal die Hälfte von dem, was Jamaika hat. Der Wettbewerb mit
       ihnen hat mich wirklich motiviert, denn ich habe dadurch verstanden, wer
       ich heute bin. Dafür muss ich bis zum Äußersten gehen.“
       
       Die heute 29-jährige Sprinterin wird zuvorderst gefeiert, weil ihr gelingt,
       was in dem winzigen Staat kaum jemandem gelang: Erfolg auf der Weltbühne.
       Als erste Person, die für Gambia antritt, hat sie sich für ein WM-Finale
       qualifiziert, sie ist die erste gambische Medaillengewinnerin bei den
       Afrikameisterschaften, holte bislang insgesamt fünf Mal Gold bei den
       Afrikaspielen und Afrikameisterschaften und war die erste Gambierin, die
       sich für Olympia qualifizieren konnte. Sie hält zig nationale Rekorde. Auf
       der ganz großen Bühne, bei bislang drei Olympischen Spielen, gelang es ihr
       allerdings nie, bis ins Finale vorzustoßen.
       
       ## Training im Senegal
       
       Das mag auch mit ihrer Lebenssituation zusammenhängen. Viel Respekt erfährt
       Gina Bass einerseits, [2][weil sie heimatverbunden ist]. Ihr bescheidenes
       Geld investiert sie nicht im Ausland, sondern hat in Gambia für ihre
       Familie ein Haus gebaut und ein Auto gekauft. Bis heute trainiert sie
       direkt um die Ecke, im senegalesischen Dakar.
       
       So richtig freiwillig ist das aber nicht. Bass macht keinen Hehl daraus,
       dass sie am liebsten in die USA übersiedeln würde. „In den USA würde ich
       mich mit viel besseren Athletinnen messen, das würde mir helfen. Im Senegal
       bin ich die Schnellste, das hilft mir nicht.“ Doch für die USA fehlten ihr
       die finanziellen Mittel.
       
       Die Geschichte von Gina Bass ist daher auch eine des ewigen Clinchs mit den
       heimischen Sportbehörden, denen sie fehlende finanzielle und strukturelle
       Unterstützung vorwirft. Nach ihren ersten Olympischen Spielen 2016
       titulierten internationale Medien Bass als [3][„die arme Olympionikin“] –
       weil sie nicht mal genug Geld hatte, um in ihrer Heimat den ÖPNV zu nutzen.
       Dass sich Staat und viele Fans die meiste Zeit des Jahres vor allem für
       drittklassige Fußballer interessieren, diese Kritik hat Bass nicht
       exklusiv.
       
       Und so bleibt das Verhältnis von Gina Bass zur eigenen Heimat und ihren
       Fans gespalten. „Gambia ist echt schwer“, sagte sie 2022 im TV. „Wenn der
       Wettbewerb läuft, kennt dich jeder. Wenn der Wettbewerb vorbei ist,
       vergisst dich jeder. Das motiviert wirklich niemanden.“
       
       Vor den Olympischen Spielen in Tokio wünschte sie sich, irgendwann über 200
       Meter einen neuen Weltrekord aufzustellen. Aber die Verhältnisse sind wohl
       nicht auf ihrer Seite. Für die sind schon ihre aktuellen Medaillen ganz
       groß. Die Queen of the Tracks hat nach eigenen Angaben viele
       Nachwuchssportler:innen inspiriert. „Ich sehe viel Talent in Gambia.
       Das Einzige, woran es fehlt, ist Unterstützung. Ohne die wird es nicht
       viele Gina Bass’ geben.“
       
       24 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Jamaikas-Sprint-Brigade/!5087216
 (DIR) [2] https://www.olympics.com/en/news/gambia-s-trailblazing-gina-bass-laying-the-foundation-next-generation-exclusive
 (DIR) [3] https://www.rfi.fr/en/africa/20210720-gambia-s-gina-bass-the-poor-olympian-sprinter-goes-for-the-gold-in-tokyo
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Schwermer
       
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