# taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Coworker
       
       > Da fliegt mir doch das Dach weg: Macht das eine Working Space zu, macht
       > das andere offen. Skurriles gibt es immer.
       
       Es war einmal ein Co-Working-Space. Es nannte sich „Stockwerk“, vermutlich,
       weil es über drei Stockwerke verteilt war, und geleitet wurde es von einem
       adretten Serben, flankiert von drei beinharten Studentinnen, die von einem
       Vorarbeiterbüro aus die Lage kontrollierten. Einmal in der Woche kochte der
       Serbe, und er kochte gut; es gab mehr Briefkastenfirmen als Briefkästen und
       unten einen Veranstaltungsraum, der auch mal von versprengten christlichen
       Sekten gebucht wurde.
       
       Eines Tages jedoch mehrten sich die Probleme. Wiederholt trafen
       Finanzpolizeibeamte – ja, Deutschland, so etwas gibt es, man muss nur ins
       Nachbarland fahren – ein und wollten was, aber die beinharten Studentinnen
       wussten von nichts. Dann klopfte der Klimawandel in Form eines veritablen
       Sturms aufs Dach des Hauses und trug dasselbe gleich mal ganz ab. Alle und
       alles mussten raus. Nicht sofort, so ein Übergang wollte ja geplant sein,
       und im 1. Stock war ja auch noch alles in Ordnung.
       
       Dann erschienen Kartons, und das Scheiße- und das Busenquartett aus den
       Restbeständen von irgendwem verschwand endlich im Müll. Der adrette Serbe
       kochte nicht mehr und sah von Tag zu Tag vernachlässigter aus: Man konnte
       seiner Verwahrlosung zusehen. Die ukrainischen Luxusautos vor der Tür waren
       umgeparkt, die versprengten Christen und die beinharten Studentinnen ließen
       sich gar nicht mehr blicken. Das Ende war nahe.
       
       Jetzt habe ich ein neues Co-Working-Space gefunden; es ist nicht wirklich
       in der Nähe, aber auch nicht so weit weg wie das neue Domizil des Serben.
       In dem „Stockwerk“, wie ich es für mich immer noch nenne, sind es auch eher
       die Mit-Remote-Arbeitenden, die Aufmerksamkeit erregen auf jeweils stille
       oder laute Art. Der Serbe ist diesmal eine verkrampfte Österreicherin, ein
       Vorarbeiterbüro gibt es nicht und die Stammbesetzung des Spaces scheint
       gern gepflegte Ballerspiele zu spielen. Der Zugang zum Büro erfolgt durch
       elektronische Knopfschlüssel wie bei einem Auto, und Briefkastenfirmen
       haben sich auch angesiedelt, unter anderem eine Pfotenhilfe; Tiere habe ich
       bis auf die Ameisen, die der aufgestellten Falle in der kleinen Teeküche
       entgehen, aber noch keine gesichtet.
       
       ## Kanu
       
       Lustig ist, dass sich herausgestellt hat, dass sich die Kollegen schon im
       originalen Stockwerk begegnet waren, ohne sich zu begegnen: Da wäre der
       Russe mit der Schnupfenneurose. Er schnieft und hustet einfach immer, auch
       wenn er gar nichts hat. Dafür liegen gleich zwei Talismane neben seinem
       Klapprechner, zwei süße Teddybären, während er auf Russisch mit Moskau
       telefoniert. Da wäre die adipöse Dame, die den Bürotag über rein gar nichts
       isst und irgendwas mit leerem Content macht. Und da wäre der Mann mit dem
       Fahrradboot. Das sieht aus wie ein oben geschlossenes Kanu, ist aber ein
       Fahrrad.
       
       Gut auch, dass das Dach hält. Es lebe das Stockwerk!
       
       23 Apr 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Hamann
       
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