# taz.de -- TV-Serie über Superreiche: Teure Uhren, leere Herzen
       
       > Luxus klauen bei Freunden? In der Serie „Your Friends and Neighbors“ wird
       > Dekadenz zur Falle. Der wahre Absturz beginnt, wenn keiner was merkt.
       
 (IMG) Bild: Hat Angst vor sozialem Abstieg: Coop in „Your Friends and Neighbors“
       
       Die Szene der „Pünktchen und Anton“-Verfilmung von 1999 ist in vielerlei
       Hinsicht das Spiegelbild des Sündenfalls von Andrew Cooper (Jon Hamm) in
       der [1][neuen Apple TV+-Serie] „Your Friends and Neighbors“. In [2][Erich
       Kästners] Kinderbuchfigur streift Anton durch das große, schöne Haus von
       Pünktchens Familie, während alle anderen draußen am Pool stehen und Canapés
       verschlingen.
       
       Er sieht die Uhr, die bestimmt niemand vermisst bei so viel Reichtum, und
       lässt sie langsam in seine Tasche gleiten und rennt. Cooper, genannt Coop,
       ist die ersten Minuten der Serie noch [3][Hedgefonds-Manager,] wird dann
       aus eher vorgeschobenen Gründen völlig überraschend entlassen.
       
       Er steckt in einem Dilemma: Um wieder beruflich Fuß fassen zu können, muss
       das soziale und ökonomische Kapital beibehalten werden. Die titelgebenden
       Freunde und Nachbarn müssen weiter mit Luxuswein beschenkt, die
       Privatschule und Tennisstunden der Kinder weiter finanziert werden.
       
       So macht für Coop Gelegenheit Diebe und schlägt den Bogen zu Kästner:
       Während bei einem Barbecue japanischer Edelwhiskey getrunken wird,
       schlendert Coop durch das Haus seines Freundes und denkt: Wer soll es
       merken? Von nun an wird das punktuelle Stehlen von Luxusgütern in den
       Häusern seiner engsten Vertrauten zu Coops neuer Einkommensquelle.
       
       Selbstverständlich werden die Diebstähle bemerkt, weil die Nachlässigkeit
       von Reichen sich nie auf ihre eigenen Besitztümer zu beziehen scheint, so
       nonchalant sie auch getragen werden, und das Unheil nimmt seinen Lauf.
       
       ## Jap, Menschen leben wirklich so
       
       Serienschöpfer und Executive Producer Jonathan Tropper gelingt eine
       witzige, unaufdringliche Darstellung von unermesslichem Reichtum und der
       Selbstverständlichkeit, mit der Zehntausende heruntergeschluckt und
       Hunderttausende am Handgelenk getragen werden.
       
       Über einige überdeutliche Metaphern des faulenden Untergrundes von Reichtum
       wie die von Ungeziefer befallene Luxusvilla und das obligatorische Kotzen
       in ein 30.000-Euro-Klo kann hinweggeblickt werden Collagierte
       Zusammenschnitte echter Werbungen von Patek Philippes und Birkin Bags
       betten das dargestellte Milieu in unsere Realität ein. Sie funktionieren
       als intelligente Authentifizierungsmerkmale: Jap, Menschen leben wirklich
       so.
       
       Die Figur von Coop ähnelt Timothy Ratliff (Jason Isaac) aus der aktuellen
       Staffel von „White Lotus“ – das männliche Familienoberhaupt sieht sich
       selbst in der Verpflichtung, den luxuriösen Lebensstandard von Kindern und
       Ehefrau beizubehalten, ein Verlust dieser Lebensweise käme einer Kastration
       gleich.
       
       Dass Coops Ex-Frau Mel (Amanda Peet) keinesfalls glücklicher wird durch das
       Vermögen ihres neuen Partners, sondern im Gegenteil immer abgestumpfter und
       leerer, kann Coop weder sehen noch imaginieren. Sein Reichtum ist zu
       selbstverständlich, zu groß die Angst vor sozialer Ächtung.
       
       Das kann als die vielleicht nachdrücklichste Logik der Figuren von Coop und
       Timothy bezeichnet werden: die zwingende Dringlichkeit, mit der
       Laserbehandlungen und Clubmitgliedschaften wahrgenommen werden, und die
       Logik des sozialen Umfeldes.
       
       Wenn im Vorspann der Serie alles um Coop herum explodiert, während im
       Hintergrund „You can’t keep up with the Joneses“ ertönt, wird klar: Der
       Verlust von sozialem Kapital wiegt ungleich schwerer als die Veränderung
       des eigenen Lebensstandards. Coop kann unbeschadet Billigcornflakes zum
       Frühstück essen, die Einladung zur Spendengala absagen kann er nicht.
       
       Wie dieses Dilemma aufgelöst werden wird, wird wohl erst in der zweiten
       Staffel beantwortet werden – die wurde bereits angekündigt.
       
       14 Apr 2025
       
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