# taz.de -- Informationsflut in sozialen Medien: Die Autoritären glauben an die Macht des Worts
       
       > Mit der digitalen Revolution beschleunigt sich die
       > Informationsvermittlung. Das kann der Aufklärung und Gerechtigkeit dienen
       > – oder den Rechten.
       
 (IMG) Bild: Eine beliebte Strategie bei Autokraten: „Flood the zone with shit“
       
       Wenn in der stillen Weite des Urwalds ein Baum umfällt und wir unter ihm
       begraben werden – ist das dann wirklich passiert? Dass Nachrichten auch in
       Zeitungspapier gewickelte Lügen sein können, ist keine neue Erkenntnis.
       Dass sie uns einfach nur erschlagen, scheint mir auch kein gänzlich neues
       Gefühl zu sein.
       
       Schon das lineare Fernsehen erhöhte über Jahrzehnte die Taktzahl und -tiefe
       der Nachrichtenübermittlung deutlich gegenüber dem gemütlichen Zeitalter
       der „Wochenschau“ im Kino, wo Kanonendonner bisweilen schneller
       heranrollte, als der Regisseur „Action!“ rufen konnte.
       
       Marshall McLuhan schrieb schon 1964 davon, dass die Geschwindigkeit
       elektrischer Verbindungen das Bild der Welt implodieren ließ und damit das
       Bewusstsein einer eigenen Zuständigkeit ins geradezu Unermessliche
       steigerte. Das permanent verfügbare mediale Fenster hob vormals ignorierte
       gesellschaftliche Gruppen nicht nur über die Wahrnehmungsschwelle. Die
       eigene Verantwortung für die Lage der Dinge wurde individuell spürbar.
       
       Etwas sehen begründet zwar nicht zwingend Teilnahme, ist aber doch
       implizite Aufforderung. Gewalt, Hunger, Diskriminierung – Fernsehkameras
       beendeten die stillschweigende, gegebenenfalls räumlich eingeschränkte
       Verhandlung gesellschaftlicher Widersprüche.
       
       ## Die Erleuchtung der digitalen Revolution
       
       [1][Mit der digitalen Revolution] beschleunigte sich die
       Informationsübermittlung nochmals. Die Demokratisierung der Technologie,
       preisgünstiges Equipment und simpel zu bedienende Social-Media-Kanäle
       erlauben es, noch jede Nische hell auszuleuchten. Und doch erscheint das
       jeweils andere inzwischen wieder weiter entfernt als die Milchstraße. Das
       Medium hat seine Botschaften offenbar längst überholt.
       
       War es bei der Informationsvermittlung vielleicht einmal der Wunsch, den
       Dingen auf den Grund zu gehen, sie wirklich zu kennen, ist er in sein
       Gegenteil verkehrt. Nicht die Nachricht, sondern [2][ihre oberflächliche
       Performance] bestimmt die Wahrnehmungen und damit letztlich die Realität.
       Die autoritäre Renaissance hängt wesentlich davon ab, Wahrnehmung zu
       begrenzen und das Bewusstsein jeglicher Zuständigkeit noch für irgendetwas
       auf der Welt abzutöten. Flood the zone with shit.
       
       Doch damit nicht genug. Kaum jemand glaubt so sehr an die Macht des Worts
       und korrekter Information [3][wie autoritäre Herrschaft]. Die Verbote
       inklusiver Sprache zum Beispiel sind deshalb nicht einfach nur Symptom
       eines hitzigen Kulturkriegs. Genauso wenig wie „Say Their Names“ lediglich
       Pfand sentimentaler Trauer ist. Beides ist Ausdruck zweier Seiten eines
       Machtkampfs.
       
       Das andere oder, entscheidender, die anderen unsichtbar zu machen, ist
       Bedingung ihrer Unterdrückung. Sie hingegen dem Vergessen zu entreißen,
       heißt, Verantwortung zu übernehmen. Über sie zu sprechen, manifestiert
       Wahrheit. Realität ist schließlich so komplex und divers wie ein Urwald.
       Und wenn in dessen stiller Weite ein Baum gefällt wird, gibt es keine
       Unbeteiligten.
       
       14 Apr 2025
       
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