# taz.de -- Kinder fragen, die taz antwortet: Wie fühlt man sich nach einer Psychotherapie?
       
       > Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Diese
       > kommt von Mio, 7 Jahre alt.
       
 (IMG) Bild: Geschafft: Das mühsame Klettern wird mit einer guten Aussicht belohnt
       
       Lieber Mio, hast du schon mal davon gehört, dass [1][viele Menschen
       Psychotherapie mit einem großen Berg] vergleichen? Bevor man eine Therapie
       beginnt, steht man unten im Tal und weiß überhaupt nicht, was einem auf dem
       Weg nach oben alles begegnen wird. Klar ist, dass der Weg nicht einfach
       wird. Denn bei einer Psychotherapie geht es darum, sich viel mit sich
       selbst und seinen Problemen zu beschäftigen.
       
       Im Alltag, finde ich, kann man über viele Probleme gut hinwegsehen. Wenn
       ich zum Beispiel an ein blödes Erlebnis aus der Vergangenheit denke oder
       daran, wie viel ich in nächster Zeit zu tun habe, dann lenke ich mich ab,
       gucke eine Serie oder treffe mich mit Freunden. Aber jetzt stell dir vor,
       du sitzt einer Person gegenüber, die dir tief in die Augen sieht und Fragen
       stellt wie: Wie fühlst du dich heute? Wovor hast du Angst? Warum tut es so
       weh, wenn ich den Namen einer bestimmten Person erwähne?
       
       Genau so ist es bei einer Psychotherapie, und solche Fragen zu beantworten,
       ist ganz schön schwer. Denn oft weiß man ja gar nicht so richtig, warum man
       gerade traurig oder wütend ist. In einer Psychotherapie will man genau das
       herausfinden. Du bekommst dort viele Tipps, wie du deine Gefühle besser
       verstehen kannst. Und du lernst, dass es total in Ordnung ist, sich auch
       mal schlecht zu fühlen.
       
       Indem man mit einer anderen Person über seine Probleme und Sorgen spricht,
       stärkt man außerdem eine wichtige Fähigkeit. [2][In der Fachsprache nennt
       man sie „Resilienz“]. Resilienz bedeutet, trotz schwieriger Situationen gut
       im Leben zurechtzukommen.
       
       Du kannst sie dir wie die Hornhaut an deinen Füßen vorstellen: Wenn du
       barfuß auf einen spitzen Stein trittst, schützt sie dich zwar nicht
       vollständig vor Schmerzen, aber sie macht sie zumindest etwas erträglicher.
       
       Irgendwann ist eine Psychotherapie vorbei. Ich glaube, dass sich dieser
       Moment für jeden Menschen ein bisschen anders anfühlt. Für mich war es
       ungefähr so, als wäre ich ganz oben auf dem Gipfel eines Berges angekommen.
       Die Aussicht ist gut, denn viele Probleme, die mir auf meinem Weg begegnet
       sind, wirken plötzlich ganz klein und unwichtig.
       
       In der Ferne erkenne ich allerdings noch viele weitere Berge voller
       Herausforderungen. Aber ich fühle mich stärker und mutiger als vorher und
       habe weniger Angst vor dem Weg nach oben. Dir, lieber Mio, wünsche ich,
       dass du all deine Berge mit Leichtigkeit erklimmst.
       
       6 Apr 2025
       
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