# taz.de -- Drogentote in Hamburg: Tödliche Ersatzdroge
       
       > Methadon gilt als Hoffnung für Drogenabhängige, doch die aktuellen Zahlen
       > werfen Fragen auf. In Hamburg sterben immer mehr Menschen an dem
       > Ersatzstoff.
       
 (IMG) Bild: Gefährliche Hilfe: Wer Methadon nicht in der Praxis, sondern zu Hause einnimmt, kann sich mit der Dosis verschätzen und sterben
       
       Hamburg taz | Erstmals seit 24 Jahren ist die [1][Zahl der Drogentoten] in
       Hamburg auf über 100 gestiegen. Das geht aus einer [2][Antwort des Senats
       auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion] hervor. Besorgniserregend ist der
       hohe Anteil von Methadon als Todesursache. Methadon ist ein synthetisch
       hergestelltes, starkes Opioid, das als Ersatzmittel für Heroin eingesetzt
       wird. „Insbesondere die hohe Anzahl derer, die an Substitutionsmitteln
       starben, ist beunruhigend“, sagte der CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker,
       der die Anfrage gestellt hatte. Die Gründe hierfür müssten untersucht
       werden.
       
       Die Statistik unterscheidet zwischen mono- und polyvalenten Vergiftungen,
       also ob nur eine Substanz oder mehrere zum Tod geführt haben. 28 Personen
       starben durch den Konsum von nur einer Droge, davon 17 Personen an einer
       Vergiftung allein durch Methadon. Mit 47 Verstorbenen hat ein Großteil der
       Verstorbenen verschiedene Substanzen gleichzeitig zu sich genommen, [3][vor
       allem Kokain und Crack]. Aber auch Methadon kommt bei 32 Verstorbenen in
       der Auflistung von Mischkonsum fast genauso häufig vor wie Crack, das 33
       Mal konsumiert wurde. In 17 Fällen wurde neben anderen Drogen auch Heroin
       konsumiert.
       
       Erst kürzlich forderte die Hamburger Linksfraktion in einer
       Pressemitteilung dazu auf, Anreize für Arztpraxen zu schaffen, um
       Substitute zu verschreiben. Seit Jahren sei die Zahl dieser Arztpraxen
       rückläufig. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Olga
       Fritzsche, sagte dazu: „Die Wirksamkeit von Substitution ist unbestritten.“
       Sie verbessere nicht nur die Lebensqualität von Drogengebraucher*innen,
       sondern sei für viele der erste Schritt in ein Leben ohne Drogen.
       
       ## Zu hoch dosiert oder vom Schwarzmarkt
       
       Dass es nun einen Zusammenhang zwischen Substituten und Drogentoten gibt,
       ist vor diesem Hintergrund überraschend, auch für Annina Carstens,
       Ärztliche Leitung der [4][Substitutionsambulanz Altona]. „Die Substitution
       ist streng geregelt. Deshalb ist es verwunderlich, dass so viele Menschen
       an Methadon gestorben sind“, sagt sie.
       
       Sie skizziert mögliche Gründe für die Tode: „Man muss sich von jedem
       Konsumenten ein individuelles Bild machen. Ursachen für den Tod könnten
       sein, dass die Dosis zu hoch war, Take-Home-Verschreibungen verordnet
       wurden und das Methadon missbräuchlich verwendet wurde. War das Methadon
       vom Schwarzmarkt? Wie ist es dorthin gelangt?“ Man müsse diese Fälle sauber
       aufarbeiten und vor allem Versorgungsketten transparenter gestalten.
       
       In Deutschland erhalten stabile Patient*innen Methadon zur
       eigenverantwortlichen Einnahme als sogenanntes „Take home“. In der Regel
       haben diese eine Reichdauer von bis zu sieben aufeinanderfolgenden Tagen.
       In begründeten Einzelfällen kann die Verschreibung für bis zu 30 Tage
       erfolgen.
       
       ## Angespannte Lage und viel Elend
       
       Die Zahlen spiegeln den bedrückenden Zustand auf Hamburgs Straßen wider:
       das [5][Elend vor dem Drob Inn], am Hansaplatz, auf St. Pauli. Im
       vergangenen Jahr stieg auch die Zahl der Drogenabhängigen, die im Drob Inn
       betreut werden, an. Und auch am Hansaplatz spitzen sich die Probleme zu:
       Anwohnende, Gastronom*innen und Quartiersmanager*innen wendeten
       sich im vergangenen Jahr an die Politik: Alkoholismus, Drogenkonsum,
       Exkremente, Müll – all das hätte zugenommen und die Situation verschärft.
       
       Nun zeigt die neue Statistik in Zahlen auf, wie angespannt die Lage
       wirklich ist. Demnach gab es im vergangenen Jahr 102 Tote durch Drogen. Das
       ist der höchste Stand seit 2000. Ein Jahr später lag die Zahl dann unter
       100, sank bis zum Jahr 2019 sogar auf 49. In den vergangenen Jahren
       verschärfte sich das Problem allerdings wieder. 2022 wurden 96 Drogentote
       in Hamburg gezählt, 2023 waren es 88.
       
       Die meisten Menschen, die in Hamburg durch Drogen gestorben sind, waren
       Männer mittleren Alters: 80 Männer und 22 Frauen waren es im vergangenen
       Jahr. Das Durchschnittsalter lag bei 42,3 Jahren, der Großteil war zwischen
       30 und 60 Jahre alt. Aber auch junge Menschen sind an den Folgen des
       Drogenkonsums gestorben: 17 Opfer waren zwischen 21 und 30, drei zwischen
       16 und 20. Fünf Menschen haben sich durch eine beabsichtigte Überdosis oder
       unter Entzugserscheinungen das Leben genommen.
       
       ## Uneinigkeit im Umgang mit dem Drogenproblem
       
       19 Langzeitkonsument*innen starben laut den Senatsangaben durch
       Langzeitschädigungen und drei durch Unfälle. Damit sind „konsumbedingte
       Fehlleistungen“ und „Körperschmuggler*innen“ gemeint. Dabei verschlucken
       Menschen zum Zwecke des Schmuggelns abgepackte Drogen. Wenn sich die
       Verpackung im Körper öffnet, kann das für die Schmuggler*innen tödlich
       enden.
       
       In der Hamburgischen Bürgerschaft herrscht Uneinigkeit, wie das
       Drogenproblem in Hamburg angegangen werden soll. Bisherige Maßnahmen,
       sogenannte Sozialrumläufer*innen, die durch die Straßen laufen und zum
       Beispiel Menschen wecken, oder [6][der Social Hub], ein soziales Zentrum
       für Unterstützung und Vernetzung von Menschen in schwierigen Lebenslagen,
       scheinen das Problem höchstens einzudämmen, aber nicht grundlegend zu
       beheben.
       
       Am Beispiel des Hamburger Hauptbahnhofs bemängelt die Linken-Fraktion
       Hamburg den „repressiven, diskriminierenden Diskurs gegenüber Menschen“,
       die sich dort aufhalten. Waffenverbotszonen, vermehrte Videoüberwachungen
       und Polizeipräsenz seien höchstens „ordnungspolitische Ansätze im
       sozialpolitischen Gewand“.
       
       Außerdem kritisieren Linke und Grüne, dass Hilfsangebote nicht genügend
       ausgebaut seien. Auch Carstens bemängelt das: „Die Suchthilfe fährt uns
       gegen die Wand. Ältere Ärzt*innen gehen in Rente und es gibt kaum junge
       Ärzt*innen, die Substitution anbieten. Die Menschen, die Hilfe brauchen,
       bekommen keine Hilfe mehr. Dabei ist es wichtig, dass wir diese Angebote
       haben. Substitution stellt das Überleben sicher und kann den
       Gesundheitszustand verbessern oder stabilisieren.“
       
       19 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Drogenmissbrauch-in-Deutschland/!6013836
 (DIR) [2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/90548/22_18180_entwicklung_der_drogentoten_in_hamburg
 (DIR) [3] /Crack-breitet-sich-aus/!5973785
 (DIR) [4] https://www.asklepios.com/hamburg/nord/psychiatrie-ochsenzoll/experten/psychiatrie-und-psychotherapie-ochsenzoll/stationaere-behandlungen/abhaengigkeitserkrankungen/substitutionsambulanzen-altona-ochsenzoll/
 (DIR) [5] /Drogenkranke-an-Hamburgs-Hauptbahnhof/!6016719
 (DIR) [6] /Hamburger-Hauptbahnhof/!5990597
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karoline Gebhardt
       
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