# taz.de -- Stellenabbau beim Mischkonzern: „Ein Warnsignal, da sollte man genauer hingucken“
       
       > Siemens will 6.000 Stellen abbauen. Ursache ist ausnahmsweise mal nicht
       > die prekäre Situation der deutschen Wirtschaft.
       
 (IMG) Bild: Deutsche Unternehmensikone in Gefahr? Siemens-Zentrale in München
       
       Berlin taz | Konzernchef Roland Busch hatte bereits im Herbst einen
       Stellenabbau „im vierstelligen Bereich“ angekündigt – und gleichzeitig
       einen Rekordjahresgewinn von 9 Milliarden Euro. Dass nun weltweit wirklich
       6.000 Stellen beim Technologieriesen Siemens gestrichen werden sollen,
       schockierte auch deshalb viele ArbeitnehmervertreterInnen, die am Dienstag
       informiert worden waren. [1][Sie sei „angesichts der massiven geplanten
       Abbauzahl überrascht und verärgert“, sagte Birgit Steinborn, Vorsitzende
       des Siemens-Gesamtbetriebsrates.]
       
       Etliche deutsche Unternehmensperlen straucheln derzeit: Vor Siemens
       meldeten etwa auch [2][VW], [3][Audi], Continental oder Schaeffler schon
       massive Stellenstreichungen. Ist der Kahlschlag bei Mischkonzern Siemens
       mit seinen weltweit 310.000 MitarbeiterInnen auf eine allgemein schlechte
       Wirtschaftslage zurückzuführen oder hausgemacht?
       
       In die derzeit [4][rituelle Kritik] vieler WirtschaftsvertreterInnen und
       PolitikerInnen will Ökonom Martin Gornig nicht einstimmen. „Das Gejammer,
       das Ende des Industriestandorts Deutschland stehe vor der Tür, wenn nicht
       sofort die Steuern gesenkt werden, kann ich nicht mehr hören“, sagt der
       Forschungsdirektor für Industriepolitik am Deutschen Institut für
       Wirtschaftsforschung. „Wenn Manager angeblich nicht gewusst haben, dass es
       relativ hohe Arbeitskosten in Deutschland gibt, tun sie mir leid“, meint
       Gornig lapidar.
       
       Dennoch sei der Fall Siemens „ein Warnsignal, da sollte man genauer
       hingucken“, so der Wirtschaftsprofessor. Der Stellenabbau habe aber wohl
       weniger mit der aktuell prekären Performance der deutschen Wirtschaft
       insgesamt als mit schlechten Geschäften speziell in einigen Siemens-Sparten
       zu tun. „Früher gab es viel mehr Hire and fire, wenn es mal schlecht lief“,
       sagt Gornig. „Heute sind die Unternehmen wegen des Fachkräftemangels viel
       vorsichtiger mit Entlassungen.“
       
       ## 2.000 Stellen bei Siemens offen
       
       Die Zukunftsaussichten für einen Unternehmensbereich müssten schon
       besonders düster sein, wenn ArbeitnehmerInnen gefeuert würden. Und: Das
       passiert auch nicht. Tatsächlich will Siemens auf betriebsbedingte
       Kündigungen in Deutschland verzichten – und setzt auf Frührente und
       Umschulungen. Hierzulande seien 2.000 Stellen im Konzern offen, heißt es.
       Insgesamt beschäftigt der Konzern in Deutschland 86.000 MitarbeiterInnen.
       
       Vor Ort sehen die Betroffenen die Lage anders. „Vollkommen kalt erwischt“
       habe ihn die Ankündigung der Konzernzentrale, sagt Steffen Reißig, Erster
       Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. Bei Siemens Emobility im Leipziger
       Ortsteil Böhlitz-Ehrenberg sind 200 Beschäftigte betroffen. Insgesamt
       stehen 450 Siemens-Stellen im Geschäft mit Ladesäulen für Elektroautos und
       -lastwagen auf der Streichliste. Der Bereich mit weiteren Werken in
       Erlangen, Portugal und den Niederlanden beschäftigt derzeit noch 1.300
       Leute. Er wolle „um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagt Reißig. Aber die
       Marktsituation verspricht dafür wenig Gutes: Siemens spricht von „starkem
       Preisdruck“ und einem „begrenzten Wachstumspotenzial für Ladesäulen im
       unteren Leistungsbereich“, die in Leipzig produziert werden.
       
       Noch schlimmer trifft es die SiemensianerInnen bei der
       Industrieautomatisierung, dem Kern des einstigen Firmenaushängeschilds
       namens Digital Industries (DI). In der Sparte, die sich mit der Steuerung
       von Maschinen sowie der Planung der Produktion befasst, sollen 5.600
       Stellen wegfallen, davon 2.500 in Deutschland.
       
       „Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit in diesem volatilen Umfeld weiter
       stärken“, sagte der zuständige Vorstand Cedrik Neike dem Handelsblatt. Und
       gab gleichzeitig strategische Fehler des Konzerns zu: Das
       Automatisierungsgeschäft sei „zu stark auf China und Deutschland sowie auf
       die Autobranche fokussiert“ gewesen, wo die Nachfrage derzeit fehle.
       
       ## Zweitteuerste Übernahme der Firmengeschichte
       
       Nach dem Coronaboom sei der Umsatz in China eingebrochen. Siemens sitze auf
       vollen Lagern. Auch der deutsche Markt schrumpfe seit zwei Jahren. Im
       abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 war die Sparte um 8 Prozent geschrumpft.
       
       Der DAX-Konzern versuchte bereits gegenzusteuern. Im Oktober stärkten die
       Münchner das Geschäft der Industrieautomatisierung mit der zweitteuersten
       Übernahme der Firmengeschichte. Siemens schluckte die
       US-Industriesoftwarefirma Altair Engineering für gut 10 Milliarden Dollar.
       Ziel war: Der Anteil von Softwareleistungen in der DI-Sparte soll erhöht
       werden.
       
       19 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.igmetall-leipzig.de/aktuelles/meldung/kein-verstaendnis-fuer-angekuendigten-stellenabbau-bei-siemens
 (DIR) [2] /VW-in-der-Krise/!6065447
 (DIR) [3] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/audi-vw-tochter-streicht-7500-stellen-verbrenner-sollen-laenger-laufen/100114121.html
 (DIR) [4] /Von-Rocklaengen-zu-Recession-Brunette/!6065027
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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