# taz.de -- Gescheiterte Koalition in Wien: Die Stunde der Vernünftigen
       
       > Österreich sucht verzweifelt nach einer Regierung. Die Demokraten sollten
       > nach den geplatzten Koalitionsverhandlungen ihre zweite Chance nutzen.
       
 (IMG) Bild: Vorerst hat es sich ausgeKICKLt, aber was kommt nun?
       
       Der bittere Kelch einer harten, rechtsautoritären Wende ist an Österreich
       gerade noch einmal vorbeigegangen. FPÖ-Chef Herbert Kickl ist an seiner
       eigenen Verbissenheit gescheitert, hat mit den Konservativen [1][keine
       Einigung erzielt] und musste den Regierungsbildungsauftrag zurückgeben. In
       seiner sektenhaften Anhängerschaft gibt man jetzt „den Globalisten“ die
       Schuld, die mit ihren bösen Netzwerken und dem sinistren Deep State eine
       Rechtsregierung verhindert hätten.
       
       Auch die WHO sei involviert gewesen, meinen sie, wegen der Impfdiktatur
       oder so. Insgeheim jedoch wissen selbst die größten Irrlichter, dass es der
       Charakter von [2][Herbert Kickl] war, der die Rechtspartei ihre Chance auf
       das Kanzleramt hat verspielen lassen. Man muss die Feste feiern, wie sie
       fallen, heutzutage sind schon kleine Freuden selten genug. Aber das
       politische System Österreichs steht nach bald einem halben Jahr der
       Koalitionsverhandlungen noch ramponierter da als zuvor.
       
       Bundespräsident Alexander Van der Bellen drängt jetzt zu Tempo.
       Konservative, Sozialdemokraten und liberale NEOS, die vor rund sechs Wochen
       schon einmal in ein Verhandlungsfiasko gestolpert waren, dürften durch
       einen heilsamen Schock wenigstens geläutert sein. Sie wissen, dass sich die
       Vernünftigen und Demokraten jetzt wie Erwachsene verhalten müssen und die
       Zeit für Taktiererei oder die Pflege von Animositäten vorbei ist. Sie
       müssen sich zusammenraufen.
       
       Am wahrscheinlichsten ist, dass sich Konservative und Sozialdemokraten
       einigen – zusammen haben sie im Parlament eine hauchdünne Mehrheit von
       einer Stimme – und sich von den Liberalen oder auch den Grünen stützen
       lassen. Auch die Grünen könnten wieder zurück im Spiel sein. [3][Werner
       Kogler], der Parteichef und frühere Vizekanzler, hat in den vergangenen
       Wochen als einer von wenigen Politikern wirkliches staatmännisches Format
       gezeigt. Er hat alles unternommen, um den Konservativen Brücken zurück zu
       bauen.
       
       ## Mehr als Verwaltung ist notwendig
       
       Denkbar ist aber auch eine „Technokraten“-Regierung aus Elder Statesmen und
       -women, Ex-Bankern und allseits anerkannten Politikerinnen und Politikern –
       quasi eine Variante à la [4][Mario Draghi]. Eine solche Regierung kann
       freilich kein bloßes Übergangskabinett sein, es bräuchte auch
       ausverhandelte parlamentarische Mehrheiten, denn die strauchelnde
       Wirtschaft und sonstige Kalamitäten verlangen mehr als bloß Verwaltung.
       
       Durchaus möglich, dass die Parteien eine solche Variante schmackhaft
       finden, denn nachdem die Staatsfinanzen aus dem Ruder gelaufen sind und es
       in jedem Fall einen Konsolidierungskurs braucht, könnte man den Sparkurs
       einfach ein Technokratenkabinett erledigen lassen.
       
       Eine „echte“ Koalitionsregierung wäre dennoch sinnvoller. Denn die tiefe
       Krise des Landes ist auch eine Chance. Das Publikum hat jetzt den Hader und
       die Konsensunfähigkeit satt. Es könnte eine Stunde der Möglichkeiten für
       Vernünftige, Maßvolle und Demokraten sein. Sie sollten sie nutzen.
       
       15 Feb 2025
       
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