# taz.de -- Musiktheater mit Dada-Charme: Es könnte doch schade sein um diese schöne Welt
       
       > Es war ein Schreien, Kreischen und Trommeln in der Nacht. Im Berliner
       > Exploratorium wurde mit improvisatorischem Zugriff der Weltuntergang
       > geprobt.
       
 (IMG) Bild: Der Untergang ist immer mal Thema: Hier beispielhaft im Bild „Vor dem Weltuntergang“ (1836-38) von Samuel Colman
       
       Vor Kurzem war der Weltuntergang. Und ich war dabei. Und er war … nun ja …
       
       … er war eher so mittel. Wobei es manchmal doch tüchtig zur Sache ging, da
       war dann schon so ein Ächzen in der Welt. Und es gab diese Momente einer
       künstlerischen Selbstvergessenheit, immer wieder blitzte eine somnambule
       Sicherheit auf. Eine Weltverlorenheit in bizarrer Schönheit.
       
       Es war also eine bunte Sammlung von allerlei Irrsinn und manchen
       Verrücktheiten an diesem Abend [1][im Berliner Exploratorium], in das sich
       trotz des verheißungsvollen Titels gar nicht so viele locken ließen. Aber
       schließlich ist immer genug anderes los in der Stadt, wer wartet da dann
       auf den „Weltuntergang“?
       
       Nur wenige Handvoll Besucher wollten sich das mal begucken und beschauten
       dann etwa genauso viele Menschen im Bühnrenraum bei ihrem Tun. Wie sie
       säuselnd sich auf einen Ton eingroovten, wie sie brummten oder gleich eine
       Karikatur von Operngesang in den Saal stemmten. Zwischendurch durfte die
       Musik freigeistig rocken wie in einer Hippiekommune, es gab zerrissene
       Fetzen einer selbst gebastelten Neuen Musik, eine Frau war dabei zu sehen,
       wie sie entrückt Wasser in ein großes Glas schüttete …
       
       Das alles passierte bei diesem „Weltuntergang“, einem Musiktheater für
       SängerInnen, SprecherInnen, Chor und Instrumentalisten nach Texten von Kurt
       Schwitters, Hannah Höch und Reinhard Gagel, der dieses mit
       improvisatorischem Zugriff angegangene Happening auch anleitete.
       
       ## Fümms bö wö tää zää
       
       Die Namen Schwitters – mit „Fümms bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee“ hebt
       seine legendäre „Ursonate“ an – und Höch – [2][die Berliner Künstlerin]
       wurde vor allem mit ihren Collagen bekannt – verweisen natürlich auf Dada,
       diese Kunstströmung vor 100 Jahren, der auch der Erste Weltkrieg mächtig in
       den Knochen steckte und die scheinbar gar nicht mehr ernsthaft das Gespräch
       suchte mit ihrer Stummelsprache und den zerschnittenen Bildern. Eine
       Aufkündigung von bis dato geltenden Verabredungen, die Simulation einer
       Kommunikation. Einfach die Aufkündigung von Sinn.
       
       Heute nennt man so eine Arbeitsweise disruptiv. Ein Cut mit der
       Vergangenheit. Wir leben ja derzeit in bewegten Zeiten, in denen sich
       vieles verschiebt, dass man sich nicht wirklich sicher sein kann, ob die
       Welt nicht tatsächlich in den Untergang plumpsen könnte. Oder zumindest die
       Welt, wie wir sie kennen und von der man sich wohl verabschieden muss.
       
       Im Bühnenraum versuchte inzwischen die Frau mit dem Wasser im großen Glas
       mit Plätschern oder sonst wie Musik zu machen, es gab alberne Gesten hier
       und feistes Deklamieren dort. Schreien, Kreischen, ein Trommeln in der
       Nacht, mit dem in den besten Augenblicken jedweder Sinn wirklich
       windelweich geklopft wurde. Also unbedingt tolle Momente, und andererseits
       wirkte das Ganze mit dem Drive einer Schultheateraufführung auch immer
       wieder arg bemüht, brav die Aufgabe des Abends abarbeitend. Eher so mittel,
       also.
       
       Zum Schluss dieses einstündigen Singspiels wurde noch richtig Sinn
       hineingepumpt, der im Libretto vermerkte Weltuntergang durfte dann doch
       nicht eintreten. „Und die Gefahr ist glücklich abgewendet“. Na schön.
       
       ## Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang
       
       Aber geht ja doch immer weiter. In den Fünfzigern, man hatte gerade erst
       den Staub der letzten Katastrophe von den Klamotten geklopft, wurde gern
       das gesungen: „Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, wir leben nicht
       mehr lang, wir leben nicht mehr lang …“
       
       Ein Karnevalsschlager. Den 30. Mai borgte man sich aus der nahen
       Geschichte. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 wurde Köln in Schutt
       und Asche gebombt.
       
       In dem Liedchen aber fehlt die alles entscheidende Zahl. Weswegen gleich
       fröhlich weitergesungen wird: „Doch keiner weiß in welchem Jahr, und das
       ist wunderbar. Wir sind vielleicht noch lange hier, und darauf trinken
       wir.“
       
       15 Feb 2025
       
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