# taz.de -- Sex und Beziehungen ab 50: „Ich genieße es, begehrt zu werden“
       
       > Unterwerfungsspiele, eine zwanglos-offene Ehe, endlich Kommen ohne Druck
       > – drei Protokolle von Frauen, die ab 50 ihr Liebesleben verändert haben.
       
 (IMG) Bild: Stehen offensichtlich auf Spitzenwäsche: Eine Kohlmeise und ein Kohlmeiserich in England
       
       ## Eva*, 57
       
       Das Schöne am Dominiertwerden ist, dass ich mich komplett fallen lassen,
       dass ich völlig vertrauen kann. Da darf ich ganz Mensch sein, mit allen
       Gefühlen, die hochkommen. Sex generell ist etwas Wunderschönes und ich
       glaube nicht, dass Gott BDSM verbietet.
       
       Das Älterwerden und [1][die Menopause verändern einiges]. Manche Praktiken
       gehen nicht mehr, meine Hormone haben sich verändert und ich habe nicht
       mehr jeden Tag Lust auf Sex. Aber der Qualität nimmt das nichts. Ich bin
       heute ruhiger und gelassener als früher. Wenn es bei meinem Partner mal
       nicht funktioniert, wenn ich nicht mehr so feucht werde wie früher, dann
       ist das halt so, es gibt ja Gleitcreme.
       
       Ich bin groß geworden in einem nichtchristlichen Elternhaus, habe aber in
       einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde den Glauben gefunden. Heute hat
       sich auch da vieles geändert, aber damals hatten sie erzkonservative
       Vorstellungen. Für Frauen galt KKK – Kirche, Küche, Kinder. Sex vor der Ehe
       war tabu, aber wir begehrten uns natürlich. Deshalb habe ich mit 20 Jahren
       geheiratet.
       
       Ich habe meinen Mann sehr geliebt, wir haben uns gestreichelt und hatten
       auch Sex. Aber er stand nicht auf das Spiel mit der [2][Dominanz]. Deshalb
       haben wir vereinbart, dass ich diese Leidenschaft außerehelich auslebe. Vor
       zehn Jahren starb mein Mann, das hat mich getroffen. Doch seitdem stehe ich
       offener zu meinen sexuellen Vorlieben.
       
       In meiner Kirchengemeinde fanden das nicht alle gut, aber im Arbeitskreis
       BDSM und Christsein habe ich Gleichgesinnte kennengelernt. Auch meinen
       jetzigen Partner. Mit ihm gelingt beides: Liebe und sexuelle Vorliebe. Wir
       sind nicht verheiratet und wohnen nicht zusammen, sind aber sexuell
       exklusiv.
       
       Das Spiel mit Dominieren und Dominiertwerden, mit oben und unten muss
       einvernehmlich sein. Das zentrale Wort ist für mich Konsens. Genauso wie
       man sich über andere Abhängigkeiten klar werden muss: finanziell,
       emotional. In der BSDM-Szene haben wir einen Kodex, der nennt sich „SSC“:
       save, sane and consensual. Menschen mit anderen sexuellen Vorlieben könnten
       davon viel lernen.
       
       ## Maren*, 53
       
       Mein erotisches Leben war lange kein Thema für mich. Kinder, Job, den
       ganzen Kram auf die Kette kriegen. Als ich dann in den letzten Jahren
       wieder mehr Zeit hatte, hab ich angefangen, rückwärts zu zählen, mich
       gefragt, was mir eigentlich wichtig ist. Für mich war es immer
       Leichtigkeit, die ich spüren wollte, trotz aller Zwänge und Verantwortung.
       Doch wann hatte ich eigentlich das letzte Mal in meinem Leben so richtig
       toll rumgeknutscht? Das war, bevor ich 40 war. Es kann doch nicht sein,
       dass etwas, das ich so mag, das mir angenehme Gefühle verschafft, so völlig
       weg ist aus meinem Leben.
       
       Es gibt viele Sachen, in denen mein Mann und ich super sind, als Paar, als
       Eltern. Aber wir waren nicht in der Lage die erotische Spannung über die
       letzten 25 Jahre zu erhalten. Wir haben dann beschlossen, es mit einer
       [3][offenen Beziehung] zu versuchen. Seitdem nehme ich mich ganz anders
       wahr, fühle mich mehr als Frau, gucke mich auch wieder gerne an. Und werde
       von anderen auch wieder mehr angeguckt. Unsere Beziehung hat das von diesen
       allumfassenden Ansprüchen entlastet.
       
       Die Lebenssituation ist in unserem Alter natürlich nicht die von
       25-Jährigen, als alle ungebunden herumgesprungen sind. Fast niemand weiß,
       dass wir eine offene Beziehung führen. Wenn ich jemanden interessant finde,
       muss ich erst mal herausfinden, ob er offen ist für Erotik. Können wir
       „uns“ aus dem Arbeitskontext oder Gruppenkontext herauslösen? Einmal hatte
       ich das: Er und ich haben sehr intensiv geflirtet. Doch als ich versucht
       habe, ihn alleine zu treffen, hat er geblockt. Ich habe mir echt die Zähne
       ausgebissen.
       
       Bisher hatte ich zwei Romanzen. Da ist natürlich auch Risiko dabei. Ich
       suche ja keine neue Beziehung, meine Familie hat die allerhöchste
       Priorität. Diese Verantwortung könnte ich gar nicht leisten. Trotzdem will
       ich niemanden verletzen. Die aktuelle Beziehung habe ich über ein Portal
       gefunden. Das ist super, der wichtigste Faktor ist von vorneherein
       abgeklärt. Nämlich: Habe ich Lust auf eine erotische Begegnung? Toll ist:
       Da ist kein Drama, keine Belastung, sondern sehr viel gegenseitige Toleranz
       für die Lebenssituation.
       
       Das heißt auch, wir sehen uns gar nicht so oft. Mein neuer „Partner“ ist
       ein total zugewandter Mensch, da ist viel Freude zwischen uns. Ich bin
       wesentlich besser gelaunt, selbstbewusster, ich genieße es einfach, begehrt
       zu werden. Ich habe lange gebraucht, meine erotischen Bedürfnisse
       anerkennen zu können. Ich habe mir früher nie erlaubt und mich aber auch
       nie dazu gezwungen, das mal zu äußern. Nun rede ich einfach und mein
       Partner reagiert darauf. Wir haben wunderbar sinnlichen Sex, der macht mein
       Leben schöner.
       
       ## Finja*, 52
       
       Es ist mir echt unangenehm, darüber zu sprechen, aber ich möchte anderen
       Mut machen, denen es ähnlich geht. Ich habe erst mit über 50 gelernt, mir
       selbst mit der Hand einen Orgasmus zu verschaffen. Ich kann zwar kommen,
       seitdem ich ein Teenager bin, aber nur mit Hilfsmitteln. Erst mit der
       Dusche, später mit Vibratoren. Das hat mich immer gestört: so technisch, so
       zielgerichtet, kalt. Gesprochen habe ich mit meinen Partnern nie darüber.
       Von selbst hat sich niemand ins Zeug gelegt, mich zum Höhepunkt zu bringen,
       aber das will ich keinem vorwerfen. Wenn ich nicht weiß, wie es geht: Wie
       soll ich es dann zeigen?
       
       Auch mit meinen Freundinnen habe ich lange nicht darüber geredet, [4][weil
       ich mich geschämt habe]. Wenn in meinem Freundeskreis über Sex gesprochen
       wurde, schien es mir immer so, als ob alle außer mir mühelos kommen, manche
       ejakulierten sogar. Erst mit Ende 30 habe ich mir ein Herz gefasst und
       meine beste Freundin darauf angesprochen. Sie gab mir Tipps, mit denen ich
       nichts anfangen konnte: Mit voller Blase, durch das Höschen streicheln.
       Auch das Gespräch mit einer zweiten Freundin war nicht hilfreich. Sie
       reagierte erstaunt, fast besorgt. Ich hatte das Gefühl, mit mir stimmt was
       nicht.
       
       Nach der Trennung von meinem Mann kam ich mit Mitte 40 in eine Art zweite
       Pubertät, vielleicht wegen der Wechseljahre. Ich hatte ständig Lust,
       entdeckte meine Sexualität neu und erlebte erstmals Hingabe. Aber der
       Vibrator störte mehr denn je. Irgendwann hörte ich dann von „OMGYes“,
       einer Website, deren Macher:innen die [5][Orgasmuserfahrungen] von
       Frauen systematisch ausgewertet haben. Da stand, dass es einigen Frauen
       schwerfällt zu kommen, was mich sehr erleichtert hat. Ich las auch, dass
       bei vielen kreisförmige Bewegungen zum Höhepunkt führen. Das probierte ich
       aus und bin im Sommer 2023 das erste Mal „einfach so“ gekommen. Ich war
       unfassbar glücklich. Nie hätte ich gedacht, dass das jemals gehen würde!
       
       Ich komme immer noch nicht leicht, vor allem zu zweit fühlt es sich wie
       harte Arbeit an. Auch bei Sex mit meinem Partner mache ich es deshalb
       selbst. Er fühle sich dann abgemeldet, sagt er. Eigentlich komisch.
       Irgendwo habe ich mal gelesen, Sex unter Frauen sei einfacher, weil sie
       selbstverständlich nacheinander kommen oder auch gar nicht und es trotzdem
       schön ist. Bei Heterosex gibt es immer diesen Druck: Dass beide immer
       gleich viel Lust empfinden, dass beide auf jeden Fall kommen müssen – was
       für Männer eben deutlich besser funktioniert.
       
       Es braucht ein Verständnis von Sexualität, bei dem sich niemand abgemeldet
       fühlt. Ich glaube, wir müssen aufhören, so penetrationsfixiert zu sein. Ich
       hoffe, dass junge Frauen heute offener über Sex sprechen, vor allem
       ehrlicher. Meine Befürchtung ist aber, dass die Versagensängste eher noch
       größer werden. Wenn in der eigenen Blase alle super sexpositiv sind und
       poly sowieso: Wer traut sich dann noch zu sagen, „es fällt mir schwer zu
       kommen“?!
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       9 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wechseljahre/!6065978
 (DIR) [2] /Spielfilm-ueber-BDSM-Beziehungen/!6051862
 (DIR) [3] /Beziehungscoach-ueber-freie-Liebe/!5980493
 (DIR) [4] /Soziologin-ueber-Heranwachsende/!6066073
 (DIR) [5] /Kollektiv-ueber-Sex-und-Scham-nachdenken/!6025781
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amelie Sittenauer
 (DIR) Stefan Hunglinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Das Leben einer Frau 
 (DIR) Sexualität
 (DIR) BDSM
 (DIR) Paarbeziehungen
 (DIR) Frauen
 (DIR) GNS
 (DIR) sex-positiv
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Literatur
 (DIR) Das Leben einer Frau 
 (DIR) Das Leben einer Frau 
 (DIR) Das Leben einer Frau 
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sexclub Ü70: Sexualität ist altersunabhängig
       
       Berührung ist wichtig für körperliche und mentale Gesundheit. Tobias Rausch
       und Caro Fuhr wollen einen sexpositiven Club für Menschen ab 70 eröffnen.
       
 (DIR) Verzicht auf Dating: Die Liebe, die ich habe
       
       Nach 15 Jahren Ärger und Enttäuschungen entscheidet unsere Autorin: Keine
       Männer mehr. Keinen Sex, keine Dates, keine Beziehung. Warum sie so
       glücklicher ist.
       
 (DIR) Roman über Sehnsucht nach Sex im Alter: Nagender Hunger nach Haut
       
       Wencke Mühleisens Hauptfigur verachtet die „spätkapitalistische
       Intimitätsindustrie“, möchte aber gern Sex. Der Roman ist kunstvoll
       erzählt.
       
 (DIR) Frauen in den „mittleren Jahren“: Die Gelassenheit des Stinkefingers
       
       Nicht mehr jung, noch nicht alt: Wie funktioniert das? Ziemlich gut, findet
       Katja Kullmann – und schickt einen Gruß aus dem total interessanten
       Dazwischen
       
 (DIR) Wechseljahre: Ich glaube, ich mag mich so sehr wie noch nie
       
       Die Wechseljahre beginnen mit einem leisen Grollen. Sind sie es? Oder
       nicht? Mitten im Hormonchaos weiß man dann oft nicht, wo oben und unten
       ist.
       
 (DIR) Soziologin über Heranwachsende: „Scham hat ein Geschlecht“
       
       Wieso ist Teenagern so vieles peinlich? Und wann geht es eigentlich los mit
       dem Gefühl? Soziologin Karin Flaake über den zweifelhaften Nutzen von
       Scham.