# taz.de -- Grüne-Jugend-Sprecher über Klimaprotest: „Eine Partei allein kann die Klimakrise nicht aufhalten“
       
       > Wie viel Klimabewegung steckt noch in den Grünen? Ein Gespräch mit
       > Grüne-Jugend-Chef Jakob Blasel über Gasausstieg, Migrationspolitik und
       > enttäuschte Aktivist*innen.
       
 (IMG) Bild: 2019 noch mit erhobener Faust im Klimaprotest: Grüne-Jugend-Sprecher Jakob Blasel (Mitte)
       
       taz: Herr Blasel, Sie sind einst mit Fridays for Future angetreten, heute
       sind Sie Co-Chef der Grünen Parteijugend. Wie viel Klimaaktivist steckt
       noch in Ihnen? 
       
       Jakob Blasel: Ich fühle mich den Leuten aus der Bewegung nach wie vor sehr
       verbunden. Der Großteil meines politischen Lebens ist durch gemeinsame
       Arbeit und Erfahrungen bei Fridays for Future geprägt. Seit ich
       Vorsitzender der Grünen Jugend bin, habe ich keinen Klimastreik mehr
       organisiert. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich weiterhin
       ein wesentlicher Teil meiner politischen Arbeit darum dreht, wie wir die
       Klimakrise eindämmen können.
       
       Vergangenes Wochenende habe ich [1][auf Borkum gemeinsam mit unserem
       Parteivorsitzenden und der Umweltministerin für einen Gasausstieg
       geworben]. Die Aktion haben wir auch gemeinsam mit
       Klimaaktivist*innen geplant, die in den vergangenen Monaten gegen die
       Gasbohrungen im Wattenmeer protestiert haben.
       
       taz: Fridays for Future hatte den Grünen einen fehlenden Gasausstieg
       vorgeworfen. 
       
       Ein konkretes Datum fehlte lange im Wahlprogramm, das stimmt. Das konnten
       wir nicht einfach hinnehmen, deshalb haben wir als Grüne Jugend den
       vollständigen Gasausstieg bis 2045 und einen Ausstieg aus der
       Stromproduktion mit Gas bis 2035 reinverhandelt.
       
       In Borkum haben wir dann auch die klare Absage an neue fossile
       Förderprojekte erwirkt. Die Gasbohrung vor Borkum darf nicht in Betrieb
       gehen, das muss ganz klar sein! [2][Der Riss verläuft in dieser Frage also
       nicht zwischen Klimabewegung und Grünen.] Es war Olaf Scholz, der versucht
       hat, dieses Projekt durchzudrücken. Wir stehen fest entschlossen an der
       Seite der Klimabewegung, um auch für ein Ende der Öl- und Gasförderung bis
       2035 zu kämpfen.
       
       taz: In der Ampelkoalition wurde das Klimagesetz abgeschwächt, Lützerath
       abgebaggert, Verkehr und Gebäude reißen ihre Klimaziele. Richtet sich der
       Klimaprotest am 14. Februar nicht auch gegen die Grünen? 
       
       Blasel: Ich bin wahrlich nicht mit allem zufrieden, was die Grünen
       klimapolitisch machen. Aber das Thema Gasausstieg ist ein Beweis dafür, wie
       man Vertrauen wiedergewinnen kann. Die Grünen haben in Klimafragen nicht
       nur die meiste Expertise von allen Parteien, die zur Wahl stehen. Sondern
       auch bis ins Detail das klarste Programm, wenn es darum geht, die
       Klimakrise einzudämmen.
       
       Gleichzeitig ist klar: Es ist ein Problem, die Menschheitsaufgabe
       Klimaschutz einfach an die Partei auslagern zu wollen, die hier am meisten
       tut. Klimaschutz ist Aufgabe aller Parteien.
       
       taz: Warum machen Sie dann nicht mehr Werbung mit Ihrem Kernthema?
       
       Blasel: Es wäre strategisch sinnvoll gewesen, Klimaschutz von Anfang an in
       den Vordergrund zu stellen. [3][Als Grüne Jugend haben wir das getan]: Wir
       haben Menschenrechte, Klimakrise und soziale Gerechtigkeit als
       Themenschwerpunkte im Wahlkampf klar benannt.
       
       taz: Doch das Verhältnis zur Klimabewegung hat unter der Ampel gelitten.
       Viele junge Menschen sind enttäuscht und wenden sich anderen Akteuren zu. 
       
       Blasel: Wegen Robert Habeck läuft aktuell der schnellste Ausbau
       erneuerbarer Energien in der Geschichte der Bundesrepublik. Ja, die Grünen
       hätten mehr über den sozialen Ausgleich in der Klimapolitik nachdenken
       müssen, aber immerhin haben sie etwas getan. SPD und FDP haben nur die
       Hände gehoben und blockiert. So wie ich die Stimmung in der Bewegung
       wahrnehme, richtet sich der Protest am stärksten gegen Friedrich Merz, der
       noch vor ein paar Monaten gesagt hat, [4][Windräder müsse man eines Tages
       abreißen, weil sie hässlich seien].
       
       taz: Klingt, als spürten Sie aktuell neuen Zulauf?
       
       Blasel: Ja, das führt auch zu einer größeren Zugewandtheit für uns Grüne.
       Gleichzeitig erhöht es den Druck: Wenn die Grünen nicht für konsequenten
       Klimaschutz eintreten, tut es niemand. Klimaschutz stünde dann gar nicht
       mehr auf dem Wahlzettel. Die Erwartung der Klimabewegung, dass alle
       Parteien für Klimaschutz einstehen, ist deshalb so richtig wie notwendig.
       Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie, eine Partei allein wird
       die Klimakrise nicht aufhalten können.
       
       taz: Auch für die Linke und Volt gibt es in der Klimabewegung Sympathien. 
       
       Blasel: Und andersherum gibt es auch in der gesamten politischen Linken
       Sympathien für die Klimabewegung. Das ist gut so, darf aber nicht darüber
       hinwegtäuschen, dass Kleinparteien keine gute Entscheidung sind, wenn man
       mehr Klimaschutz möchte. Volt zum Beispiel ist bei jungen Leuten präsent,
       wird aber ganz sicher nicht im Bundestag sitzen. Eine Stimme für Volt wird
       am Ende unter allen Parteien im Bundestag aufgeteilt. Auch auf die AfD. So
       stärkt man eher rechte Kräfte als sozial gerechten Klimaschutz.
       
       taz: Sie sind seit Herbst 2024 im Amt, zuvor trat der [5][gesamte
       Jugendvorstand zurück und aus der Partei aus]. Ein Grund war neben der
       Klima- auch die Asylpolitik. Was tun Sie, um das Verhältnis zu kitten? 
       
       Blasel: Den Gedanken des alten Bundesvorstands, die politische Wirksamkeit
       der Zivilgesellschaft gegen den Parlamentarismus auszuspielen, teilen wir
       nicht. Beides geht Hand in Hand, das beste Beispiel dafür waren die
       Klimaproteste 2019 und die Wirkmacht der Grünen aus der Opposition heraus.
       Vor zwei Wochen haben wir gemeinsam mit Menschen aus der Klimabewegung
       Proteste gegen die CDU und ihre Zusammenarbeit mit der AfD organisiert, ein
       Wochenende später den Gasausstieg ins Wahlprogramm der Grünen verhandelt.
       Beides geht, und das unterscheidet uns vielleicht auch von unseren
       Vorgänger*innen.
       
       Ich kann niemandem versprechen, dass die Grünen nicht auch in Zukunft Dinge
       beschließen, die wir falsch finden. Aber ich kann garantieren, dass wir uns
       dann als Machtfaktor innerhalb der Partei dagegen zur Wehr setzen werden.
       
       taz: Haben sich die Grünen nicht längst von rechts mitreißen lassen?
       Stichwort Habecks 10-Punkte-Plan, mit dem er eine „Sicherheitsoffensive“ in
       Migrationsfragen fordert. 
       
       Blasel: In der vergangenen Woche haben alle das Wahlprogramm ein bisschen
       für sich interpretiert. Der Kanzlerkandidat hat sein Sicherheitsverständnis
       veröffentlicht. Und wir haben da andere Prioritäten.
       
       taz: Wie bewerten Sie es, dass Habeck in seinem 10-Punkte-Plan
       psychologische Untersuchungen bei Erstanträgen von Asylbewerber*innen
       fordert? 
       
       Blasel: Ich lese es als Versuch, [6][die psychische Gesundheitsversorgung
       für Asylbewerber*innen zu verbessern]. Ein zentraler Punkt von
       psychischen Erkrankungen ist, dass sie oft schwieriger behandelt werden
       können, weil sie im Vergleich zu allen anderen Krankheiten viel später
       erkannt werden. Deswegen ergibt das gesundheitspolitisch Sinn.
       
       Allerdings finde ich die Idee, dass nur auf Asylbewerber*innen zu
       reduzieren, ein bisschen kurz gegriffen, weil ich glaube, dass es insgesamt
       unsere Sicherheit erhöhen würde, würden wir die psychische
       Gesundheitsversorgung verbessern.
       
       taz: Als Grüne Jugend haben Sie mit eigenen Forderungskatalog reagiert. Wen
       bekommen die Wähler*innen? 
       
       Blasel: [7][Unser 10-Punkte-Plan ist nah am Wahlprogramm], in dem sich auch
       viele Positionen der Grünen Jugend wiederfinden. Das ist eine gute
       Grundlage für Koalitionsgespräche. Der inhaltliche Aushandlungsprozess wird
       auch nach der Wahl andauern.
       
       taz: Warum verbinden Sie das Thema Migration nicht viel mehr mit der
       Klimakrise? Schließlich sagen alle Prognosen große Klimaflucht vorher. 
       
       Blasel: Der größte Fehler im Diskurs der letzten Monate war die Vermischung
       einer sicherheits- mit einer migrationspolitischen Debatte. Erst dadurch
       wurde dieses rassistische Narrativ möglich, den wir jetzt erleben.
       Migration ist nicht per se ein Sicherheitsproblem, sondern wir haben
       Sicherheitsprobleme, weil die soziale Infrastruktur immer weiter abgebaut
       wird.
       
       Es geht auch am Kern der Sache vorbei, da wir eigentlich mehr Migration
       brauchen, für den Arbeitsmarkt und gerade für eine sozial-gerechte
       ökologische Transformation. Wir sind eine viel zu geburtenschwache
       Generation, um alle Jobs und Aufgaben, die es in diesem Land gibt, zu
       verteilen.
       
       taz: Stehen Sie zu Ihrer Forderung, nach der gemeinsamen Abstimmung der
       Union mit der AfD eine Koalition mit Friedrich Merz auszuschließen? 
       
       Blasel: Friedrich Merz ist kein verlässlicher Partner für demokratische
       Parteien, [8][das hat er mit beeindruckender Klarheit die letzten Wochen im
       Parlament bewiesen]. Ich sehe nicht, dass Merz fähig ist, eine stabile
       Regierung anzuführen, die auch real Probleme in diesem Land löst. Grüne
       sind gut beraten, Merz’ klimazerstörerische und rassistische Politik nicht
       mitzutragen.
       
       taz: Wäre eine Zusammenarbeit mit der Union nicht genau dann
       staatspolitisch geboten, um weitere Exzesse in der Klima- und Asylpolitik
       zu verhindern? 
       
       Blasel: Das finde ich demokratietheoretisch unwürdig. Wir wollen, dass es
       nach der Wahl eine demokratische Regierung in Deutschland gibt. Und wir
       wollen verhindern, dass sich die rückwärtsgewandte Agenda von Herrn Merz
       durchsetzt. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns.
       
       taz: Mit „Zuversicht“ wirbt Ihre Partei im Wahlkampf. Woraus soll die
       entstehen? 
       
       Blasel: Autoritäre und rechte Kräfte wollen uns das Gefühl geben, wir seien
       dem Lauf der Geschichte wehrlos ausgeliefert. Unsere Antwort darauf muss
       sein, um so entschlossener für ein besseres Leben für alle zu werben. Wir
       Grünen stellen doch den einzigen Kanzlerkandidaten, der tatsächlich eine
       positive Erzählung und einen Plan für die Zukunft hat.
       
       Ich weigere mich, einem Verteidigermodus des Status quo zu erliegen.
       Zuversicht ist der Gegenentwurf zur Politik der extremen Rechten. Mit
       konkreten Ideen, wie es besser werden kann, haben wir eine Zukunft zu
       gewinnen.
       
       13 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wahlkampf-vor-Bohrplattform/!6068029
 (DIR) [2] /Die-Gruenen-und-Fridays-for-Future/!6065596
 (DIR) [3] /Bundeskongress-Gruene-Jugend/!6043707
 (DIR) [4] /Energieplaene-der-Union/!6045460
 (DIR) [5] /Ex-Chefinnen-der-Gruenen-Jugend/!6044802
 (DIR) [6] /Traumareferentin-zu-Aschaffenburg/!6064606
 (DIR) [7] /Interne-Asyldebatte-der-Gruenen/!6063893
 (DIR) [8] /Merz-Tabubruch-im-Bundestag/!6066154
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Maximilian Arnhold
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Robert Habeck
 (DIR) Grüne Jugend
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Schwerpunkt Fridays For Future
 (DIR) Borkum
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Soziale Gerechtigkeit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Klimastreik in Sachsen: Dem rechten Mainstream trotzen
       
       Etwa 50 Menschen sind in Freiberg dem Aufruf von Fridays for Future
       gefolgt. In der Stadt zeigt sich, wie schwer Klimaschutz ist, wenn die
       Mehrheit von dem Thema nichts wissen will.
       
 (DIR) Eltern zum heutigen Klimastreik: „Ich bin sicher, dass wir Zehntausende motivieren“
       
       Die Fridays-for-Future-Demos waren schon größer. Doch die Hamburger Parents
       for Future wachsen, sagen die Engagierten Maik Grebita und Mareike Pruin.
       
 (DIR) Wahlkampf vor Bohrplattform: Grüne nehmen Kurs auf Gasausstieg
       
       Umweltministerin Lemke und Grünen-Parteichef Banaszak warnen auf Borkum vor
       den Folgen einer Gasförderung für Klima und Natur. Die fossilen Pläne
       dürften nicht Realität werden.
       
 (DIR) Interne Asyldebatte der Grünen: Wer Habeck will, bekommt Habeck
       
       Den Migrationsplan des Spitzenkandidaten Robert Habeck konterte die Grüne
       Jugend mit einem eigenen. Die Asyldebatte der Partei bleibt unentschieden.
       
 (DIR) Ex-Chefinnen der Grünen Jugend: „Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
       
       Die ehemaligen Chefinnen der Grünen Jugend rechnen mit der Partei ab. Die
       Abtrünnigen planen jetzt einen Kongress – und kostenlose Nachhilfe für
       Arme.