# taz.de -- Frust nach Urteil gegen Krypto-Betrüger: „Ungerecht und Skandalös“
       
       > Das Amtsgericht Osnabrück hat Mohammed Ü. wegen Betrugs im
       > Kryptowährungshandel verurteilt. Doch viele Geschädigte finden das Urteil
       > unzureichend.
       
 (IMG) Bild: Nicht mehr als Diagramme auf einem Bildschirm: Kryptowährungen sind oft kryptisch und damit für Betrüger*innen attraktiv
       
       Osnabrück taz | Mohammed Ü. kann gut reden. Vergangenen Montag hat er es im
       Amtsgericht Osnabrück unter Beweis gestellt. Der 27-Jährige nimmt das
       Gericht für sich ein. Gut denkbar, dass er so auch Geldgeber von sich
       überzeugt hat, für sein Kryptowährungs-Geschäft, bis es kollabiert ist.
       
       Ü. redet über seine Kindheit, Überforderungen und Drogenabstürze. Über
       angebliche Millionen-Umsätze. Über seine Expertise, erworben „im Internet“.
       Über den „Rausch“ in den er geriet. Er habe niemanden betrügen wollen, sei
       Opfer widriger Umstände. Zuweilen prahlt er. Was er sagt, bleibt weitgehend
       unhinterfragt.
       
       Zwischen Herbst 2022 und Frühjahr 2023 soll Ü. für Coachings zum
       [1][Kryptowährungshandel] hohe Vergütungen verlangt und garantiert haben,
       diese kämen durch Finanzmarktgewinne wieder herein. Er habe vorgespielt,
       einen Fonds mit risikofreier [2][Geldanlage] aufzulegen, Kontakt zu einer
       Person zu haben, die in der Lage sei, Kapital bis auf das Fünffache des
       Ausgangsbetrages zu vermehren. Manche glaubten ihm. Knapp 177.000 Euro soll
       er sich von ihnen verschafft haben.
       
       Die Verhandlung ist schnell vorbei. Das Gericht initiiert ein
       Verständigungsgespräch. Im Rahmen einer Teileinstellung, straffrei für die
       Coachingverträge, erhält Ü. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun
       Monaten auf Bewährung, wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwölf Fällen. Zwei
       weitere Prozesstage, angesetzt auch für Zeugenaussagen von Geschädigten,
       werden gestrichen. Fall erledigt.
       
       ## Keine Anzeige wegen nervlicher Belastung
       
       84.000 Euro sollen bei Ü. „beigetrieben“ und an die Geschädigten ausgezahlt
       werden, schreibt Gerichtssprecherin Damaris Fleige der taz. Beim Strafmaß
       habe man berücksichtigt, dass Ü. „bereits zehn Monate Untersuchungshaft
       verbüßt und sich geständig und reuig eingelassen hat“. Daher sei „eine
       Vernehmung der Zeugen zur Sachaufklärung nicht erforderlich“ gewesen.
       
       M.* ist einer der Geschädigten. „Das ist ungerecht und skandalös!“, sagt er
       der taz. „Es hieß vorher, wir sollten Videoclips der Coachings mitbringen,
       Chatverläufe, da die Richterin nichts davon gesehen hat. Aber dann rief sie
       mich an und sagte, die Sache sei beendet.“
       
       M. hat Ü. 15.000 US-Dollar für ein Coaching gezahlt, das dann schnell
       abbrach. „Er hat ein paar Basics erzählt. Für mehr war er nicht
       vorbereitet.“ Insgesamt hat M. 25.000 US-Dollar gezahlt, obwohl er anfangs
       skeptisch war. Aber Ü. habe überzeugend geklungen. „Er gab sich achtsam,
       als wolle er nur helfen, so hat er sich das Vertrauen erschlichen. Er kann
       sich gut verkaufen; wir sind ja keine Trottel, die einfach auf einen
       Scammer reinfallen. Er hat uns geblendet, getäuscht. Tiefere Kenntnisse
       besaß er nicht.“
       
       M. weiß von „rund 30“ Geschädigten, die „von einem Schaden von mindestens
       370.000 US-Dollar berichten“. Viele hätten keine Anzeige erstattet, da sie
       der nervlichen Belastung nicht standhalten konnten, nicht mehr über
       finanzielle Mittel oder Vertrauen ins Rechtssystem verfügten.
       
       Auch Tim H.* gehört zu den Geschädigten, und auch ihn konsterniert das
       Urteil. „Warum einige zentrale Anklagepunkte fallengelassen wurden, etwa
       der Betrugsvorwurf in Bezug auf das Coaching, und warum die Geschädigten
       nicht gehört wurden, ist mir unverständlich“, sagt er der taz.
       
       Auch der Aachener Rechtsanwalt Benjamin Alt sieht das Handeln der
       Osnabrücker Staatsanwaltschaft und des Gerichts kritisch. Er vertritt zehn
       der Geschädigten. „Was im Verfahren passiert ist, ist teils für mich nicht
       verständlich“, sagt er der taz. „Ich habe der Staatsanwaltschaft sehr viele
       Informationen zusammen mit den Geschädigten mundgerecht aufbereitet. Als
       das Gericht dann die Zeugen lud, übrigens erst wenige Tage vor dem Prozess,
       hatte es einen zentralen Geschädigten vergessen.“
       
       ## Kurzzeitige Entführung des Angeklagten
       
       Auch der Einlieferungsweg für Unterlagen sei ein Problem gewesen. „Das
       läuft bei der Staatsanwaltschaft wohl in der Abteilung für
       [3][Cyberkriminalität]. Aber die waren nicht in der Lage, digital sämtliche
       Unterlagen zu empfangen. Wir sollten alles mit der Post an die Polizei bzw.
       Staatsanwaltschaft schicken – auch Videos, per USB-Stick.“
       
       Einen Tag nach dem Urteil hat Alt die Staatsanwaltschaft angeschrieben. Es
       bestehe seitens der Geschädigten der Verdacht, dass Ü. „niemals
       beabsichtigt habe“ das Coaching vollständig durchzuführen. „Dies wäre bei
       der Vernehmung der Zeugen voraussichtlich zur Sprache gekommen.“ Offenbar
       sei auch keine „intensive Befragung“ von Ü. erfolgt, ob er derzeit noch
       über finanzielle Mittel verfüge, für die Wiedergutmachung. Das verwundere
       seine Mandanten, weil mehrere einen wesentlichen Teil ihrer Ersparnisse
       verloren haben.
       
       Wie zornig mancher Geschädigte war, zeigt sich in einem skurrilen Detail,
       das gesondert verhandelt wurde: Einer von ihnen hat Ü. kurzzeitig entführt,
       um sich sein Geld persönlich zurückzuholen – was fehlschlug.
       
       Die Staatsanwaltschaft schweigt auf Fragen der taz. Die „Pressehoheit“,
       teilt Alexander Retemeyer mit, ihr Sprecher, liege beim Gericht.
       
       *Name der Redaktion bekannt
       
       21 Jan 2025
       
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