# taz.de -- Film „September 5“ im Kino: Keine Sekunde zum Bereuen
       
       > Der Kinofilm „September 5“ dreht sich um das Münchner Attentat von 1972.
       > Er zeigt, dass Größe darin lag, auf journalistische Triumphe zu
       > verzichten.
       
 (IMG) Bild: Peter Saarsgard als Senderchef Roone Arledge in dem Film „September 5“
       
       Im soeben gestarteten [1][Film „September 5“], der von der
       Berichterstattung durch ein „ABC-Sports“-Fernsehteam über das Attentat bei
       den Olympischen Spielen 1972 erzählt, dämmert es einem der
       Fernsehproduzenten plötzlich: Was die US-amerikanische Crew an Bildern
       gerade live überträgt, kann auch von den Terrorist:innen empfangen
       werden. Und die könnten die darin enthaltenen Informationen über die Taktik
       der Polizei natürlich nutzen.
       
       Der Terrorgruppe in die Hände zu spielen, war niemals die Absicht des Teams
       um den Senderchef Roone Arledge (Peter Saarsgard). Doch Menschen machen
       Fehler, sind überfordert, müde, oder kennen die Situation einfach nicht:
       Was man beachten muss, wenn man live über einen Terroranschlag berichtet,
       stand bei den wackeren Sportjournalist:innen, die sich mit Medaillen,
       Kameraeinstellungen und Emotionen, aber nicht mit Attentaten auskennen,
       schlichtweg nie auf der Agenda.
       
       Im Film trägt der verantwortliche Produzent, gespielt von dem großartigen
       [2][John Magaro,] den konterkarierenden Titel „Head of Control Room“ – denn
       natürlich kann von Kontrolle keine Rede sein. Man spürt stattdessen, wie
       dem hinter seiner 70er-Jahre-Brille und den riesigen Kopfhörern fast
       verschwundenen Journalisten der kalte Schweiß ausbricht, als ihm die
       möglichen Konsequenzen seines Verhaltens klar werden.
       
       Ohne dass er einem vorher besonders sympathisch gemacht wurde, tut er einem
       leid. Aber weil der Terror ein paar Meter vom Sendestudio entfernt live
       stattfindet, hat der Mann keine Sekunde Zeit zum Bereuen. Er muss
       weitermachen. Und Korrigieren kann man den Fehler nicht mehr.
       
       Eine der vielen Stärken von Tim Fehlbaums feinnervigem und vielschichtigem
       Medienkammerspiel ist diese gleichzeitige Darstellung von menschlicher
       Leistung und menschlichem Versagen in einer Live-Situation.
       
       ## Aufklären, sensibilisieren
       
       Medien übernehmen bei der Live-Berichterstattung eine unermessliche
       Verantwortung – selbstverständlich sind sie immer verantwortlich, auch bei
       vorproduzierten Beiträgen, Gesprächen oder Dokumentarfilmen, weil sie die
       Themen auswählen, die Schwerpunkte setzen, und die Gesellschaft durch ihre
       Darstellung mitgestalten, aufklären und sensibilisieren können. Was live
       passiert, liegt jedoch in gewisser Weise außerhalb ihrer Zuständigkeit. Es
       können Fehler passieren.
       
       Die historische Verortung von „September 5“ in den ersten beiden Dekaden
       der Fernsehübertragung bestimmt auch Tempo und Intensität der Wiedergabe:
       Trotz „Live“ und sich überstürzender Ereignisse dauerten manche Dinge
       einfach länger, etwa das Insertieren von Gesprächspartner:innen durch
       eine Tafel mit kleinen Steckbuchstaben, die von einer Redakteurin immer
       wieder händisch neu angeordnet und ins Bild geblendet werden müssen. Und
       das Schmuggeln einer großen schweren Kamera in das von der Polizei
       abgeriegelte Olympische Dorf, um überhaupt Bilder generieren zu können,
       gestaltete sich als kompliziert.
       
       ## Bestürzung über die Todesopfer
       
       Das Wichtigste an dem Film, der sich bei seiner Schilderung auf die
       Perspektiven aus dem Kontrollraum beschränkt, ist jedoch vielleicht der
       Verzicht auf den journalistischen Triumph: Man hatte schließlich trotz
       Fehlern eine schwierige und gefährliche Berichterstattung hinbekommen und
       Fernsehgeschichte geschrieben. Doch stolz ist niemand.
       
       Im On haben Journalisten Empathie und Menschlichkeit gezeigt, und obwohl am
       Ende von Fehlbaums Film keine moralischen Reden geschwungen oder Tränen
       verdrückt werden, ist die tiefe Bestürzung über das Attentat [3][mit seinen
       vielen Todesopfern] und die Ahnung seiner politischen Folgen greifbar.
       
       Hier hat nicht die abgeklärte, eiskalte Presse auf der Jagd nach
       Einschaltquoten agiert, sondern es ging um die genuine Aufgabe von
       Journalismus – sachlich zu informieren, wenn etwas passiert, noch vor den
       Analysen und Kommentaren. Im Augenblick des Schrecks haben Menschen so gut
       gearbeitet, wie sie konnten, und dabei auch Fehler gemacht. Ganz nach dem
       Motto: Augen auf und durch.
       
       14 Jan 2025
       
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