# taz.de -- Nach Messerattacke in Göttingen: Polizist erschießt Drogenkranken
       
       > Bei einem Einsatz ist ein offenbar drogenkranker Mann ums Leben gekommen.
       > Tödliche Schüsse auf Menschen in psychischen Krisen sind keine
       > Einzelfälle.
       
 (IMG) Bild: Tod durch eine Dienstwaffe: nach dem Polizeieinsatz wurde die Straße in Göttingen abgesperrt
       
       Göttingen taz | Scheinwerfer des Technischen Hilfswerks leuchten in der
       Nacht zum Donnerstag den Adolf-Delp-Weg im Göttinger Ortsteil Geismar aus.
       Ein Teil der Straße ist mit Flatterband abgesperrt. Polizist:innen in
       Schutzanzügen vermessen Spuren, machen Fotos. Ein paar Stunden zuvor, gegen
       17.30 Uhr am Mittwochnachmittag, hat hier ein Polizist einen 35-Jährigen
       mit einem oder mehreren Schüssen aus seiner Dienstwaffe so schwer verletzt,
       dass er später in einem Göttinger Krankenhaus starb.
       
       Der Mann, laut Staatsanwaltschaft war er drogenkrank, habe die beiden
       Beamten im Einsatz zuvor unvermittelt mit einem Messer angegriffen und
       einen von ihnen im Bereich des Oberkörpers verletzt, teilte
       Polizeisprecherin Jasmin Kaatz am Mittwochabend mit. „Der Polizist gab
       daraufhin einen Schuss aus seiner Dienstwaffe ab.“
       
       Zuvor soll der spätere Angreifer eine Frau auf der Straße grundlos
       angegriffen und zu Boden geworfen haben. Die Frau und der Mann kannten sich
       den Angaben nach nicht. Sie rief nach dem Vorfall von ihrer Wohnung aus die
       Polizei. „Als die erste Funkstreife vor Ort eintraf, um den Sachverhalt
       aufzunehmen, kam es zu dem Angriff“, so Kaatz.
       
       Das Göttinger Tageblatt zitiert eine Anwohnerin, die das Geschehen vom Bus
       aus verfolgt haben will. Sie habe den angeschossenen Mann gesehen, der auf
       dem Bordstein lag. Dass offenbar niemand von den Umstehenden, darunter
       Polizisten, Erste Hilfe leistete, habe sie verwundert. Ihren Angaben nach
       sei das erst durch eintreffende Sanitäter passiert.
       
       ## Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
       
       Fraglich ist auch noch, ob der Beamte wirklich nur einen Schuss abgegeben
       hat. Eine Ohrenzeugin berichtet etwas anderes. „Ich habe dreimal
       hintereinander Knallen gehört“, sagte sie einem Journalisten vor Ort. „Ich
       dachte zuerst, es wären Böller.“
       
       Die Staatsanwaltschaft geht mittlerweile auch davon aus, dass vermutlich
       einer der beiden Beamten drei bis vier Schüsse abgab, wie die Behörde am
       Donnerstag mitteilte. Die genaue Anzahl der Schüsse und wo sie den Mann
       trafen, werde noch ermittelt. Auch ob die Schüsse überhaupt gerechtfertigt
       waren, müsse noch ermittelt werden. Der Erschossene habe laut einem
       Sprecher der Staatsanwaltschaft einen Betreuer gehabt und war
       drogenabhängig.
       
       Tödliche Polizeischüsse auf Menschen in solch psychischen
       Ausnahmesituationen kommen immer wieder vor. In diesem Jahr etwa
       [1][erschoss die Polizei am Karsamstag im niedersächsischen Nienburg den
       46-jährigen Gambier Lamin Touray], der sich in einem dauerhaft psychischen
       Krisenzustand befand – um nur einen Fall zu nennen.
       
       Konkrete Zahlen liegen nicht vor, viele Bundesländer erheben nicht einmal,
       wie viele Menschen durch ihre Landespolizei wie und warum getötet werden,
       sagte der Kriminologe Thomas Feltes nach Lames Tod [2][im Gespräch mit der
       taz]. Feltes schätzt, dass zwei Drittel der Polizeitoten in einer
       psychischen Krise waren, als sie getötet wurden.
       
       ## Keine einheitlichen Fortbildungsstandards bei der Polizei
       
       Das Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit an der Berliner
       Humboldt-Universität sammelt öffentlich zugängliche Daten. Demnach sind
       seit 2019 [3][mindestens 37 Personen in psychischen Krisen von Polizisten
       erschossen worden.]
       
       Eine bundesweite Abfrage ergab, dass es in diesem Bereich keine
       einheitlichen Fortbildungsstandards bei der Polizei gibt. Nur drei
       Bundesländer gaben demnach an, dass eine Fortbildung speziell im Umgang mit
       Menschen in psychischen Krisen für alle Beamt:innen verpflichtend ist.
       In Hamburg etwa müssen einige Polizist:innen eine solche Fortbildung
       besuchen, die dann ihr Wissen in die Truppe tragen sollen.
       
       Kriminologen finden das nicht ausreichend. [4][Rafael Behr] etwa,
       ehemaliger Ausbilder an der Akademie der Polizei Hamburg, plädiert schon
       länger dafür, dass einzelne Beamte sechs bis neun Monate in einer
       psychiatrischen Einrichtung hospitieren sollten – um mitzuerleben, wie das
       Personal mit diesen Menschen umgehe.
       
       Im aktuellen Fall wurden die weiteren Ermittlungen an die Polizei Goslar
       übergeben, die mit der Staatsanwaltschaft Göttingen gegen beide Beamte
       ermittelt. Die Dienstwaffen seien beschlagnahmt worden. Es gelte die
       Unschuldsvermutung.
       
       20 Dec 2024
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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