# taz.de -- Ägyptologin über antike Liebeslieder: „Viel schöner, als alles aus den vergangenen 500 Jahren“
> Heidi Köpp präsentiert in Hannover Liebeslieder und -gedichte aus dem
> alten Ägypten. Sie mögen 4.000 Jahre alt sein, ihre Themen aber sind uns
> nahe.
(IMG) Bild: Säuselten sie einander in die royalen Ohren? Statue des Schreibers Pendua und seiner Frau Nefertari, Neues Reich, um 1200 v. Chr
taz: Frau Köpp, die Liebe über einen Zeitraum von 4.000 Jahren betrachtet:
Ist das mehr Veränderung oder mehr Kontinuität?
Heidi Köpp: Das ist eine sehr schöne Frage. Bei der Lektüre der
altägyptischen Liebeslieder und -gedichte hatte ich eher den Eindruck, es
geht im Grunde immer um dasselbe.
taz: Nämlich?
Köpp: Liebt er mich oder liebt er mich nicht? Wenn nein, was kann ich
dagegen tun? Damals erhoffte man sich dann Hilfe von den Göttern, was heute
doch eher unüblich ist. Vor allem finde ich, dass die Texte sehr viel
schöner sind, [1][als alles aus den vergangenen 500 Jahren hier in Europa].
taz: Was etliche Epochen des hiesigen Denkens und Dichtens umfassen würde…
Das ist ja mal eine Ansage!
Köpp: Man kennt ja die einschlägigen Texte aus dem Neuen und dem Alten
Testament. Die altägyptischen Liebeslieder sind noch mal etwas ganz
anderes. Die stammen etwa aus der Zeit von Ramses dem Großen …
taz: … also dem 13. Jahrhundert vor Christus …
Köpp: … und sind vom Text her, wie soll ich sagen, verführerisch. In dem
Sinne, dass man sozusagen auf jedes nächste Wort hofft. Manchmal sind da
aber auch Bilder dabei, Metaphern, die wir heute nicht mehr verstehen –
„Memphis ist wie eine Schale mit Liebesäpfeln“? Aber vielleicht macht
gerade das ja auch den Zauber aus.
taz: Wie steht es da um die Quellenlage?
Köpp: Liebesgedichte und Liebeslieder gibt es etwa 60 Stück, alle aus dem
Neuen Reich …
taz: … die Epoche von 1550 bis 1070 vor Christus.
Köpp: Die meisten wurden gefunden in Deir el Medina, das ist das Dorf, in
dem Arbeiter gewohnt haben, die die Königsgräber im Tal der Könige erbaut
haben. Das war so ein Pool für Künstler, und deshalb gab es dort ganz viele
[2][Graffiti] und Ostraka …
taz: … beschriftete Tonscherben …
Köpp: … auf denen diese Liebeslieder und Liebesgedichte standen.
taz: Diese 60 Texte sind also räumlich und zeitlich nah beieinander
entstanden. Weiß man irgendetwas über die Urheberschaft?
Köpp: Das ist leider bei allen ägyptischen Texten so, dass man im Grunde
nie weiß, wer es verfasst hat. Manche dieser Texte, wie [3][der „Anfang von
den Aussprüchen der großen Herzensfreude“], werden über sieben Strophen
hinweg von einem Mann und einer Frau im Wechsel gesprochen. Da würde man
sich freuen, wenn man sagen könnte: Okay, das war ein Autor und eine
Autorin – aber das lässt sich einfach nicht festmachen. Einige Texte sind
auch ganz eindeutig aus weiblicher Sicht geschildert. Aber wir können nicht
mit Sicherheit sagen, dass sie eine Frau geschrieben hat.
taz: Wie viel Erklärung müssen Sie an so einem Abend liefern? Und wie
bewahren Sie dabei die Schönheit des Materials?
Köpp: Ich mache eine kurze Einführung, schicke voraus, dass die Menschen im
Publikum bitte nicht traurig sein mögen, wenn sie nicht alle Bilder
verstehen, das Ganze ist ja 3.300 Jahre her. Meistens ist es dann so, dass
die Leute so aufmerksam hinhorchen, dass man eine Stecknadel fallen hören
könnte. Es ist eine ganz andere Art und Weise, [4][das alte Ägypten]
kennenzulernen. Nicht über Statuen oder Särge, sondern sozusagen aus dem
Mund der damals Lebenden.
taz: Nun ist ja ein Lied immer auch Musik. Was weiß die Ägyptologie
darüber?
Köpp: Man kennt aus dem alten Ägypten sehr viele Instrumente, sehr viel
mehr als aus Europa. Das ist ja der Vorteil, wenn Sie in so ein Grab
hineingehen: Es ist alles erhalten.
taz: Aber Kompositionen sind nicht bekannt?
Köpp: Nein, wir haben keine musiktheoretischen Überlieferungen, wie man sie
aus Griechenland kennt. Und wir haben keine Notation. Aber bei der Laute
[5][aus der Zeit Tutanchamuns] wissen wir zum Beispiel, wie sie gestimmt
wurde. Der kann ich Töne entlocken, wie sie im alten Ägypten auch gespielt
worden sein können. Ob sie damals aber auch genauso gespielt haben, das
wissen wir nicht – ein großes Aber. Das sind die Möglichkeiten, aber auch
die Grenzen der experimentellen Musikarchäologie.
18 Dec 2024
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## AUTOREN
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