# taz.de -- Regierungskrise in Frankreich: Macrons letzter Joker
       
       > Frankreichs neuer Premier François Bayrou ist dafür bekannt, mit allen
       > sprechen zu können. Lenkt er das Land aus der Krise?
       
 (IMG) Bild: Links im Bild ist keiner von beiden: Macron setzt auf den Mitte-Rechts-Politiker Francois Bayrou als neuen Premier
       
       Seit Langem war François Bayrou im Gespräch für den Posten des
       Regierungschefs in Frankreich. Nicht erst, seit er Emmanuel Macron 2017 bei
       den Präsidentschaftswahlen zum Sieg verhalf. In den letzten 20 Jahren
       zirkulierte immer wieder sein Name unter den genannten Favoriten für das
       Amt.
       
       Bayrou ist schon so lang im Geschäft, dass böse Zungen ihn bereits als
       Ladenhüter abgeschrieben hatten. Doch trotzdem gelang es ihm, in all diesen
       Jahren, eine Schlüsselfigur der französischen Politik zu bleiben.
       
       Dieses Mal hatte [1][Macron] keine Ausrede mehr. Bayrou ist vielleicht die
       letzte Karte, die er in der gegenwärtigen Regierungskrise noch als Joker
       zur Wiederherstellung eines Anscheins von Vertrauen in die Staatsführung
       ausspielen konnte. Laut den ungeduldig zappelnden Medien, die in den
       letzten Tagen jedes Augenzwinkern des Präsidenten als Hinweis nahmen, hatte
       Macron seinen älteren Mentor Bayrou mehrfach angerufen.
       
       Einen idealen Kandidaten für die Aufgabe, nach dem von der Opposition
       erzwungenen Rücktritt von Michel Barnier eine Regierung zu bilden, gab es
       angesichts der [2][vertrackten politischen Kräfteverhältnisse] in der
       französischen Nationalversammlung nicht. Es gibt keine in der
       Abgeordnetenkammer regierungsfähige Mehrheit, und jede Minderheitsregierung
       – wie im Fall von Ex-Premier Barnier – kann sich nur dank der gnädigen
       Duldung der Rechten oder eines Teils der gegnerischen Linken halten.
       
       ## Bayrou, der Mann hinter den Kulissen
       
       Für Bayrou sprachen aus Macrons Sicht dann aber einige Argumente: Er erregt
       sowohl links wie rechts weniger Anstoß als andere. Er ist bekannt dafür,
       dass er mit allen reden kann. Und vor allem hat er langjährige Erfahrung im
       Parlamentsbetrieb und im Regierungsgeschäft.
       
       Der 1951 geborene François Bayrou kommt aus dem französischen Baskenland in
       den Pyrenäen. Er ist Bürgermeister der Stadt Pau, wo er Literatur studiert
       hatte und um 1980 eine politische Karriere in der damaligen Mitte-Partei
       Centre des Démocrates sociaux begann. Rasch stieg er in Führungspositionen
       auf: erst Erziehungsminister, danach EU-Abgeordneter und jeweils
       Vorsitzender seiner Partei der Mitte.
       
       Als Chef und Kandidat der Zentrumsdemokraten wurde er zum Konkurrenten des
       Neogaullisten Jacques Chirac. Drei Mal versuchte es Bayrou mit einer
       Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl, vergeblich. Dass er 2012 im
       zweiten Wahlgang den Sozialisten François Hollande unterstützte und nicht
       Chiracs Nachfolger Nicolas Sarkozy, hat dieser ihm nicht verziehen. Ab 2016
       setzte er dann alles auf Macron.
       
       ## keine weiße Weste
       
       Nach dessen Triumph 2017 hätte Bayrou als Belohnung eigentlich den Posten
       des Regierungschefs erwarten können. Er wurde aber lediglich
       Justizminister. Nach nur einem Monat im Amt musste er zwei anderen
       Ministerkollegen seiner Partei MoDem (Mouvement Démocrate) den Ausstand
       geben: Die Justiz ermittelte wegen Unterschlagung von EU-Geldern, die der
       Bezahlung von parlamentarischen Assistenten dienen sollten, aber indirekt
       für die Parteifinanzierung abgezweigt wurden.
       
       Bayrou selber wurde im Februar 2024 freigesprochen und darf sich auf die
       Unschuldsvermutung berufen. Da die Staatsanwaltschaft aber Berufung
       eingelegt hat, hat der neu ernannte Premier weiterhin keine ganz weiße
       Weste.
       
       Vor allem deswegen hatten viele daran gezweifelt, dass Emmanuel Macron
       François Bayrou aus seiner bisherigen Rolle ins Rampenlicht befördern
       würde. Denn der französische Präsident geht damit das Risiko ein, dass sein
       neuer Premier schon demnächst vor dem Berufungsgericht vorgeladen wird.
       Wahrscheinlicher aber ist es, dass Bayrou vor der nächsten Prozessrunde
       nicht mehr im Amt sein wird. Einerseits angesichts der politischen
       Ungewissheit in Frankreich – andererseits wegen der langsam mahlenden
       Mühlen der Justiz.
       
       Allerdings scheint schon jetzt die ihm übertragene Mission, Frankreich aus
       der politischen Krise zu führen, angesichts der Startbedingungen schier
       unmöglich. Unmittelbar nach seiner Ernennung stellte [3][das rechtsextreme
       Rassemblement National] seine politischen Forderungen und drohte, Bayrou,
       wie zuvor Barnier, gemeinsam mit den Stimmen der Linken zu stürzen.
       
       13 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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