# taz.de -- Geopolitik nach Assads Sturz in Syrien: Der Rest der iranischen Achse muss isoliert werden
       
       > Russland war abgelenkt, die Hisbollah geschwächt. Plötzlich stürzte
       > Assads Kartenhaus in sich zusammen. Die iranische Achse hat damit an
       > Potenz verloren – vorerst.
       
 (IMG) Bild: Das Ende der Heldenverehrung der Despoten Assad und Khamenei
       
       Das Regime von Baschar al-Assad ist gefallen. Spätestens seit seiner Flucht
       nach Russland am 8. Dezember haben die als islamistisch geltende Miliz HTS
       sowie kleinere Rebellengruppen aus dem Süden des Landes die Kontrolle
       übernommen. Wie konnte es ausgerechnet jetzt dazu kommen?
       
       Weil die Syrische Arabische Republik schon lange kein Staat mehr war,
       sondern ein von äußeren Mächten notdürftig gestütztes und seine Bevölkerung
       mit Angst lenkendes Konstrukt. Und wenn diese äußeren Mächte auf einmal
       eigene Probleme haben, abgelenkt und anderweitig eingebunden sind, dann
       öffnet sich ein Türchen.
       
       Dass al-Assad trotz der Revolution von 2011 und des anschließenden Kriegs
       nicht gestürzt wurde, verdankt er der libanesischen Hisbollah, die ihm mit
       Taktik und Milizionären kräftig half; dem Iran, der die Hisbollah
       aufrüstete und weitere Kämpfer sandte; und letztlich Russland, das al-Assad
       in den Sattel zurückbombte, als er trotz aller anderen Bemühungen den Krieg
       2015 zu verlieren schien.
       
       Das Ende von Baschar al-Assad begann so wohl am 24. Februar 2022, als
       Russland die Ukraine überfiel. Über [1][80.000 russische Soldaten] sollen
       dort laut BBC und dem oppositionellen russischen Medienhaus Mediazona
       bisher getötet worden sein, dazu kommen die Verluste von gepanzerten
       Fahrzeugen, Waffen, Munition. Immer wieder gab es Medienberichte, dass
       Russland im Laufe des Krieges Personal und Technik aus Syrien Richtung
       ukrainischer Grenze verlagerte.
       
       Der zweite Meilenstein auf dem Weg zum Fall des syrischen Regimes war wohl
       der 7. Oktober 2023. Die Iran-verbündete Hamas griff Israel an, das
       beispiellos zurückschlug. Die Hamas ist heute deutlich geschwächt, ihre
       Infrastruktur zumindest teilweise zerstört, führende Köpfe wie Ismail
       Hanijeh tot. Und auch der Iran selbst wurde Kriegspartei: Zum ersten Mal
       beschossen die Islamische Republik und Israel sich in diesem Krieg direkt.
       Vielleicht die Besiegelung des Schicksals al-Assads war der 23. September,
       als Israels Militär seine Offensive auf die Hisbollah ausweitete, ihren
       Chef Hassan Nasrallah tötete und auch die Infrastruktur der Hisbollah
       kräftig dezimierte.
       
       ## Ein von außen gestütztes, hohles Konstrukt
       
       Dass al-Assad ohne Russland, Hisbollah und Iran nicht überlebensfähig war,
       erkannten die Rebellen. Und dass al-Assad trotz Annäherungsversuchen
       seitens der Türkei und der Golfstaaten darüber hinaus praktisch isoliert
       war, auch.
       
       Jahrelang galt die Diktatur al-Assads als fest verankert, auch in der
       Perspektive des Westens. Ebenso, wie die Diktatur der Hamas in Gaza gesehen
       wurde oder die Dominanz der Hisbollah im Libanon: Kaum, so eine gängige
       Analyse, könne man diese Gruppen einhegen oder gar besiegen, und wenn, dann
       nur zu einem hohen Preis. Doch es kam anders. Das Regime war, von seinen
       externen Unterstützern im Stich gelassen, [2][leicht zu überwältigen].
       
       Al-Assads Syrien war sicherlich besonders schwach, gebeutelt von
       Hyperinflation, geplünderten Staatskassen, einem demotivierten und
       unterbezahlten Sicherheitsapparat und einer Bevölkerung, die ihren
       Herrscher in weiten Teilen hasste und fürchtete. Dennoch könnte das Prinzip
       „Isolation gleich Schwäche“ auch für andere Mächte in der Region gelten.
       Und das ließe sich politisch fördern, etwa durch weitere Sanktionen gegen
       den Iran.
       
       Denn die Hamas, Hisbollah und Syriens Regime waren Teil der „Achse des
       Widerstandes“ des Iran, Teil der Proxy-Armeen, die die Islamische Republik
       im gesamten Nahen Osten aufgebaut hatte und finanzierte. Die Hisbollah
       dürfte nach der israelischen Offensive geradezu nach Unterstützung und
       Aufrüstung lechzen.
       
       Doch mit dem [3][Fall al-Assads] ist der Versorgungsweg aus Iran über den
       Landweg unterbrochen. Und am Waffenstillstandsabkommen mit Israel vorbei
       Mengen an Rüstung über den Flughafen Beirut ins Land zu schmuggeln, dürfte
       ein kaum mögliches Unterfangen sein. Von der „Widerstandsachse“ in der
       Region blieben bisher nur zwei Akteure weniger beeinträchtigt: die
       proiranischen Milizen im Irak und die Huthis im Jemen.
       
       Die Stärke des Iran war sein Netz an Proxys und Hörigen wie al-Assad, die
       seinen direkten Einfluss über die Landesgrenzen hinaus bis ins östliche
       Mittelmeer ausweiteten. Von denen abgeschnitten und wieder in die eigene
       Landmasse eingehegt, ist er ein weniger gewichtiger – und für Israel und
       den Golf weniger gefährlicher – Akteur. Es bleibt die Bedrohung durch sein
       Atomprogramm und damit die Möglichkeit einer Eskalation zwischen Israel und
       Iran.
       
       Aber für den Moment hat der Iran seine Arme in die Region und damit einen
       Teil seines Schreckfaktors verloren. Zumindest für alle, die nicht unter
       seiner Gewaltherrschaft leben müssen.
       
       13 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://meduza.io/en/news/2024/11/29/more-than-80-000-russian-servicemen-confirmed-killed-in-ukraine-majority-of-whom-were-civilians-before-full-scale-war-bbc-and-mediazona
 (DIR) [2] /Syrien-nach-Assad/!6051870
 (DIR) [3] /Nach-dem-Umsturz-in-Syrien/!6056111
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Schneider
       
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