# taz.de -- Sicherheitsmaßnahmen in Berlin-Mitte: Abschottung statt Bürgernähe
       
       > Zäune prägen das Stadtbild im Regierungsviertel. An vielen Stellen ist
       > Passant*innen kaum ein Durchkommen möglich – wie etwa am
       > Friedrich-Ebert-Platz.
       
 (IMG) Bild: Bauzäune und provisorische Container: Der Platz der Republik wirkt nicht sonderlich einladend
       
       Berlin taz | Wer sich dieser Tage am Bundestag umsieht, erblickt vor allem
       Zäune. Der schmucklose Friedrich-Ebert-Platz ist am Osteingang des
       Reichstagsgebäudes mit Metallgittern abgesperrt. Während der
       [1][Sitzungswochen des Parlaments] parken Polizeifahrzeuge und Limousinen
       von Bundestagsabgeordneten auf der kargen, asphaltierten Fläche. Dabei
       verfügt der Bundestag eigentlich über eine teuer errichtete unterirdische
       Infrastruktur und auch eine Tiefgarage mit mehreren hundert Stellplätzen –
       die wird aber offenbar nicht von allen genutzt.
       
       Der Friedrich-Ebert-Platz gehört zum Bezirk Mitte. Der Mauerradweg
       überquert ihn, Fußgänger*innen und Radfahrer*innen dient er als
       [2][Abkürzung zur Spree]. Doch unter Verweis auf die Sicherheit der
       Abgeordneten und Mitarbeiter*innen ließ der Bundestag ihn bereits 2002
       erstmals vorübergehend absperren; 2010 wurde wegen Terrorgefahr sogar ein
       dauerhafter Zaun errichtet – und der Platz verkam zum informellen
       Privatparkplatz.
       
       Ein taz-Leser, der nicht namentlich genannt werden möchte, ist dagegen vor
       Gericht gezogen – und hat recht bekommen: Das Verwaltungsgericht Berlin
       sowie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg haben entschieden, dass
       die Betretungs- und Aufenthaltsverbote auf dem Platz rechtswidrig sind.
       
       Daraufhin wurde die Sperrung aufgehoben, wie es das Gericht verlangt hat –
       jedoch nur in den sitzungsfreien Zeiten. „Während der Sitzungswochen im
       Bundestag ist es erforderlich, einen Teilbereich des
       Friedrich-Ebert-Platzes aus Sicherheitsgründen zu sperren“, erklärt die
       Berliner Polizei auf taz-Anfrage. „Es liegt dann zumeist eine konzentrierte
       Anwesenheit von Schutzpersonen vor.“ In sitzungsfreien Zeiten erfolgten
       aber „keine gesonderten Schutzmaßnahmen“.
       
       ## Eine schmale Gasse als Kompromiss
       
       Als Kompromiss führt nun eine schmale Gasse an den temporären Sperrungen
       vorbei zum Spreeufer. Sie ist erst bei genauerem Hinsehen zu erkennen. Auf
       halber Strecke steht eine Wachkabine der Polizei. Einige Passant*innen
       seien „gestresst“ gewesen, als der Platz noch komplett abgesperrt war, gibt
       der freundliche junge Beamte am Wachhäuschen zu.
       
       „Niemand bestreitet, dass Sicherheitsanforderungen für gefährdete Menschen
       erfüllt werden müssen“, stellt der ehemalige Bezirksbürgermeister von Mitte
       und heutige Bezirksverordnete Stephan von Dassel (Grüne) klar. Jedoch
       könnten alle Bundestagsgebäude rund um den Platz unterirdisch erreicht
       werden, „also komplett ohne jeden Kontakt mit potenziellen Gefährdern“,
       sagt von Dassel zur taz.
       
       Ihn wundere zudem, dass direkt an den Bundestagsgebäuden Lkw fahren
       dürften, die auch als Waffe dienen könnten. „Warum dann ausgerechnet von
       Radfahrenden und Fußgängern während des sehr kurzen Moments, in dem
       potenziell gefährdete Personen vom Auto zum Bundestagseingang laufen, die
       größere Gefahr ausgehen soll, leuchtet mir überhaupt nicht ein“, so von
       Dassel.
       
       Ein wichtiges Ziel bei den Planungen für das Regierungsviertel war der
       direkte und frei zugängliche Weg vom Potsdamer Platz über das Brandenburger
       Tor und den Reichstag zur Spreepromenade. Heute wird das Regierungsviertel
       vom 900 Meter langen „Band des Bundes“ durchzogen, zu dem das
       Paul-Löbe-Haus und das Bundeskanzleramt gehören.
       
       In der Mitte war ursprünglich ein Bürgerforum als Ort der Öffentlichkeit
       geplant. Doch ausgerechnet dieses Forum wird nun nicht gebaut, eine
       Straßenverbindung war wichtiger. Und auch das Ziel eines offenen
       Bundestages als „Herzkammer der Demokratie“ scheinen die Verantwortlichen
       inzwischen aus den Augen verloren zu haben.
       
       ## Das neue Besucherzentrum: ein massives Bauwerk
       
       Das zeigt ein Blick auf die andere Seite des Reichstagsgebäudes: Hier liegt
       der Platz der Republik mit Containern als Besuchereingang zum Parlament.
       Auf einer Baustelle führen Bagger Erdarbeiten aus – dort soll bis 2030 das
       neue Besucherinformationszentrum (BIZ) entstehen.
       
       Geplant ist ein massives Bauwerk, das mit Sicherheitsanlagen,
       Toilettenhaus, Berieselungsanlagen und Zufahrten insgesamt rund 8.000
       Quadratmeter Fläche verbrauchen wird. Sogar ein Teil des Tiergartens soll
       gerodet werden, insgesamt mehr als einhundert Bäume. Zweieinhalb Meter hohe
       Zäune und ein ebenso tiefer Graben sowie ein Tunnel werden den Zugang zum
       Zentrum der deutschen Demokratie reglementieren.
       
       Das BIZ wurde mit Zustimmung des Landes Berlin und des Bezirks Mitte
       [3][auf den Weg gebracht], um den mehr als zwei Millionen
       Bundestags-Besucher*innen pro Jahr „besser gerecht werden zu können,
       als dies derzeit der Fall ist“, wie es das Büro von
       [4][Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP)] auf taz-Anfrage
       formuliert. Mit dem BIZ könne die Sicherheit der Besucher*innen
       verbessert werden, das sei „im Interesse aller“.
       
       ## Das Kanzleramt wächst weiter
       
       Die Kosten werden momentan mit 193 Millionen Euro veranschlagt, rechnet man
       noch die sogenannten Risikokosten hinzu, könnten es sogar 276 Millionen
       werden. Um eine geeignete Ausgleichsfläche haben Bezirk und Bund lange
       gestritten, nun sollen lediglich zwei Parkplätze in der Scharnhorst- und
       der Müllerstraße entsiegelt sowie eine mit Bäumen bepflanzte Promenade
       errichtet werden.
       
       Katalin Gennburg, Expertin für Stadtentwicklung der Linke-Fraktion im
       Berliner Abgeordnetenhaus, befürchtet, dass der Bezirk Mitte weiter mit
       Regierungsgebäuden „zugebaut“ werde und bald keinen Platz mehr für die
       Menschen biete. Sie hatte sich zudem erfolglos für eine andere
       Ausgleichsfläche starkgemacht.
       
       Unterdessen wird auch gegenüber dem Reichstagsgebäude gebaut: Das
       [5][Bundeskanzleramt] wird erweitert. Die Kosten für [6][die bereits
       begonnene Vergrößerung] wurden 2022 auf 777 Millionen Euro geschätzt. Auch
       dafür mussten bereits 180 Bäume weichen, sollen aber neu gepflanzt werden.
       „Um den Parkcharakter zu unterstützen, wird an den äußeren Fassaden des
       Erweiterungsbaus wilder Wein empor ranken“, heißt es der Bundesregierung.
       
       Zurück zum Friedrich-Ebert-Platz. Die Grünen in der
       Bezirksverordnetenversammlung Mitte fordern vom Bezirksamt, es solle
       sicherstellen, dass die teilweise Sperrung des Platzes durch die Polizei
       nur dann erfolgt, wenn sie unbedingt notwendig ist. Außerdem soll das
       Bezirksamt verhindern, dass der Platz an den zentralen
       Immobiliendienstleister des Bundes, die Bundesanstalt für
       Immobilienaufgaben (BImA) übertragen wird.
       
       Die BImA, die auch den Bau des BIZ verantwortet, wiegelt auf taz-Nachfrage
       ab. Man habe „keine Pläne, den Friedrich-Ebert-Platz in Berlin zu
       erwerben“. Auch dem Deutschen Bundestag lägen „keine Erkenntnisse über
       etwaige Veräußerungsabsichten vor“, heißt es aus dem Büro Kubickis.
       
       Der erfolgreiche Kläger zeigt sich trotzdem „erschrocken, wie wenig
       Gesetze, der Rechtsstaat und das Steuergeld zählen, wenn es um die
       VIP-Parkplätze des Bundestages auf dem Ebert-Platz geht“.
       
       Ex-Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel erwartet von den
       Verantwortlichen, „dass sie Rechtsprechung und Planungsrecht akzeptieren
       und das Prinzip des offenen und begehbaren Regierungsviertels nicht ohne
       Not und nur aufgrund abstrakter Gefährdungsbefürchtungen oder eingeübter
       und bequemer Wege weiter einschränken“. Anderenfalls wäre das aus seiner
       Sicht „genau der falsche Umgang mit der zunehmenden Entfremdung zwischen
       Politik und ‚normaler‘ Bevölkerung“.
       
       10 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /35-Jahre-Mauerfall/!6044373
 (DIR) [3] /Geplantes-Besucherzentrum-im-Reichstag/!5103009
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 (DIR) [5] /Bundeskanzleramt/!t5009598
 (DIR) [6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/groesserer-regierungssitz-1799034
       
       ## AUTOREN
       
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