# taz.de -- Trump und Selenskyj zu Gast bei Macron: Wo ist Olaf?
       
       > Scholz hat bei der Wiedereinweihung von Notre-Dame gefehlt. Das ist kein
       > Grund zur Aufregung. Er hatte wohl Besseres zu tun: Prompterreden
       > vorbereiten, joggen, wahlkämpfen.
       
 (IMG) Bild: Macron bringt sie zusammen: Trump und Selenskyj in Paris
       
       In dem Kinderbuch „Wo ist Walter?“ müssen Kinder und ihre Eltern auf
       wimmeligen Bildern unter hunderten gezeichneten Figuren den Walter finden:
       einen Mann mit rot-weiß gestreiftem Hemd und Zipfelmütze. Und trotz der
       auffälligen Kleidung ist Walter manchmal ziemlich gut versteckt.
       
       Gäbe es in der deutschen Bundesregierung doch einen Kinderbuchautor! Das
       Buch „Wo ist Olaf?“ wäre sicherlich ein großer Erfolg, auch ohne rot-weiße
       Streifen. Gesucht wird ein kleiner Mann mit Glatze und Ledertasche. Dafür
       nämlich, dass die Deutschen laut Umfragen angeblich genug haben von ihrem
       Kanzler, vermissen Sie ihn vorm Ins-Bett-Gehen ganz arg, wenn er mal nicht
       in der Tagesschau zu sehen ist.
       
       Am Wochenende ging ein Foto um die Welt, oder um das, was man für die Welt
       hält, wenn man zu viel Zeit im Internet verbringt. Es ist ein Bild, auf dem
       Olaf Scholz nicht zu sehen war. Es zeigte den designierten US-Präsidenten
       Donald Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den
       französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei einem Treffen am Rande der
       Wiedereinweihung der Kathedrale Notre-Dame in Paris.
       
       Viele Deutsche, vor allem viele deutsche JournalistInnen, waren sehr
       aufgeregt: Wie kann das sein, dass unser Bundeskanzler nicht auf dem Bild
       ist? Zeigt das nicht den Bedeutungsverlust Deutschlands, wird Weltpolitik
       jetzt wieder ohne uns gemacht? Hilfe, wo ist Olaf?
       
       ## Vielleicht hatte Scholz Besseres zu tun?
       
       Es gibt mehrere Antworten auf diese Frage. Die einfache wäre: Deutschland
       wurde bei diesem repräsentativen und politisch nicht gerade bedeutenden
       Termin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier repräsentiert. Für genau
       solche Zwecke, also für Termine, zu denen irgendjemand halt hinmuss, man
       will ja nicht unhöflich sein, hält Deutschland sich einen
       Bundespräsidenten.
       
       Vielleicht hatte Scholz also [1][einfach Besseres zu tun,] als zur
       Wiedereröffnung einer Kirche zu fahren. Den Stahlgipfel im Kanzleramt
       vorbereiten. Ein paar Reden für den Teleprompter schreiben. Interviews über
       die Lage bei VW geben. Mal wieder ’ne Runde joggen.
       
       ## Notre Dame – ein Symbol feudaler Prioritätensetzung
       
       Ursprünglich hatte Macron zwei kurze Einzeltreffen mit Trump und Selenskyj
       geplant. Diese zusammenzulegen, um so die Chance zu erhöhen, dass die USA
       unter Trump die Ukraine nicht gleich fallen zu lassen, war ein smarter Move
       des Gastgebers – Scholz’ Abwesenheit hat damit nichts zu tun.
       
       Wer möchte, findet für die Abwesenheit des Kanzlers noch andere gute
       Gründe. Olaf Scholz ist aus der evangelischen Kirche ausgetreten und der
       erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Was soll er
       bei der Wiedereröffnung einer Kirche? Zumal Scholz wie jeder Sozialdemokrat
       kurz vor einer Wahl gerade dabei ist, sich und die Öffentlichkeit daran zu
       erinnern, dass er eigentlich links und für Umverteilung ist.
       
       Notre Dame dagegen, so tragisch der Brand war, ist auch ein [2][Symbol für
       feudale Prioritätensetzung.] Auch Frankreich ist in der Krise, ist hoch
       verschuldet, und Le Pen ist kurz davor, bald die Fototapete von Macron zu
       übernehmen.
       
       ## Vermutlich keine politische Motivation hinter Abwesenheit
       
       Was könnte da wichtiger sein als der Wiederaufbau einer Kathedrale? Reiche
       Franzosen, die von ihrem Präsidenten von weltlichen Dingen wie Steuern
       weitgehend entlastet wurden, spendeten gern dafür, dass der Prunkbau wieder
       errichtet wird. Insgesamt 846 Millionen Euro kamen zusammen, allein 200
       Millionen von Bernard Arnault, dem reichsten Mann der Welt.
       
       Zugegeben: So politisch motiviert war Scholz’ Abwesenheit am Ende
       vermutlich nicht. Scholz weiß, dass man sich bei manchen Anlässen einfach
       mal rarmachen muss, damit einen alle schrecklich vermissen. Wäre er in
       Paris gewesen, niemand hätte darüber gesprochen. Und wenn am 23. Februar
       2025 die Wahllokale öffnen, so das Kalkül, sollen die Deutschen den langen
       Wahlzettel auffalten und sich fragen: Wo ist Olaf? Der Kinderbuchautor der
       Bundesregierung könnte im Frühjahr viel Zeit haben, darüber zu schreiben.
       
       8 Dec 2024
       
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