# taz.de -- taz-adventskalender „24 stunden“ (3): 3 Uhr im Görlitzer Park
       
       > Noch ist der Görli bei Dunkelheit geöffnet – und in einer eisigen
       > Dezembernacht menschenleer. Wer hier ausharren muss, droht zu erfrieren.
       
 (IMG) Bild: Bald um diese Zeit geschlossen: Der Görlitzer Park bei Nacht
       
       Stressig und chillig, hässlich und schön, herzerwärmend und abstoßend:
       Berlin hat viele Seiten, rund um die Uhr. In diesem Advent hangeln wir uns
       durch 24 Stunden Hauptstadtleben und verstecken jeden Tag aufs Neue 60
       Minuten Berlin hinter unserem [1][taz-berlin-Kalendertürchen]. Heute: ab 3
       Uhr im Görlitzer Park in Kreuzberg. 
       
       Der Görli ist auf. Eine große Lücke in der vollgesprayten und -gestickerten
       Ziegelmauer an der Skalitzer Straße öffnet den Weg in den Kreuzberger Park.
       Es ist drei Uhr in der Nacht und schneidend kalt. Minus 1 Grad zeigt die
       Wetter-App. Unter der Hochbahn steht eine Wanne, in dem Auto wärmen sich
       Polizisten. Schräg gegenüber, am Parkeingang, harrt eine Handvoll Leute
       aus, lehnt sich an Fahrräder, wartet auf den nächsten Kunden. Nicht
       aufdringlich, aber doch unausweichlich ertönt das Angebot:
       
       „Psssst. Brauchst du was?“
       
       „Nein, danke.“
       
       „Alles klar, gerne, ciao.“
       
       Vorbei am Dealer, rein in den Park. Zur Linken ist eine öffentliche
       Toilette, der Weg macht einen Knick, dann weitet sich der Blick in das
       menschenleere Naherholungs- und „Gefahrengebiet“.
       
       Bald soll der [2][Görlitzer Park] um diese Uhrzeit verschlossen sein.
       Zusammen mit anderen Maßnahmen hatte der schwarz-rote Senat vergangenes
       Jahr entschieden, die Grünfläche in den Nachtstunden dichtzumachen und will
       so [3][Kriminalität und Drogenhandel in dem Gebiet] eindämmen. Dazu sollen
       18 Tore sowie [4][300 Meter Zaun] gebaut werden. Zudem ist geplant, für
       mehr Licht in und um den Park zu sorgen sowie Bäume und Sträucher
       zurückzuschneiden.
       
       ## Der Weg ist beleuchtet, die Grünfläche stockfinster
       
       Zu dieser Jahreszeit hat sich die Vegetation ohnehin auf natürliche Weise
       selbst ausgedünnt. Die Baumkronen sind kahl, die Büsche wie gerupft, der
       Himmel sternenklar. Sehr still ist es, der Verkehrslärm von draußen
       verstummt, keine Bluetooth-Box wummert im Park. Wie eine Landebahn zieht
       sich der Hauptweg hinterm Pamukkale Richtung Südosten: geradlinig und
       gespenstisch hell beleuchtet. Alle paar Meter steht eine Laterne, vor
       Kurzem wurden sie mit neuen Leuchten ausgestattet. Dunkelheit verschluckt
       die Grünflächen und Trampelpfade ringsherum.
       
       Ein einsamer Fußgänger nähert sich und ist schon von Weitem zu erkennen. Er
       schiebt einen Einkaufswagen vor sich her – und schnorrt beherzt drauflos.
       
       „Haste hundert Euro?“
       
       „Äh nee, sorry.“
       
       „Okay schade, tschüss.“
       
       Fragen beantworten will er nicht, er trottet weiter. Am „Krater“, dem
       Rondell mitten im Park, liegt der Piraten-Spielplatz. Auch er ist zu dieser
       Uhrzeit und bei diesen Temperaturen völlig verwaist. Auf der anderen Seite,
       gleich neben dem Eingang an der Oppelner Straße, steht ein weiteres
       [5][öffentliches WC]. Grelles Neonlicht und lallendes Stimmengewirr dringen
       durch einen kleinen Türspalt, drinnen drängen sich Konsumierende,
       Wärmesuchende.
       
       Etwa hundert Meter weiter kreuzt eine weitere beleuchtete Schneise den
       Hauptweg: die Querung von der Glogauer Straße zur Falckensteinstraße. Ein –
       winterlich – vermummter Radfahrer umkurvt die vereisten Pfützen und
       verschwindet im Wrangelkiez. Ist der Görli irgendwann nachts abgeschlossen,
       ist diese Abkürzung zwischen Wrangel- und Reichenberger Kiez versperrt. Mit
       Umwegen von bis zu 1,2 Kilometern rechnet der Fahrradverband ADFC.
       
       „Psssst“, zischt wieder jemand aus einer dunklen Ecke nahe dem Ausgang zur
       Falckensteinstraße. Ein paar Meter entfernt parkt ein weiterer Gruppenwagen
       der Polizei, aber Beamt*innen sind nirgends zu sehen. Die größte Gefahr
       in dieser Dezembernacht besteht wohl darin, [6][draußen zu erfrieren].
       
       3 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanno Fleckenstein
       
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