# taz.de -- In der Gewalt der Hamas: Wie Alon Nimrodi um seinen Sohn kämpft
       
       > Statt auf Hass mit Hass zu reagieren, bestehen Angehörige der Geiseln im
       > Gazastreifen auf Menschlichkeit. Die eigene Regierung kritisieren sie
       > scharf.
       
 (IMG) Bild: Alon Nimrodi kämpft um seinen Sohn, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt wurde
       
       Als ich mich im Januar dieses Jahres von [1][Alon Nimrodi] in Berlin
       verabschiedete, hoffte ich, nur noch ein einziges Mal von ihm lesen zu
       müssen. Ich hoffte, dass wenn dieser Mann das nächste Mal in den Medien
       auftauchen würde, dies ein Grund zum Feiern wäre.
       
       Alon Nimrodi ist Israeli und Vater. Als sein Sohn Tamir Nimrodi von
       Terroristen der Hamas entführt wird, ist er 18 Jahre alt. Es gibt ein
       Video, das die Entführung zeigt: Tamir trägt keine Schuhe, auch nicht seine
       Brille – ohne die sieht er kaum.
       
       Am 98. Tag ohne ein Lebenszeichen von seinem Sohn sprach Alon bei einem
       unserer Treffen Anfang des Jahres von der Hölle, die er deshalb jeden Tag
       erlebe.
       
       Schon damals dachte ich, dieser Mann sieht gebrochen aus. Heute, viele
       Monate später, frage ich mich, wie oft ein Mensch eigentlich brechen kann,
       bevor er zerbricht?
       
       ## Zweiter Geburtstag in Gefangenschaft
       
       Jetzt, im November 2024, an Tag 406 nach seiner Entführung durch
       Hamas-Terroristen, hat Tamir Nimrodi bereits den zweiten Geburtstag in
       Gefangenschaft verbracht. Er wurde 20 Jahre alt und kann weiterhin nicht
       bei seiner Familie, nicht bei seinen Freunden, nicht in Freiheit sein.
       
       Ich sehe Videos aus Israel; sehe Alon am Platz der Geiseln in Tel Aviv, an
       dem sich seit dem Überfall der Hamas die Angehörigen und Freunde der
       Entführten regelmäßig mit Unterstützern versammeln. Ich sehe Herut, Tamirs
       Mutter, und viele andere, die wegen Tamirs Geburtstag gekommen sind. Um
       seiner zu gedenken, lassen sie gelbe Luftballons steigen.
       
       Tamir war Bildungsoffizier; im Norden Israels, am Grenzübergang Erez, war
       seine Einheit stationiert. Für seine Zeit in der Armee hatte sich Tamir
       drei Ziele gesetzt: „So vielen Menschen helfen, wie ich kann. Freunde
       finden. Verletze niemanden.“ Diese Vorsätze versucht seine Familie
       umzusetzen: Zu Tamirs Geburtstag rief sie die Menschen auf, zu spenden.
       Gebäck, [2][Challah] und anderes Essen wurde an verwundete Soldaten, an
       Kranke, an Bedürftige übergeben.
       
       Wer solch unvorstellbares Leid erlebt hat, es weiterhin Tag für Tag
       durchleben muss, könnte hart werden, verbittert. Statt auf Hass mit Hass zu
       reagieren, betonen Angehörige wie Alon immer wieder Menschlichkeit, ein
       Miteinander. Sie nehmen die Liebe, die sie für ihre Kinder, Geschwister,
       Partner empfinden, und wandeln sie in Kraft um für ihren Kampf. Ich
       bewundere diese Stärke.
       
       ## Auf Kosten der Geiseln
       
       Härte und Zorn richten die Menschen, auch Alon, an ihre Regierung. [3][In
       einem Interview] sprach er davon, dass Minister nicht ihren Aufgaben
       nachkämen, auf Kosten der Geiseln; unfähig seien, ihr Amt auszuführen.
       
       Kritik an Israel, an seiner Regierung, ist möglich (im Westen wird gern
       Gegenteiliges behauptet); und die Israelis selbst sind die größten Kritiker
       dieser Regierung. Wenn es bis heute von durchgedrehten Aktivisten,
       Künstlern und anderen Israelhassern heißt, der Angriff der Hamas hätte eine
       Vorgeschichte, einen Kontext, sei nur Widerstand und die Entführten seien
       ja schließlich zum Großteil Soldaten, also bewaffnete Kämpfer gewesen,
       denke ich an Tamir. [4][Herut, Tamirs Mutter, sagte diesen Mai in Berlin]
       „Es hat die Terroristen nicht interessiert, wen sie töteten und
       verschleppten. Mein Sohn hat für eine humanitäre Organisation gearbeitet.
       Sie haben ihn trotzdem entführt.“
       
       Ich weiß, es hängt nicht an irgendwelchen westlichen Künstlern oder
       Aktivisten, ob Tamir und mit ihm 100 weitere Geiseln frei kommen. Dennoch,
       es empört mich, macht mich wütend, welche Realititätsverdrehungen seit dem
       7. Oktober verbreitet werden. Wie leicht es manchen fällt, ihren Hass in
       die Welt zu schreien; wie sie diesen einfachen, vorhersehbaren Weg wählen.
       
       Anders als Alon Nimrodi, der bricht und bricht und bricht, und trotzdem für
       das Gute, die Liebe, für seinen Tamir kämpft.
       
       22 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Geisel-im-Gazastreifen/!5986430
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Challa
 (DIR) [3] https://x.com/LOdinaev/status/1857530132573077788
 (DIR) [4] https://www.juedische-allgemeine.de/unsere-woche/keine-zeit-zu-trauern/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
       
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