# taz.de -- Comic von Tochter und Vater: Wo ein Vogel ist, ist auch ein Weg
       
       > Im Comic „Ahmadjan und der Wiedehopf“ siegt das Schöne über die Schrecken
       > des Kriegs. Verharmlost wird es dafür aber nicht.
       
 (IMG) Bild: Ahmadjan wird 1972 Zeuge des RAF-Anschlags aufs Springer-Hochhaus
       
       Der Band hat eine heitere Ausstrahlung. Das Titelbild zeigt eine Person in
       Schlaghosen, die ein Buch trägt, aus dem bunte Strahlen herauskommen, die
       wiederum in Köpfen von Vögeln münden. Die Figur wird von einem kleinen
       gelben Vogel verfolgt.
       
       Dieses Motiv war eine [1][gemeinsame Idee von Tochter Maren und Vater
       Ahmadjan Amini], und auch „Ahmadjan und der Wiedehopf“, also der Comic,
       dessen Cover es ziert, ist eine Koproduktion. Dass der kleine gelbe Vogel,
       der Wiedehopf, der Figur „Woodstock“ aus „The Peanuts“ ähnelt, habe sich
       unbewusst ergeben, sagt Maren Amini, die bekennender Charles M. Schulz-Fan
       ist.
       
       Tochter und Vater Amini sind beide Künstler. Lange schon wollten sie etwas
       zusammen machen über seine Erlebnisse: Ahmadjan Amini kam 1972 als sehr
       junger Mann erstmals nach Hamburg, in einer Zeit, in der Twens aus Europa
       über den sogenannten „Hippie-Trail“ nach Asien aufbrachen und oft genug in
       Kabul hängen blieben.
       
       Ahmadjan Amini wanderte dagegen jahrzehntelang zwischen den sich politisch
       wandelnden Welten. Seit 1980 [2][lebt er in Hamburg.] Auslöser des
       Gemeinschaftsprojekts war die erneute Machtübernahme der Taliban im August
       2021. „Wir wollten nicht schweigend hinnehmen, wie die Taliban erneut die
       Kultur vernichten“, sagt Maren Amini.
       
       ## Das gute Afghanistan
       
       Dass es ein Comic-Buch oder eine Graphic Novel werden würde, war nicht von
       Anfang an klar. Die Idee [3][des Vaters], Fotos der schrecklichen Taten per
       Beamer auf einem Autodach in die Welt zu werfen, lehnte die Tochter ab: Zu
       negativ. Der Comic bedeutete mehr Spielraum für positive Aspekte: „Es wird
       wenig dafür getan, an das gute Afghanistan zu erinnern“, sagt Maren Amini.
       
       Die Illustratorin hatte sich seit einiger Zeit näher mit ihren afghanischen
       Wurzeln befasst, ihr Vater seine aktuelle Arbeit als Maler einbringen
       wollte: Er hatte 1.000 Bilder von Vögeln angefertigt, passend zum
       mystischen Epos „Die Konferenz der Vögel“ des Dichters Fariduddin Attar aus
       dem 12. Jahrhundert.
       
       In dem machen sich die Vögel der Welt auf den Weg, den obersten der Vögel,
       den Simurgh, zu treffen. Ihr Weg führt sie durch sieben Täler voller
       Gefahren. Genauso wandert auch Ahmadjan in der Graphic Novel durch die
       Erlebnisse, jeweils von einem anderen Vogel durch die Lebensphase geleitet.
       Der erste von ihnen ist der Wiedehopf, der ihn zum Aufbruch aus Heimat,
       Einsamkeit und Armut ermuntert.
       
       [4][Fariduddin Attars Dichtung] ist im Anhang auf Deutsch wiedergegeben.
       Das macht diese zweite Ebene der Erzählung leichter zugänglich und erlaubt
       Maren Amini, mehr auf pointierte Bilder, als auf Text zu setzen. Ihre
       schwungvollen, reduzierten Zeichnungen stehen oft frei auf weißem Grund.
       Ihr Charme macht auch eigentlich Bitteres verständlich und erträglich: Das
       ist eine große Stärke.
       
       Die Figuren sind mit wenigen Strichen und viel Humor gezeichnet. Den
       Protagonisten erkennen wir an seinem Wuschelschopf: Ahmadjans Geschichte
       beginnt mit einer von Entbehrungen bestimmten Kindheit. Weil er früh seine
       Mutter verliert, wächst er bei Verwandten auf, von denen er sich nie
       richtig angenommen fühlt. „Sein Magen knurrte sehr… und sein Herz auch,“
       heißt es dort. Später im Buch wird der Schmerz dieser Zurückweisung durch
       eine winzige Sequenz wieder aufgegriffen, die klar macht, wie prägend er
       gewesen sein muss.
       
       Farbe spielt eine große Rolle, sie wird symbolhaft, akzentuierend oder
       flächig eingesetzt. Maren Amini setzt auf „Farbbomben“ und die
       „Überraschung beim Umblättern“. Harte Bildränder gibt es nur auf den
       Seiten, auf denen sie einen neuen Vogel-Charakter einführt. Diese
       ganzseitigen Bilder sind mit Verzierungen im persischen Stil umgeben. Auf
       Abbildungs-Realismus verzichtet sie meist.
       
       Bei einigen Orten und Ereignissen ist ihr dagegen die Wiedererkennbarkeit
       wichtig. Dazu zählen in Hamburg die markante Fassade des Musikclubs
       „Grünspan“, der RAF-Anschlag 1972 auf die Axel Springer-Zentrale oder die
       Besetzung der Häuser in der Ekhofstraße, wo Ahmadjan in einer WG wohnte.
       
       In Afghanistan sehen wir – kommentarlos – die riesigen Buddha-Statuen von
       Bamiyan, deren Gesichter die Taliban abgeschlagen haben, und begegnen mit
       Ahmadjan Personen der Zeitgeschichte wie Ahmad Shah Massoud: Der Anführer
       des Widerstands gegen die sowjetische Besatzung wurde kurz vor dem 11.
       September 2001 ermordet.
       
       Er hatte vor dem islamistischen Extremismus gewarnt. Das alles bleibt ohne
       große Vorkenntnisse lesbar, im Zweifel hilft ein Glossar: „Ahmadjan und der
       Wiedehopf“ funktioniert auch wie ein Geschichtsbuch, nur halt viel schöner.
       
       1 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ueber-die-Illustrierung-eines-Lebens/!5954760
 (DIR) [2] https://www.buecherhallen.de/zentralbibliothek-termin/ahmadjan-und-der-wiedehopf-ausstellungseroeffnung.html?day=20241108%C3%97=1731078000%2C1731085200
 (DIR) [3] https://www.ahmadjanamini.com/
 (DIR) [4] https://www.metmuseum.org/art/collection/search/451725
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Imke Staats
       
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