# taz.de -- Kommunalwahlen in Brasilien: Populistischer als Bolsonaro
       
       > Bei den Kommunalwahlen in Brasilien setzen sich vor allem konservative
       > Kandidat*innen durch. In São Paulo kommt es zu einer spannenden
       > Stichwahl.
       
 (IMG) Bild: Pablo Marcal, aufstrebender Rechtspopulist aus São Paulo, schneidet gut ab
       
       Berlin taz | Haarscharf war es: Drei Kandidaten kämpften in der
       Megametropole São Paulo bis zum Ende der Auszählung um das Amt des
       Bürgermeisters. Schließlich landete der amtierende Bürgermeister Ricardo
       Nunes mit 29,49 Prozent auf dem ersten Platz, der linke Kandidat Guilherme
       Boulos mit 29,07 Prozent auf dem zweiten Platz und der rechte Shooting-Star
       Pablo Marçal mit 28,14 Prozent auf dem dritten Platz. Nunes und Boulos
       werden am 27. Oktober in einer Stichwahl gegeneinander antreten.
       
       In Brasilien waren am Sonntag rund 155 Millionen Bürger*innen
       aufgerufen, Bürgermeister*innen und Stadtparlamentarier*innen
       in 5.570 Munizipien zu wählen. Die Wahlen gelten als Stimmungstest für die
       politische Entwicklung des Landes, auch auf Bundesebene. Besonders viel
       Aufmerksamkeit galt dem Rennen in São Paulo, der bevölkerungsreichsten
       Stadt Lateinamerikas.
       
       Das hängt auch mit prominenter Unterstützung zusammen: Der amtierende
       Bürgermeister Nunes erhielt Rückendeckung des ultrarechten Ex-Präsidenten
       [1][Jair Bolsonaro], während Boulos, Mitglied der linken Partei für
       Sozialismus und Freiheit (PSOL) und Aktivist der Wohnungslosenbewegung
       MTST, von Präsident Luiz Inácio „Lula“ da Silva unterstützt wurde.
       
       Mit Pablo Marçal trat ein weiterer rechter Kandidat ins Rennen. Der
       37-jährige Millionär, Life-Coach, Influencer und Autor von
       Selbsthilfebüchern machte vor allem durch seine provokante Inszenierung auf
       sich aufmerksam. Er setzte stark auf soziale Medien, wo er sich als
       Anti-Establishment-Kandidat präsentierte – oft mit Provokationen unter der
       Gürtellinie.
       
       ## Bolsonaro unterstützt gemäßigte Rechte
       
       Einen Tag vor der Wahl veröffentlichte Marcal ein angebliches ärztliches
       Attest, das Boulos einen Krankenhausaufenthalt wegen Drogenproblemen
       nachweisen sollte – das Dokument stellte sich jedoch als Fälschung heraus.
       Zudem wurden Marçals Konten gesperrt, weil er eine höhere Reichweite in den
       sozialen Medien erkauft haben soll. Während einer TV-Debatte geriet Marçal
       in einen hitzigen Schlagabtausch mit einem bekannten Fernsehjournalisten,
       der ihn schließlich mit einem Stuhl attackierte.
       
       Trotz oder gerade wegen seiner kontroversen Art schaffte es Marçal, viele
       rechte Wähler*innen auf seine Seite zu ziehen, darunter auch zahlreiche
       Anhänger*innen Bolsonaros, die Nunes als zu liberal empfanden und die
       Wahlempfehlung ihres Idols ignorierten.
       
       Bolsonaros Entscheidung, sich taktisch der gemäßigten Rechten anzunähern,
       könnte langfristig zu einem Problem werden. Es besteht die Gefahr, dass er
       als Teil des politischen Establishments wahrgenommen wird und damit seinen
       Status als Anti-System-Politiker an Figuren wie Marçal verliert.
       
       Bolsonaro selbst ist bis 2030 von allen Wahlen ausgeschlossen, was
       bedeutet, dass er Konkurrenz auf der rechten politischen Bühne bekommen
       könnte. Marçal erklärte noch am Sonntagabend, bei den Wahlen 2026 auf
       Landes- oder Bundesebene kandidieren zu wollen.
       
       ## Der linke Boulos will sich für die Präsidentschaft empfehlen
       
       Für den linken Boulos ist es der zweite Versuch, das Amt des Bürgermeisters
       zu erringen. Vor vier Jahren zog er überraschend in die Stichwahl ein,
       getragen von einer breiten linken Kampagne, [2][unterlag dort jedoch
       deutlich]. Auch dieses Mal dürfte die Stichwahl eine Herausforderung
       werden. Es wird erwartet, dass der drittplatzierte Marçal eine
       Wahlempfehlung für Nunes ausspricht. Zudem gelang es Boulos am Sonntag
       nicht, die arme Südzone für sich zu gewinnen – obwohl er selbst dort lebt
       und vor allem Politik für die Peripherien machen will.
       
       Sollte Boulos dennoch die Wahl gewinnen, könnte er als
       Präsidentschaftskandidat in Betracht gezogen werden. Viele
       Politiker*innen nutzen das Bürgermeisteramt als Sprungbrett für die
       Bundespolitik.
       
       In Rio de Janeiro wurde der amtierende Bürgermeister, der zentristische
       Politiker Eduardo Paes, bereits in der ersten Runde wiedergewählt. In
       vielen, gerade kleineren Städten setzen sich Vertreter*innen des
       ideologisch nur schwer einzuordnenden Machtblocks centrão durch. Insgesamt
       konnte Bolsonaros Partei mehr Bürgermeisterposten gewinnen als Lulas
       Arbeiterpartei, die aber traditionell bei den Kommunalwahlen schwächer
       abschneidet.
       
       Neben São Paulo stehen sich in einigen weiteren Landeshauptstädten von Lula
       und Bolsonaro unterstützte Kandidat*innen in der Stichwahl direkt
       gegenüber. Nach brasilianischem Wahlrecht findet in Kommunen, in denen kein
       Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, drei Wochen später eine
       zweite Runde statt.
       
       7 Oct 2024
       
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 (DIR) Niklas Franzen
       
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