# taz.de -- AfD-Meldeportale an Schulen: Denunziation im Klassenzimmer
       
       > Die rechtsextreme AfD stiftet Schüler*innen an, kritische Lehrkräfte
       > zu denunzieren. Die Regierung unterschätze die Lage, kritisiert die
       > Linke.
       
 (IMG) Bild: Extrem rechte Botschaften für Minderjährige: Die AfD dringt unter anderem mit Tiktok bis in die Jugend- und Kinderzimmer durch
       
       Berlin taz | Unliebsame Pädagog*innen denunzieren – das ist das Ziel der
       Meldeportale, die die AfD in mehreren Bundesländern betreibt. In
       Mecklenburg-Vorpommern hat das Schweriner Verwaltungsgericht der
       autoritär-nationalradikalen Partei zwar [1][schon 2019 verboten],
       personenbezogene Daten im Zusammenhang mit politischen Meinungen zu
       sammeln. Die AfD hat diverse Meldeportale dennoch nicht abgeschaltet. In
       Mecklenburg-Vorpommern etwa entfernte sie zwar ein Kontaktformular auf der
       Website, betreibt aber dennoch weiter ein „Informationsportal ‚Neutrale
       Schule‘“. Dieses fordert zumindest indirekt dazu auf, Lehrer*innen über
       eine Mailadresse zu denunzieren.
       
       In [2][Niedersachsen], [3][Berlin] und [4][Hamburg] sieht es ähnlich aus.
       Auch dort hat die Partei noch immer oder erneut Meldeportale geschaltet,
       bei denen Schüler*innen ihre vermeintlich „links-grün-versifften“ Lehrer
       denunzieren können, wenn sie etwas gegen die AfD sagen. Und die besonders
       radikale AfD Bayern hat vor einigen Wochen gleich ein parteiinternes
       Meldeportal [5][gegen politischer Gegner jeglicher Couleur] gestartet, auf
       dem von Mitgliedern zusammengetragene „Belege“ über politische
       Gegner*innen gesammelt und parteiintern veröffentlicht werden sollen.
       
       Die extrem rechte Partei will damit unter dem Vorwand eines
       überinterpretierten Neutralitätsgebots nicht-linientreue Pädagogen mit
       Dienstaufsichtsbeschwerden überziehen und letztlich einschüchtern. Geht es
       nach der AfD, sollen sich immer weniger Lehrkräfte trauen, sich gegen die
       antidemokratische Agenda der Partei starkzumachen. Seit Jahren versucht die
       AfD, politische Bildung an Schulen und Aufklärung über Rechtsextremismus zu
       diskreditieren und zurückzudrängen.
       
       Die Meldeportale treffen auf eine Schülerschaft, die rechtsextremen
       Positionen immer offener gegenübersteht. In den neuen Bundesländern ist die
       AfD mit Werten um die 30 Prozent die erfolgreichste Partei bei
       Wähler*innen zwischen 16 und 24 Jahren. In Brandenburg verzeichnete sie
       in dieser Wählergruppe mit 13 Prozentpunkte den größten Zugewinn aller
       Parteien bei den Landtagswahlen. Doch das [6][Phänomen ist ein
       gesamtdeutsches]: Schon bei den Landtagswahlen in Bayern wählten mit 18
       Prozent der unter 30-Jährigen überdurchschnittlich viele AfD, in Hessen sah
       es mit 17 Prozent ähnlich aus.
       
       ## Welle extrem rechter Gewalt
       
       Vor allem bei jungen Männern dringt die AfD in den sozialen Medien mit
       ihrer Erzählung durch. Sie bietet ein einfaches Weltbild und kann an reale
       Ängste und Probleme der [7][besonders hart von Corona-Einschränkungen
       betroffenen Jugendlichen] anknüpfen. Die Fridays-for-Future-Generation ist
       abgemeldet, junge Rechte rebellieren, indem sie „Deutschland den Deutschen“
       und „Ausländer raus“ als [8][Feelgood-Rechtsextremismus über
       Gigi-D’Agostino-Beats] summen oder ihn gleich auf dem [9][brandenburgischen
       Dorffest] oder dem [10][schleswig-holsteinischen Elite-Internat grölen].
       
       Die jungen Rechten sind keine Mehrheit unter jungen Erwachsenen, doch
       vielfach erschüttert ihre Brutalität: Auffällig hoch ist die Zahl sehr
       junger Täter, die Anteil an der derzeitigen [11][Welle von rechter Gewalt
       haben], etwa den Angriffen auf Wahlkämpfer*innen der etablierten
       Parteien im Landtagswahlkampf sowie rassistischen Übergriffen. Auch
       abgesehen von den Meldeportalen treten extrem rechte Bedrohungen und
       Ausfälle in Bildungseinrichtungen vermehrt auf. Menschenverachtende Witze
       gehören teils zum Schulalltag, wie Lehrer*innen in Thüringen berichten.
       Laut einer Umfrage des Thüringer Lehrerverbands gaben 40 Prozent von 200
       teilnehmenden Lehrkräften an, [12][extrem rechte Gewalt gegenüber
       Schüler*innen oder Kolleg*innen mitbekommen zu haben]. Die Schulämter
       in Brandenburg meldeten allein im ersten Schulhalbjahr 2023/24 mehr als
       [13][200 rechtsextreme Vorfälle an Schulen].
       
       Die Bundesregierung verweist im Zusammenhang auf Präventionsprogramme zu
       Rechtsextremismus und Rassismus. Nicht zuletzt extrem rechte Vorfälle, aber
       auch der hohe Zuspruch zur AfD machen erhöhten Handlungsbedarf deutlich.
       
       Das gilt auch für die Meldeportale: Angesichts des vermehrten Zuspruchs zu
       Rechtsextremen an Schulen wollte die Linke im Bundestag von der
       Bundesregierung wissen, ob und inwiefern die Bundesregierung etwas über die
       Meldeportale weiß und wie sie sich zu ihnen verhalten will. Die Antwort ist
       angesichts der derzeitig Lage erschreckend: Die Bundesregierung hat keine
       Ahnung, einen übergeordneten Plan gibt es nicht.
       
       Mehrfach hatte die Linken-Abgeordnete Nicole Gohlke, Sprecherin für Bildung
       und Wissenschaft, nachgefragt, ob das Bildungsministerium mögliche
       Gegenstrategien habe und die Gefahr der unrechtmäßigen Denunziation
       anerkenne. Das Ministerium unter FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger
       antwortete knapp: Die Länder seien zuständig und hätten die Fürsorgepflicht
       für die Lehrkräfte. „Gremien des Bundesministeriums für Bildung und
       Forschung haben sich demzufolge nicht mit dem Meldeportal ‚Neutrale Schule‘
       der AfD hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die von dort verfassten
       Meldungen betroffenen Lehrkräfte befasst“, so die Bundesregierung auf Frage
       der Linken.
       
       Gohlke hält das mindestens für blauäugig. „Obwohl es solche Portale in
       Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hamburg,
       Berlin, Bremen und Baden-Württemberg gab oder gibt, werden meine Fragen
       ausweichend oder gar nicht beantwortet“, sagt Gohlke. Angesichts der
       jüngsten Wahlergebnisse der AfD und ihrer Erfolge bei jungen Wählern solle
       das Bildungsministerium im Blick haben, was an den Schulen geschieht,
       kritisiert sie – „sich an dieser Stelle so viel Ignoranz zu leisten, ist
       mindestens fahrlässig“.
       
       Die Bundesregierung nehme die Gefahr durch rechtsextreme Aktivitäten nicht
       ernst, so Gohlke. Wie im letzten Jahr hatte die Bundesregierung gegenüber
       der Parlamentarierin erklärt, kein detailliertes Lagebild zu rechtsextremen
       Vorfällen an Schulen zu haben. Laut Gohlke reichen die existierenden
       Unterstützungs- und Präventionsprogramme nicht aus. Betroffene,
       insbesondere Kinder und Jugendliche, würden allein gelassen. „Wir brauchen
       hier endlich ein detailliertes Bild der Lage und ein Konzept, um Kinder und
       Jugendliche sowie Lehrkräfte wirksam zu schützen“, fordert Gohlke. „Was
       muss eigentlich noch alles passieren, damit die Dringlichkeit dieses Themas
       erkannt wird?“
       
       ## Mut zur Demokratie
       
       Immerhin die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) versucht,
       Lehrer*innen zu unterstützen. In Berlin, wo die AfD eines ihrer Portale
       betreibt, hat sie eine [14][Handreichung zum Thema für Lehrkräfte
       erarbeitet]. Die Gewerkschaft ermutigt Lehrkräfte zu Demokratieförderung
       und der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Positionen:
       AfD-Anhänger*innen verkennen, „dass Neutralität nicht heißt,
       demokratiefeindliche Positionen zuzulassen“, heißt es darin.
       
       Das Berliner Schulgesetz enthalte einen klaren Bildungsauftrag und beziehe
       sich auf die Grundsätze des Grundgesetzes. Weil die AfD politische Ziele
       verfolge, die sowohl Grundgesetz als auch Menschenrechten widersprechen,
       sei es Aufgabe der Lehrkräfte, „den kritischen Umgang mit den Positionen
       der AfD zu fördern und die Positionen der AfD als diskriminierend
       darzustellen“, schreiben die Autor*innen der Handreichung.
       
       Klar ist auch: AfD-Meldeportale sind nur ein Aspekt des Problems, dass
       extrem rechte Einstellungen bei jungen Menschen zunehmen. Zusätzlich zu
       bereits laufenden Präventions- und Bildungskampagnen fordern eine Vielzahl
       von Institutionen und Organisationen angesichts der vielen jungen
       AfD-Wähler*innen [15][weitere Maßnahmen].
       
       Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung etwa will einen
       nachhaltigen Fokus auf die Interessen der jungen Generation und [16][mahnte
       nach der Brandenburgwahl] eine offensive Jugend- und Bildungspolitik an. Es
       gebe viel Verunsicherung im Zuge von Krisen, aktivierende Angebote müssten
       das [17][Gefühl der Selbstwirksamkeit bei Jugendlichen] und Vertrauen in
       die Strukturen der Demokratie wieder stärken. Lehrerverbände sprachen sich
       für eine bessere Medienbildung aus, weil soziale Medien wie ein Katalysator
       für Radikalisierung wirken könnten. Und der Philologenverband forderte
       zusätzliche Schulungen für Lehrer*innen.
       
       2 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-schwerin-1b156819sn-afd-portal-neutrale-schule-datenschutz-verbot
 (DIR) [2] https://www.news4teachers.de/2024/05/neuer-anlauf-afd-startet-wieder-ein-infoportal-um-damit-parteikritische-lehrkraefte-unter-druck-zu-setzen/
 (DIR) [3] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/07/berlin-brandenburg-rechtsextremismus-antidemokratisch-schule-lehrkraefte.html
 (DIR) [4] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article200582090/AfD-Petzportal-Das-AfD-Meldeportal-hat-die-Lehrer-gestaerkt.html
 (DIR) [5] https://www.br.de/nachrichten/bayern/bayern-afd-startet-meldeportal-gegen-politische-gegner,UGuG5dk
 (DIR) [6] /AfD-Waehler-in-Bayern-und-Hessen/!5965710
 (DIR) [7] https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/corona-gesundheit-jugendliche-kinder-schulschliessungen-pandemie-auswirkungen-100.html
 (DIR) [8] /AfD-Wahlkampf-im-Osten/!6027284
 (DIR) [9] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/09/potsdam-golm-rechter-vorfall-dorffest-feuerwehr-polizei-mann-verletzt.html
 (DIR) [10] https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Internat-Louisenlund-in-Gueby-Nazi-Parolen-auf-Schuelerparty,louisenlund128.html
 (DIR) [11] /Nach-der-Landtagswahl-in-Brandenburg/!6035611
 (DIR) [12] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/rechtsextremismus-schule-lehrer-kinder-jugendliche-100.html
 (DIR) [13] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/07/rechte-vorfaelle-brandenburg-schulen-rassismus.html
 (DIR) [14] https://www.gew-berlin.de/fileadmin/media/publikationen/be/Schule/Aktiv-gegen-Rechts/20181017-Infoblatt-der-GEW-BERLIN-zu-AFD-Beschwerdeplattform.pdf
 (DIR) [15] https://www.rnd.de/politik/nach-afd-erfolg-bei-jungwaehlern-praesident-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung-fordert-LBYXCXB2TJE55CNWMJPGZNEHGU.html
 (DIR) [16] https://www.rnd.de/politik/nach-afd-erfolg-bei-jungwaehlern-praesident-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung-fordert-LBYXCXB2TJE55CNWMJPGZNEHGU.html
 (DIR) [17] /Politische-Teilhabe-von-Jugendlichen/!6033373
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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