# taz.de -- Rücktritt des SPD-Generalsekretärs: Die Schwierigkeit des Linksbleibens
       
       > Kevin Kühnert hat die Politik bereichert. Junge Linke werden mehr
       > zwischen eigenen Idealen und Regierungsrealität zerrieben als alte
       > Machtmenschen.
       
 (IMG) Bild: Kevin Kühnert, aufgenommen im August 2024 in Berlin
       
       Der [1][überraschende Rückzug von Kevin Kühnert] aus der Politik ist in
       vieler Hinsicht tragisch. Natürlich vor allem für den Menschen selbst, der
       schon mit 35 Jahren aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf vorläufig
       aufgibt, der für ihn eindeutig auch Berufung ist. Für die SPD ist sein
       Ausscheiden ein schwerer Verlust, weil weit und breit keine anderen jungen
       SozialdemokratInnen seines politischen Formats und rhetorischen Talents in
       Sicht sind. Gerade im anstehenden Bundestagswahlkampf bräuchte die SPD
       diese Fähigkeiten dringend. Ja, auch in Talkshows und bei Tiktok.
       
       Kühnerts [2][Nachfolger als Generalsekretär, Matthias Miersch], ist 55; er
       mag klug und in der Partei anerkannt sein, aber in der Außenwelt kennt ihn
       kein Mensch. Dass er noch zu einem politischen Popstar wie der frühere
       Juso-Chef wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber nicht nur die SPD wird
       Kühnert vermissen.
       
       Mit seinem Auftreten hat er die politische Kultur im Land bereichert, weil
       er in der Sache klar und deutlich, aber fast immer auch mit Achtung und
       Interesse für andere Meinungen argumentierte. Das gelingt im zunehmend
       polarisierten Zack-zack-Betrieb in Politik und (sozialen) Medien leider nur
       noch wenigen.
       
       Wenn es etwas Gutes an Kühnerts Rücktritt gibt, dann das kurze Innehalten,
       das nach der Eilmeldung auch bei politischen KontrahentInnen zu spüren war,
       die ihm über die üblichen Floskeln hinaus Respekt und Empathie zukommen
       ließen. Wahrscheinlich auch, weil sich der früher radikale No-GroKo-Kämpfer
       zum geschmeidigen Regierungsverteidiger gewandelt hatte. Dass er sich beim
       Scholz-Erklären oft bis zur Schmerzgrenze verbiegen musste, war ihm
       anzumerken, tat beim Zusehen weh und führte zu einem persönlichen
       Profilverlust des einstigen Vorzeigelinken.
       
       ## Quadratur des Kreises beim Job
       
       Das lag an seiner schwierigen Jobbeschreibung. An der Aufgabe, einerseits
       die eigenen Leute zu begeistern und andererseits loyal die Kompromisse und
       das Gemurkse in der Ampel mitzutragen, ist letztlich auch die 30-jährige
       Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang gescheitert. Auch sie sollte den linken
       Flügel ihrer Partei repräsentieren, auch sie musste sich aber dem
       zunehmenden Rechtsruck in Migrations- und Wirtschaftsfragen beugen, um
       nicht noch mehr Ampelstreit auszulösen.
       
       Das Verbiegen ohne persönliche Konsequenzen scheint alten Machtmenschen und
       FDP-PolitikerInnen jeden Alters leichter zu fallen als jungen Linken wie
       Lang und Kühnert. Das ist bedauerlich, denn künftige Koalitionen dürften
       kaum leichter werden. Da werden dringend begabte Linke gebraucht, die das
       Wunderwerk können: Kompromisse schließen und trotzdem glaubwürdig als
       eigenständige Kraft erkennbar bleiben.
       
       8 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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