# taz.de -- Behinderung von Betriebsratsgründungen: Umkämpfte Mitbestimmung
       
       > Betriebsratswahlen werden häufig von der Arbeitgeberseite be- oder
       > verhindert. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des
       > gewerkschaftsnahen WSI.
       
 (IMG) Bild: Umkämpfte Mitbestimmung: Kundgebung des Begtriebsrat und der IG Metall der Meyer Werft in Papenburg im Juni 2024
       
       Berlin taz | Eigentlich ist die Festlegung im Betriebsverfassungsgesetz
       eindeutig: „In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen
       wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden
       Betriebsräte gewählt“, heißt es dort direkt im ersten Paragrafen.
       
       Doch die Realität sieht anders aus. Tatsächlich sind Betriebsräte nur eine
       Ausnahme in der Privatwirtschaft. Dass dies nicht unbedingt dem
       Desinteresse der Beschäftigten geschuldet ist, darauf verweist eine neue
       Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der
       Hans-Böckler-Stiftung. Danach wird mehr als jede fünfte
       Betriebsratsneugründung von der Arbeitgeberseite behindert – obwohl das ein
       Straftatbestand ist.
       
       Im Auftrag des WSI haben die Wissenschaftler Martin Behrens und Heiner
       Dribbusch im vergangenen Jahr Gewerkschaftssekretär:innen der IG
       Metall, der IG BCE und der NGG aus 131 regionalen Untergliederungen zu
       ihren Erfahrungen mit der Durchführung von Betriebsratswahlen befragt.
       
       Das Ergebnis: Für den abgefragten Zeitraum zwischen 2020 und 2022 gab knapp
       die Hälfte (47 Prozent) an, dass ihnen aus ihrem Zuständigkeitsbereich
       Versuche der Be- oder Verhinderung einer Betriebsratswahl durch die
       jeweilige Unternehmensführung bekannt sind. Davon betroffen seien 138
       Betriebe gewesen.
       
       ## Einschüchterung der Kandidaten
       
       Die Störmaßnahmen reichten von der Verhinderung der Bestellung eines
       Wahlvorstands bis zu einer Verlagerung oder sogar Schließung des
       betreffenden Betriebs. Beliebteste Methode war die Einschüchterung
       möglicher Kandidat:innen bis hin zu deren Kündigung. In 38 Prozent der
       Fälle sei die Wahl letztlich vereitelt worden, berichten Behrens und
       Dribbusch.
       
       Die Behinderungen ereigneten sich nach der WSI-Auswertung besonders häufig
       in Betrieben mit 51 bis 200 Beschäftigten. Überproportional betroffen waren
       inhabergeführte Unternehmen. „Offenkundig trifft die betriebliche
       Mitbestimmung gerade in jenen Bereichen auf verminderte Akzeptanz, wo
       Eigentümer:innen ihr Geschäft persönlich führen und nur eine geringe
       Bereitschaft zeigen, die Macht im Betrieb mit einer weiteren Instanz zu
       teilen“, schreiben Behrens und Dribbusch.
       
       Als Konsequenz ihrer Untersuchung fordern die Autoren einen erweiterten
       gesetzlichen Schutz, der beispielsweise Betriebsratskandidat:innen
       besser gegen Repressionen absichert. Zudem müssten [1][Verstöße wirksamer
       als bisher verfolgt] und sanktioniert werden. Das hatte die Ampel
       eigentlich auch in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. „Die Behinderung
       der demokratischen Mitbestimmung stufen wir künftig als Offizialdelikt
       ein“, verabredeten SPD, Grüne und FDP 2021. Doch umgesetzt haben sie ihre
       Vereinbarung bis heute nicht.
       
       ## Je kleiner der Betrieb, desto seltener die betriebliche Mitbestimmung
       
       Trotz gesetzlicher Verankerung sieht es [2][nicht gut für die betriebliche
       Mitbestimmung] aus: Insgesamt arbeiteten 2022 nur noch 46 Prozent der
       Beschäftigten in Westdeutschland und 44 Prozent der Beschäftigten in
       Ostdeutschland in einem Betrieb mit Betriebsrat. Wobei die Faustregel gilt:
       Je kleiner der Betrieb, desto seltener die betriebliche Mitbestimmung.
       
       So besaßen mehr als drei viertel der Betriebe mit über 500 Beschäftigten
       einen Betriebsrat, aber bloß ein knappes Drittel der Betriebe mit 51 bis
       100 Beschäftigten. Von den Kleinbetrieben mit 5 bis 50 Beschäftigten haben
       nur ganze 5 Prozent einen Betriebsrat.
       
       Bettina Kohlrausch, die wissenschaftliche Direktorin des WSI, hält das für
       eine gesellschaftlich und auch gesamtwirtschaftlich hoch riskante
       Entwicklung. „Gerade in Zeiten des Wandels sind Betriebsräte wichtig, damit
       die Arbeit der Zukunft gemeinsam mit den Beschäftigten gestaltet werden
       kann“, so Kohlrausch. Nur so könnten große gesellschaftliche Projekte wie
       zum Beispiel die sozial-ökologische Transformation gelingen.
       
       12 Sep 2024
       
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