# taz.de -- Zwischen Postkarten und Autoabgasen: Liebe Grüße aus der Fahrradstraße!
       
       > Nicht so schnell, dafür schön und sicher ans Ziel kommen – das
       > versprechen einige Navi-Apps für Radfahrende. Unsere Autorin bringt das
       > auf kreative Ideen.
       
 (IMG) Bild: „Fahrradstraßen: Die heißen nur so, die tun nichts!“
       
       Ein Hoch auf Navigations-Apps! Meinen Alltagsweg zur Arbeit habe ich mir
       mit so einem Kriterien-Verwerter zusammengestellt: Ampeln und Hauptstraßen
       vermeiden, möglichst viele Fahrradstraßen und grüne Wege einbauen. Die
       Strecke ist durch diese Eingaben zehn Prozent länger als auf den direkten
       Wegen und dreimal so schön. Theoretisch zumindest.
       
       Praktisch bin ich dafür, „Fahrradstraßen“ umzubenennen in „Autostraßen für
       Abkürzungnehmende, Nur- kurz-was-Besorgende und Parkplatzsuchende“.
       Zugegeben, der Name wäre etwas lang, würde aber die Realität besser
       wiedergeben: Auf allen Fahrradstraßen meiner Alltagswege nehmen allein die
       rechts und links parkenden Autos die Hälfte der vorhandenen Fläche ein. Auf
       dem Rest werden Autos herumgefahren und blockieren dabei den Radverkehr.
       Mal, weil zwei Pkws nicht aneinander vorbei passen und ins
       Rückwärtsrangieren kommen, mal weil aus- oder eingeparkt wird, mal weil auf
       der Fahrbahn stehend auf bessere Zeiten gewartet wird.
       
       Als ich kürzlich mit meinem Rad hinter so einer Autoblockade darauf
       wartete, meinen Weg fortsetzen zu können, stiegen mir Grußkarten-Ideen in
       den Kopf, genau wie die Pkw-Abgase. Ich stellte mir ein Auto mit fröhlichem
       Gesicht und Abgaswolken in der Form eines Glückskäfers vor, das dem
       Beschenkten von der Straße aus entgegenruft: „Zum Geburtstag: Hauptsache,
       Bequemlichkeit!“. Die Dinger würden eine Marktlücke schließen.
       
       Schließlich wissen wir dank Auto, dass Bequemlichkeit für manche viel
       wertvoller ist als Gesundheit für alle: Jedes Jahr werden rund
       Hunderttausend Fußgängerinnen und Radfahrer [1][durch Autofahrer verletzt
       oder getötet], 7.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen
       von Verkehrsemissionen, und Millionen Menschen leiden gesundheitlich unter
       der Auto-Lärmbelastung.
       
       ## Tempo 30 nicht in Sicht
       
       Dennoch hat (und das ist der Gruß für Postkarte 2) niemand die Absicht,
       innerorts [2][flächendeckend Tempo 30] einzuführen. Das würde zwar
       Unfallgefahr, Unfallschwere, Lärm und Schadstoffausstoß senken, aber hey,
       es ginge zulasten der Bequemlichkeit von Autofahrern. Gemein!
       
       Schließlich werden nicht ohne Grund seit Jahren technische Geräte wie
       Telefone und Computer immer handlicher, während [3][Autos auf
       Kleinpanzergröße] wachsen – so ein fahrender Hochsitz ist halt bequem! Als
       ich da weiter in der Wolke aus Stick- und Kohlenoxiden sowie Rußpartikeln
       stand, fiel mir Postkarte 3 ein: Das Bild eines unterm SUV eingeklemmten
       Kinderrades, darüber der Slogan: „Fahr Auto – damit dein Kind nicht das
       nächste ist!“ Endlich setzten sich die Abgaswolken wieder in Bewegung, da
       war ich gerade bei Postkarte 4: „Fahrradstraßen: Die heißen nur so, die
       tun nichts!“
       
       Für den Arbeitsrückweg ließ ich mir an dem Tag zur Erholung per App einen
       „Wanderweg“ zusammenstellen. Ich fuhr eine 50 Prozent längere Strecke, trug
       mein Rad über vier Treppen, sah Wasserbüffel und kam spät, aber
       tiefenentspannt zu Hause an. Jetzt braucht es nur noch eine Auto-Navi-App,
       die nie, wirklich niemals Fahrradstraßen oder andere grüne Wege vorschlägt.
       Sondern stattdessen innerstädtische Alternativen von Bus über Bikesharing
       bis E-Roller präsentiert. Postkarte: „Kein Stau, kein Parkplatzstress –
       einfach bequem ankommen.“
       
       16 Aug 2024
       
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 (DIR) Kerstin Finkelstein
       
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