# taz.de -- Proteste in Frankreich: Tod eines Radfahrers löst Verkehrsdebatte aus
       
       > Der Tod eines Fahrradfahrers in Paris zieht in Frankreich Proteste nach
       > sich. Ein SUV-Fahrer steht im Verdacht, ihn absichtlich überfahren zu
       > haben.
       
 (IMG) Bild: Sie trauern um den toten Radfahrer, sorgen sich aber auch um die eigene Sicherheit: Demonstrierende am 19. Oktober in Paris
       
       Paris taz | 233 Radfahrer*innen sind im vergangenen Jahr in Frankreich
       bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben gekommen, in den letzten zwölf
       Monaten waren es sogar 240. Als Reaktion auf einen besonders tragischen und
       schockierenden Vorfall in Paris, dem zahlreiche Protestkundgebungen von
       Vereinigungen des Zweiradverkehrs folgten, hat die französische Regierung
       nun am Montag eine „Mission“ mit dem präventiven Kampf gegen die „Gewalt im
       Straßenverkehr“ beauftragt. Denn das Nebeneinander der verschiedenen
       Verkehrsteilnehmer funktioniert nicht gut. Oft scheint noch das Recht des
       (PS-)Stärkeren zu gelten.
       
       Das aus dem Ausland oft als [1][Vorbild bewunderte angebliche Pariser
       „Radfahrerparadies“] ist (noch) längst nicht von dieser Welt. Dass zwischen
       den Radfahrer*innen und den Pkw-Lenker*innen im Gegenteil um Raum und
       Freiheit gekämpft wird, belegt ein dramatischer Vorfall mit Todesfolge am
       15. Oktober. Es war kurz vor 18 Uhr, auf dem Boulevard Malesherbes im 8.
       Stadtbezirk von Paris herrschte viel Verkehr, die Leute wollten nach der
       Arbeit heim. Ein [2][Pkw vom Typ Stadtgeländewagen] hatte es offenbar
       besonders eilig, denn sein Fahrer fuhr auf der für die Fahrräder
       reservierten Spur.
       
       Was dann geschah, kann aufgrund von Augenzeugen und laufenden Ermittlungen
       rekonstruiert werden. Paul Varry, ein für den Radverkehr engagierter
       27-jähriger Student, wollte sich diesen Übergriff aus der Welt der
       Motorfahrzeuge nicht gefallen lassen. Er protestierte lautstark und klopfte
       außerdem erbost mit der Hand auf die Motorhaube des SUV, was wiederum
       dessen 52-jährigen Lenker in Rage brachte. Dieser fühlte sich im Recht, und
       im Übrigen, so sagte er später aus, habe er seine jugendliche Tochter zum
       Augenarzt bringen wollen. Laut Behördenangaben war er der Polizei bereits
       als gewalttätig bekannt.
       
       Der Streit soll laut gewesen sein, als er zuerst den Rückwärtsgang
       eingeschaltet habe, während der junge Mann weiter vor seinem Pkw schimpfte.
       Dann aber fuhr der 52-Jährige plötzlich vorwärts los und überrollte diesen.
       Mit Absicht, aus Wut oder Versehen? Das muss die Justiz abklären, diese
       ermittelt wegen Tötung. Denn trotz sofortiger Wiederbelebungsversuche und
       der raschen Intervention der Rettungsmannschaften konnte Paul Varry nicht
       gerettet werden. Als wahres „Blutbad“ beschrieb ein Mitglied der Feuerwehr
       der Zeitung Le Parisien den Unfallort.
       
       ## Symbol für verhinderte Verkehrswende
       
       Der Hergang und die Umstände schockieren weit über die französische
       Hauptstadt hinaus Radfahrer*innen. Sein Schicksal wird als „Ein toter
       Radfahrer zu viel“ zu einem Symbol im Kampf gegen die Motorfahrzeuge und
       deren uneinsichtigen Verteidiger*innen. In mehr als 200 Städten wurde
       demonstriert, denn der Schutz der Radfahrer*innen ist nicht nur ein
       Problem von Paris.
       
       Der 27-jährige Paul Varry, dessen Bild auf unzähligen Kommentaren auf X
       (vormals Twitter) zirkuliert, war ein aktives Mitglied des Verein
       [3][„Paris en selle“] (Paris im Sattel). Marion Soulet, die Vizepräsidentin
       dieses Vereins, der sich für mehr Radwege einsetzt, zeigte sich entsetzt
       angesichts des Verhaltens des SUV-Fahrers: „Wir haben es da mit jemandem zu
       tun, der sein [4][Fahrzeug wie eine Waffe einsetzt], es ist nicht
       tolerierbar, dass so etwas geschieht.“
       
       ## Gebrochene Versprechen
       
       Als noch 2023 die damalige Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne
       einen ehrgeizig klingenden „Vélo-Plan“ ankündigte, schöpften die Fans der
       „Bicyclette“ und der Tour de France Hoffnung: Mit zwei Milliarden sollten
       in den kommenden vier Jahren die Kommunen finanziell unterstützt werden, um
       die Radfahrer im Verkehr auch außerhalb der Stadtzentren besser zu
       schützen. Noch haben diese einen schweren Stand: Weniger als 5 Prozent der
       Leute benutzen insgesamt ihr „Vélo“ für den täglichen Weg zur Arbeit, an
       die Uni oder Freizeitorte. Das Regierungsprogramm sollte ein
       umweltfreundlichere Trendwende bringen.
       
       Heute sind diese offiziellen Versprechen so gut wie vergessen. Sparpolitik
       ist angesagt und die Prioritäten der Regierung im derzeit [5][debattierten
       Staatshaushalt] liegen nicht beim Radverkehr. Stattdessen nun also die neue
       „Mission“, die so gut wie nichts kosten dürfte. Daraus kann eine Art
       Ombudsstelle werden, die Empfehlungen für die Befriedung von Konflikten
       abgeben soll.
       
       23 Oct 2024
       
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