# taz.de -- Bestände zu optimistisch eingeschätzt: Fisch ist nicht gesund
       
       > Die Fangmengen für Fisch werden meist höher angesetzt als von der
       > Wissenschaft empfohlen. Laut einer Studie waren selbst diese Empfehlungen
       > zu hoch.
       
 (IMG) Bild: Bedrohte Art: Fischkutter in der Elbmündung
       
       In die Verhandlungen für die Fischfangquoten für das kommende Jahr ist eine
       alarmierende Nachricht geplatzt: Eine Studie australischer
       Forschungsinstitute zeigt, dass auch die Fang-Empfehlungen der
       Wissenschaft, auf die sich die Politik stützt, bereits zu hoch lagen.
       
       Weitaus mehr Fischbestände als bisher angenommen seien als überfischt oder
       kollabiert einzustufen, schreiben Reiner Froese vom Helmholtz-Zentrum für
       Ozeanforschung Geomar in Kiel und Daniel Pauly von der Universität von
       British Columbia, die die Studie ausgewertet haben.
       
       Wie fatal auch für die Fischwirtschaft die Kombination aus Fehleinschätzung
       und nachgiebigen politischen Vorgaben ist, zeigen die Bestände von Dorsch
       und Hering in der Ostsee und besonders im westlichen Teil des Binnenmeeres,
       dort wo die deutschen Fischer auf Fang gehen. „Dorsch und Hering fehlen für
       die Berufsfischerei seit Jahren als wichtigste Zielarten“, sagte der
       Präsident des Deutschen Fischereiverbandes Gero Hocker beim Deutschen
       Fischereitag in Hamburg.
       
       Anlässlich der Verhandlungen über die Fangquoten äußerte sich auch
       EU-Fischereikommissar Maroš Šefčovič besorgt über die Bestände von Dorsch,
       Hering und weiteren Arten. Es werde von Jahr zu Jahr wichtiger, etwas gegen
       den „desolaten Zustand“ der für die Wirtschaft wichtigen Arten zu
       unternehmen.
       
       Die EU-Kommission schlug deshalb vor, am weitgehenden Fangverbot für Dorsch
       und Hering in der westlichen Ostsee festzuhalten. Zudem soll der erlaubte
       Beifang an Dorsch um 73 Prozent und an Hering um 50 Prozent gesenkt werden.
       Hingegen sollen die Fischer in der mittleren Ostsee mehr als doppelt soviel
       Hering fangen dürfen als bisher.
       
       Beifang sind Fische, die unerwünscht ins Netz gehen. Ist bei ihnen die
       Quote erreicht, darf auch nach der eigentlichen Zielart nicht weiter
       gefischt werden. Der Naturschutzbund Nabu hatte die [1][Beifang-Quoten in
       der Vergangenheit als zu hoch] kritisiert.
       
       Der australischen Studie zufolge ist in der Vergangenheit überschätzt
       worden, wie viele Fische einer Art es noch gibt und wie schnell sich
       Fischbestände erholen können. Das gelte besonders für überfischte Bestände,
       die häufig als erholt eingestuft wurden, obwohl sie weiter schrumpften.
       Fast ein Drittel der Bestände, die von der Welternährungsorganisation FAO
       als maximal nachhaltig befischt eingestuft wurden, waren bereits
       überfischt. Und unter den als überfischt geltenden Beständen liege die Zahl
       der kollabierten Bestände wahrscheinlich um 85 Prozent höher als bisher
       angenommen.
       
       ## Wissenschaftler empfehlen konservative Schätzungen
       
       Froese und Pauly plädieren dafür, einfachere Modelle anzuwenden und das
       Vorsorgeprinzip stärker anzuwenden, also konservative Schätzungen zu
       bevorzugen. Sie fordern mehr umweltschonende Fanggeräte und Schutzzonen.
       Nahrungsketten müssten erhalten werden, indem Futterfische wie Sardellen,
       Heringe oder auch Krill weniger gefangen werden. Die meisten dieser
       Prinzipien ließen sich auch „ohne Kenntnis der Bestandsgröße umsetzen“,
       schreibt Froese.
       
       Die Vorschläge kollidieren freilich mit den Interessen der Fischerei. „Das
       deckt sich nicht mit unseren Beobachtungen“, sagte Peter Breckling, der
       Generalsekretär des [2][Deutschen Fischereiverbandes] in Hamburg. Es gebe
       keine gezielte Fischerei mehr auf Dorsch und Hering, sagte Uwe Richter, der
       Vorsitzende des Deutschen Hochsee-Fischereiverbandes. „Das heißt, hier
       spielen andere Faktoren eine Rolle.“
       
       Die [3][Ostsee verändere sich] als Ökosystem, unter anderem werde sie
       wärmer, sagte Verbandspräsident Hocker. Das erschwert dem Hering die
       Fortpflanzung, der selbst wiederum dem Dorsch als Nahrung dient. Dazu
       komme, dass sich [4][Beutegreifer wie Kormorane oder Robben stark vermehrt]
       hätten und die Fische wegfräßen. Umweltschutzverbände wie der Nabu
       bezweifeln diese These allerdings.
       
       27 Aug 2024
       
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