# taz.de -- Handysucht gesetzlich regeln: Verbote gehören in den Verkehrsbereich
> Neuerdings halten alle ihr Handy auch beim Gehen in der Hand, um
> schneller draufschauen zu können. Eine Unfallgefahr, für die es Bußgeld
> geben sollte.
(IMG) Bild: Das Handy schon wieder in der Hand
Seit es das [1][Deutschlandticket] gibt, gehe ich mehr zu Fuß. Früher fuhr
ich Fahrrad, heute muss ich erst mal zu den Bahnhöfen laufen. Kürzlich
trotte ich hinter einer jungen Frau her, als mein Blick von ihrer rechten
Hand angezogen wird: Sie trägt ein Handy. Sie trägt es wirklich, also nicht
vor dem Gesicht, um darin zu lesen oder zu schreiben. Sie trägt es wie ein
Accessoire, wie eine Aktentasche, als wäre es das normalste von der Welt.
Schon sonderbar diese Zeiten, denke ich und merke plötzlich ein Gewicht in
meiner rechten Hand. Mein Handy. Shit, stimmt. Auch ich nehme mein Handy
mittlerweile an die Hand wie sonst nur Eltern ihre Kinder oder Verliebte
ihre Liebe. Meine vier Finger umarmen es von hinten, mein Daumen schmiegt
sich von der anderen Seite um die sanft abgerundete Kante. Eng
ineinandergeschlungen schlendern wir gemeinsam zur U-Bahn, ins Büro, in die
Bar, den Park.
Wir verstecken unsere Beziehung schon lange nicht mehr, zeigen uns als
unzertrennliches Paar in aller Öffentlichkeit. In der Anfangsphase hatten
wir uns bemüht, das Verlangen zu verstecken, uns heimlich aufs Klo
verzogen. Inzwischen sind wir zu einer symbiotischen Einheit verschmolzen.
Manchmal aber stecke ich das Handy mitten im Gehen in meine Tasche. Ein
erstes Anzeichen für [2][das unausweichliche Ende]?
Noch bevor ich mir die Frage ernsthaft stellen kann, hab ich das Handy
schon wieder in der Hand. Kribbeln im Bauch, Wiedersehensfreude, hach, es
ist doch schön mit dir. Sicher, diese [3][Beziehung ist toxisch], meine
emotionale Abhängigkeit längst plus 1000. Doch anstatt einen klaren
Trennungsstrich zu ziehen, suche ich nach Mitmenschen, denen es genauso
geht und werde natürlich fündig.
## Eine symbiotische Einheit
Ich rede mir ein, dass ich das Handy ständig in meiner Hand spüren müsse,
weil ich unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide: Ich bin
Mehrfachopfer von Handtaschen- und Handyräubern. Aber klar ist das Quatsch.
Ich will einfach nur ständig in dieses Ding starren.
Vor ein paar Tagen will ich mit dem umschlungenen Handy in die U-Bahn
steigen. Doch eine junge Frau vor mir bleibt an der Bahnsteigkante stehen,
um noch irgendwas in ihr Handy zu tippen, bevor sie den Waggon betritt.
Tssssss, denke ich, diese rücksichtslose junge Generation.
Am nächsten Tag laufe ich wieder zur U-Bahn und höre plötzlich laut: „Guten
Mooooooooorgen!“. Ich muss stehen bleiben, weil ein Mann in orangener Kluft
einen großen Mülleimer hinter sich herziehend mir den Weg abschneidet. Er
hatte Recht, mich freundlich zu ermahnen. Ich hatte ihn nicht gesehen, weil
ich im Laufen in mein …
## In schweren Fällen droht ein Handyverbot
Ich halte wenig bis nichts von Verboten im politischen Bereich, glaube mit
Ausnahmen nicht an ihre Effektivität. Verbote gehören in den
Verkehrsbereich. Da sind sie richtig aufgehoben, machen Sinn und verhindern
schmerzhafte bis tödliche Zusammenstöße. Sich an die Regel zu halten, dass
man bei Rot nicht über die Ampel geht, ist eine zivilisatorische
Errungenschaft. In den vergangenen Jahren verzeichnet die Unfallstatistik
einen eklatanten Anstieg an Verkehrsunfällen mit Fußgängerbeteiligung. Der
Grund: „Unaufmerksamkeit“.
Aufmerksamkeit lässt sich im intellektuellen Bereich schwer erzwingen, in
der Straßenverkehrsordnung aber locker: Analog zum „Rotlichverstoß“ könnte
folgender Paragraph eingeführt werden: Wer im Gehen auf öffentlichen Wegen
länger als 10 Sekunden auf sein Handy guckt, zahlt mindestens 90 Euro.
Statt eines Punktes in Flensburg, wird der [4][Fußabdruck in der
individuellen CO2-Bilanz] um eine Schuhgröße erhöht – in schweren Fällen
droht ein [5][Handyverbot].
Ich fänd’s super, allein um wenigstens mal eine Verbotsdebatte zu führen,
die nichts mit Meinungsfreiheit, essen oder rechts zu tun hat.
26 Aug 2024
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## AUTOREN
(DIR) Doris Akrap
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