# taz.de -- Böhse Onkelz in Bremen: Besorgtes Erinnern
       
       > Der schlechte Ruf der Böhsen Onkelz scheint ungebrochen. So beschäftigt
       > sich auch die Bremische Bürgerschaft zum Tourstart in Bremen mit der
       > Band.
       
 (IMG) Bild: Die Bühne hat fast so viel Strahlkraft wie der schlechte Ruf der Band: Onkelz-Konzert auf dem Hockenheimring
       
       Zur Idee der Resozialisierung bekennen wir Bürgerkinder uns immer ganz
       dolle. Jeder Mensch kann sich ja ändern. Nur in der Praxis, hier im Fall
       [1][der prolligen Band Böhse Onkelz], tendieren wir dann vorsichtshalber
       zur faschistischen Lehre von den Unverbesserlichen. Das lässt sich gerade
       in Bremen erleben. Dort startet die Band am 17. August ihre Open-Air-Tour.
       Die 13 Konzerte in Deutschland sind ausverkauft.
       
       In der Bremischen Bürgerschaft – so heißt hier das Parlament – hatte die
       SPD-Fraktion schon im Februar alarmiert nachgefragt: War da nicht mal
       etwas? Hatte die Band nicht in einer Zeit, als ihre heute über 50-jährigen
       Frontleute noch mehrheitlich unters Jugendstrafrecht gefallen wären,
       ausländerfeindliche Nazi-Punk-Songs gegrölt und Erfolge mit widerwärtigem
       Skinhead-Rechtsrock gefeiert? War damals nicht die Bundesprüfstelle für
       jugendgefährdende Dings eingeschritten?
       
       Oh ja! So war’s! Groß-Onkel Stephan Weidner hatte das auch zugegeben und
       als „Scheiße“ bezeichnet im deutschen TV, als das noch aus drei Programmen
       bestand, stellt euch das mal vor, Kinder!
       
       Damals hatten er und seine Kollegen versucht, etwas dagegen zu unternehmen,
       dass sie sich den Status als – aktuelle Eigendarstellung – „Kultobjekt
       aller europäischen Glatzen“ erarbeitet hatten. Es gab Beipackzettel für die
       Platten und die Band beschäftigte einen Ordnungsdienst, der Hitlergrüßer
       aus den Sälen zu schmeißen hatte. „Kaum eine bundesdeutsche Band hat in den
       letzten Jahren so häufig zum Thema Rassismus und Gewalt Stellung bezogen
       wie die Böhsen Onkelz“, resümierte schon 1994 Klaus Farin in der taz.
       Dennoch habe „ein Großteil der Öffentlichkeit dies überhaupt nicht
       registriert“.
       
       Das gilt noch immer. Wohl auch in Neu-Ulm, wo die Band am 2. September
       auftritt, obwohl [2][eine Petition das verhindern sollte]. Aber in Bremen
       ist es doch noch überraschender, wenn jetzt die Kulturstaatsrätin Carmen
       Emigholz (SPD) im Weser-Kurier die Forderung erhebt, die Band müsse ihre
       Haltung „zu dem Thema unmissverständlich“ klarstellen. Denn gerade hier, in
       Bremen, hatte sie für eine solche Klarstellung gesorgt: 1993 sind die
       Böhsen Onkelz auf Einladung des Senats als Headliner des Konzerts „Rock
       gegen rechts“ aufgetreten, 2001 gab es ein Benefiz-Konzert „Gegen den
       Hass“, unter Schirmherrschaft der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill. „Was
       helfen uns Konzerte gegen rechts“, hatte Lill seinerzeit gefragt, „wenn nur
       Linke da sind?“
       
       Das war ein Moment der maximalen Annäherung. Diese hat man nicht
       weiterverfolgt und auch die Band hat sie nach ihrer zwischenzeitlichen
       Auflösung und dem Comeback 2013 nicht erneut aufgegriffen.
       
       Dabei bleibt die Erzählung, die Band könne präventiv gegen
       Rechtsradikalismus wirksam sein, [3][sozialpädagogisch stimmig.] Das
       Angebot seitens der Band gab’s. Die Bereitschaft, darauf einzugehen, war
       weniger ausgeprägt: Wir aus der Oberstadt mögen die halt nicht. Ihre Musik
       weht uns den Geruch von Männerschweiß in die Nase, von Frittenfett, Bier
       und Pisse. Der Vordenker der Resozialisierung, Rechtsphilosoph und
       Justizminister Gustav Radbruch (SPD), hatte als deren Erfolgsbedingung
       gefordert, ehemalige Missetäter „so zu behandeln, als wären sie schon gut“.
       Wir bleiben dagegen misstrauisch. Dass sie scheitert, ist ein Scheitern der
       Gesellschaft.
       
       Was die rechte Szene freut. Denn ihr ermöglicht die fortgesetzte
       Ausgrenzung, die Band weiter zur Identitätsstiftung, ihre Auftritte als
       Treffpunkt zu nutzen: Besorgte Nachfragen und wiederholte Aufforderungen
       zur dann geflissentlich überhörten Distanzierung wirken so wie Aufrufe an
       die Faschos, doch bitteschön Präsenz zu zeigen. Weil es die liebgewonnenen
       eigenen Feindbilder bestätigt.
       
       16 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Comeback-der-Boehsen-Onkelz/!5039677
 (DIR) [2] https://www.openpetition.de/petition/online/onkelz-raus-aus-unserer-stadt
 (DIR) [3] https://ghj.social/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Stadtland
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Rechtsrock
 (DIR) Bremen
 (DIR) Tour
 (DIR) Rechtsextremismus
 (DIR) Rechtsrock
 (DIR) TV-Dokumentation
 (DIR) Comeback
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Prozess gegen Rechtsrock-Label: Böse Menschen, böse Lieder
       
       Landgericht Lüneburg verhandelt gegen fünf Männer, die Rechtsrock
       veröffentlicht haben. Kann ihre Firma als kriminelle Vereinigung eingestuft
       werden?
       
 (DIR) Buch über Rechtsrocklabel: Angenehme Unterhaltung mit Herbert
       
       Das Buch „Rock-O-Rama. Als die Deutschen kamen“ will das Rechtsrocklabel
       Rock-O-Rama näher beleuchten. Doch kritische Aufarbeitung sieht anders aus.
       
 (DIR) Doku über rechte Musik: Nazischlager schlägt Metalcore
       
       Linke definieren sich kaum noch über Musik, Neonazis umso stärker. Die Doku
       „Deutsche Pop-Zustände“ geht der Geschichte rechter Musik nach.
       
 (DIR) Comeback der Böhsen Onkelz: Antifa – ihr könnt mich mal!
       
       Die Böhsen Onkelz sind zurück und spielen zwei Konzerte. Beide waren sofort
       ausverkauft. Naziband oder nicht? Ein Besuch bei einem Fan.