# taz.de -- Bildungsvorhaben der AfD im Osten: Mehrere Rollen rückwärts
       
       > Was droht Schulen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im Falle eines
       > AfD-Wahlsieges? Weniger Inklusion, weniger politische Bildung, mehr
       > Verbote.
       
 (IMG) Bild: Für die AfD ein „Ideologieprojekt“: die Inklusion behinderter Schüler:innen wie in der Grundschule Bierstadt bei Wiesbaden
       
       Leipzig taz | Die AfD möchte die Schulen in Deutschland verändern. Ihr geht
       es darum, wer in den Klassen sitzt und was die Schüler:innen dort
       lernen: Mehr Heimatliebe, „traditionelle“ Familienrollen und
       autoritätsbewusste Lehrkräfte, das fordert die Partei beispielsweise in
       ihren Landtagswahlprogrammen.
       
       Dafür solle es in den Klassen weniger Menschen mit Behinderungen,
       Migrant:innen und keinen Unterricht zu sexueller oder geschlechtlicher
       Vielfalt geben.
       
       Was die AfD verändern möchte, könnte in Sachsen, Thüringen und Brandenburg
       ab September, nach den Landtagswahlen dort, eine größere Rolle spielen.
       Denn um Bildungspolitik umzusetzen, braucht die AfD keine Mehrheit im
       Bundestag. Bildung gehört zu den Kernkompetenzen der Bundesländer, die
       können weitreichend entscheiden, was in den Schulen passiert.
       
       Zwar ist es unwahrscheinlich, dass die AfD nach den Wahlen in einem der
       drei Länder regiert – obwohl sie dort aktuell Umfragewerte bis zu 30
       Prozent hat. Und so, wie die Umfragen aktuell stehen, kann die AfD in allen
       drei Ländern ein paar Prozentpunkte gewinnen. Obwohl ihre Werte zuletzt
       sanken, läge sie aktuell in Sachsen und Thüringen bei um die 30 Prozent und
       in Brandenburg bei etwa 24 Prozent.
       
       ## Einfluss auch in der Opposition
       
       [1][Alle anderen Parteien] sagen, sie arbeiten nicht mit ihr zusammen, weil
       sie völkisch ist oder Minderheiten gegeneinander ausspielt. Trotzdem ist
       wichtig zu wissen, welche Pläne die AfD im Bildungsbereich verfolgt. Und
       welche Folgen es für Schüler:innen und Lehrer:innen hätte, würde
       umgesetzt, was die AfD in ihren Wahlprogrammen fordert. Denn selbst wenn
       sie nicht regiert, beeinflusst die rechtsextreme Partei schon heute den
       Schulalltag.
       
       Die [2][Online-Meldeportale der AfD] sind ein Beispiel dafür: Anonym können
       Schüler:innen ihre Lehrkräfte melden, wenn diese sich kritisch über die
       AfD äußern. Weil Lehrer:innen einer Neutralitätspflicht unterlägen,
       dürften sie das nicht. Erst im Mai dieses Jahres ging erneut ein solches
       „Infoportal“ von der AfD Niedersachsen online. Auch der Thüringer
       Landesverband vertritt diese Idee. In seinem Wahlprogramm heißt es:
       „Verstöße des Schulpersonals gegen das Neutralitätsgebot sind zu ahnden.“
       Dabei beruft sie sich auf den Beutelsbacher Konsens, nach dem Lehrkräfte
       kontroverse Themen im Unterricht auch kontrovers darstellen und ihre
       Schüler:innen nicht mit ihren eigenen Überzeugungen „überwältigen“
       sollen.
       
       Mit ihrem Vorstoß schüchtert die AfD schon heute Lehrkräfte ein, sagt
       Kathrin Vitzthum, die Thüringer Landesvorsitzende der Gewerkschaft
       Erziehung und Wissenschaft (GEW). Jüngere Kolleg:innen hätten ihr schon
       signalisiert, den Thüringer Schuldienst zu verlassen, sollte die AfD
       regieren. Dabei interpretiere die AfD das Neutralitätsgebot „bewusst“
       falsch, kritisiert Vitzthum. Lehrer:innen seien an die Werte des
       Grundgesetzes gebunden und müssten diese vermitteln. „Diese Werte sind an
       sich nicht neutral.“ Es ginge der AfD nur darum, Druck aufzubauen.
       
       Das sieht man auch bei der AfD-Position zur politischen Bildung. Der
       sächsische Landesvorsitzende Jörg Urban etwa bezeichnet das als
       „ideologische Umerziehung“, die ihn an die DDR erinnere.
       Demokratieprojekte, die an Schulen über Mitbestimmung, Grundwerte oder das
       Rechtsstaatsprinzip aufklären, könnten es unter einer Landesregierung mit
       AfD-Beteiligung schwerer haben, Workshops an Schulen zu geben oder
       Fördergelder zu bekommen.
       
       ## Keine Integration
       
       Die Augsburger Professorin für vergleichende Bildungsforschung, Rita
       Nikolai, untersucht seit April, welche bildungspolitischen Ziele die AfD
       verfolgt. Wenn man sie fragt, was die AfD hier von den anderen Parteien in
       den Parlamenten unterscheidet, verweist sie auf eine Theorie des
       Bildungsforschers Helmut Fend. Demnach habe Schule drei Funktionen:
       qualifizieren, selektieren und integrieren. „Wenn man sich Schulgeschichte
       anguckt, hat Schule diese Aufgaben“, erklärt Nikolai. Aber anders als die
       anderen Parteien, lege die AfD nur Wert auf Qualifikation und Selektion.
       Die Integration übergehe sie.
       
       Das zeige sich etwa im Vergleich mit der CDU: In schulstrukturellen Fragen
       sind CDU und AfD nicht weit voneinander entfernt. Bei der Trennung von
       Kindern ab der vierten Klasse zum Beispiel oder dem gegliederten
       Sekundarschulsystem. Aber es gibt einen Unterschied. Nikolai sagt: „Die AfD
       argumentiert immer, dass die Leistung von schlechten Schülern die der guten
       trübt. Sie thematisiert nie: Wie können Kinder so gefördert werden, dass
       jedes das Beste aus sich rausholen kann.“ Unter diesen Umständen hätten
       beispielsweise die Kinder schlechtere Chancen, [3][deren Eltern ein
       geringes Einkommen haben].
       
       Mit dem Leistungsargument begründet die AfD auch den Ausschluss anderer
       Gruppen, wie Schüler:innen mit Behinderung. Im vergangenen Jahr sagte
       der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke, Inklusion sei [4][ein
       „Ideologieprojekt“], das „unsere Kinder nicht leistungsfähiger“ mache. Das
       Bildungssystem müsse von ihm befreit werden.
       
       Damit liegt sie inhaltlich nahe bei der CDU. Beide Parteien fordern, die
       Förderschule fortzusetzen und auszubauen, anders als Grüne, SPD und Linke,
       die für eine Inklusion werben. Doch dafür seien die Ressourcen nicht
       vorhanden, erklärt Christian Tischner, bildungspolitischer Sprecher der
       CDU-Fraktion in Thüringen. Darum sehe seine Partei die Förderschule als
       Baustein, um Kinder mit „spezialisierter Förderung bestmöglich aufs Leben
       vorzubereiten“. Und worin unterscheidet sich das von den Forderungen der
       AfD? Dazu könne er „nur bedingt Auskunft geben“, antwortet Tischner und
       betont: Das CDU-Wahlprogramm wurde deutlich vor dem der AfD veröffentlicht.
       
       ## AfD gegen „Durchmischung“
       
       Eine weitere Gruppe im Visier der AfD sind „ausländische Kinder“ mit
       geringen Deutschkenntnissen. Laut dem Landtagswahlprogramm in Sachsen
       würden durch sie „einheimische Schüler in ihrem Lernfortschritt behindert“.
       Darum sollen sie in gesonderten Klassen Unterricht bekommen. Eine typische
       Forderung in den Wahlprogrammen. Trotzdem sagt Bildungsforscherin Rita
       Nikolai: „Aus dem Wahlprogramm lässt sich bei der Bildung nicht ablesen,
       dass die AfD völkisch argumentiert.“
       
       Die Linkspartei in Sachsen sieht das anders. Für deren Landtagsabgeordnete
       Luise Neuhaus-Wartenberg zeugen AfD-Aussagen vom „völkisch-rassistischen
       Menschenbild“ der Partei. Dessen bildungspolitischer Sprecher in Sachsen,
       Rolf Weigand, forderte beispielsweise, „die ausufernde Durchmischung der
       Schulklassen zu verhindern. Unbegleitete, minderjährige Migranten sollten
       gesondert in ihrer Heimatsprache unterrichtet werden.“
       
       Das sei „Stimmungsmache“, kritisiert Neuhaus-Wartenberg, und darüber hinaus
       nicht sinnvoll. Trotz aller Herausforderungen sei es wichtig, Kinder
       gemeinsam zu unterrichten. Multiprofessionelle Teams mit Schulassistenzen
       und Schulsozialarbeit könnten dabei den Druck von Lehrer:innen nehmen.
       
       In ihren Wahlprogrammen warnt die AfD außerdem vor einer
       „Frühsexualisierung unter dem Deckmantel der sexuellen Vielfalt“. Die
       Thüringer GEW-Vorsitzende Vitzthum erkennt darin einen „Kampfbegriff“. Er
       solle suggerieren, dass Kinder durch Sexualpädagogik zu früh zu sexuellen
       Wesen würden. „Dass dem nicht so ist, ist der AfD herzlich egal“, sagt
       Vitzthum. Sexuelle Aufklärung sei kein Unterricht über Sex im allgemeinen,
       „sondern wird als Teil der Gesundheitsbildung verstanden, sich und seinen
       Körper kennen und verstehen, Grenzen ziehen zu können“.
       
       ## Dauerthema Gendern
       
       Ähnlich schätzt das auch die bildungspolitische Sprecherin der Grünen in
       Sachsen, Christin Melcher, ein. „Die Opfer dieser Politik sind wie so oft
       genau jene Menschen, die so lange schon für Akzeptanz und Toleranz kämpfen
       müssen“, sagt sie.
       
       Zudem kämpft die AfD [5][weiterhin gegen das Gendern]. Selbst in Sachsen,
       wo Schüler:innen schon längst Punkte abgezogen bekommen, wenn sie
       geschlechtergerechte Sprache verwenden, betont die AfD noch in ihrem
       Wahlprogramm, dass sie „jegliche ‚politisch korrekten‘ Sprachvorgabe“
       ablehnt. Auch möchte die Partei Gleichstellungsbeauftragte abschaffen. Denn
       die „Gender-Ideologie entwertet die gewachsene und im Grundgesetz
       verankerte Vorrangstellung von Ehe und Familie.“
       
       Aber was könnte die AfD tatsächlich ändern, sollte sie über ein
       Bildungsministerium bestimmen? Dann könnte sie relativ einfach die
       Lehrpläne ändern, erklärt die Thüringer GEW-Vorsitzende Vitzthum. Dass
       Sexualkunde erst in der 8. Klasse eingeführt wird, könne die AfD ohne
       Zustimmung des Parlaments erlassen. Ähnlich sieht es bei
       Einstellungsrichtlinien oder disziplinarischen Maßnahmen aus.
       
       Für Schulgesetze, die zum Beispiel die Schulform festlegen oder welche
       Rechte und Pflichten Lehrkräfte haben, bräuchte die AfD hingegen eine
       Mehrheit im Parlament.
       
       14 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] https://www.gew.de/die-meldeportale-der-afd
 (DIR) [3] /Chancengerechtigkeit-in-Deutschland/!6007444
 (DIR) [4] /Debatte-um-Hoecke-Aussage/!5949598
 (DIR) [5] /Thueringer-Antrag-gegen-das-Gendern/!5894568
       
       ## AUTOREN
       
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