# taz.de -- AfD ehrt deutschen Offizier in Namibia: Verhöhnung statt Versöhnung
       
       > Der Vizefraktionschef der NRW-AfD posiert vor einem Soldatengrab in
       > Namibia. Die Landtagsreise sollte der Aufarbeitung der Kolonialzeit
       > dienen.
       
 (IMG) Bild: Herero-Friedhof in Swakopmund
       
       Berlin taz | Es ist eine gezielte Provokation. Sven Tritschler,
       stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im nordrhein-westfälischen
       Landtag, veröffentlichte vergangenen Sonntag ein Foto in seiner
       Instagram-Story. Es zeigt den ehemaligen Bundeswehrsoldaten bei einer
       Kranzniederlegung vor dem Grab eines Offiziers der deutschen Schutztruppe
       in Namibia. Das Foto unterlegte er mit dem national-heroischen Kriegslied
       „Ich hatt' einen Kameraden“.
       
       Doch Tritschler war nicht etwa privat in Namibia, sondern Teil einer
       fraktionsübergreifenden Delegation des nordrhein-westfälischen Landtags,
       die sich der kolonialen Vergangenheit Deutschlands stellen wollte. Dass
       Tritschler die Reise auch für die geschichtsrevisionistische AfD-Politik
       benutzt und explizit einen Repräsentanten der deutschen Kolonialherrschaft
       ehrte, [1][sorgt nun für breite Empörung].
       
       Dabei wollten die elf Landtagsabgeordneten, alle Mitglieder des
       Hauptausschusses, der unter anderem für Bundesangelegenheiten zuständig
       ist, auf ihrer Reise vom 7. bis 12. Juli laut Reisebericht die
       „Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus“ in Namibia von 1884 bis 1915
       vorantreiben.
       
       Auch der Umgang mit Kulturgütern sowie die deutsch-namibische
       Zusammenarbeit standen auf dem Programm. Am dritten Tag der Reise besuchte
       die Delegation den Herero-Friedhof in Swakopmund und legte einen Kranz an
       einem Monument des Genozids an den Herero und Nama nieder. Zwischen 1904
       und 1908 ermordeten deutsche Truppen etwa 80.000 Herero und 20.000 Nama.
       
       ## Ehrenrettung deutscher Kolonialgeschichte
       
       Christina Kampmann, die als SPD-Abgeordnete an der Reise teilgenommen hat,
       äußert sich gegenüber der taz empört. Einen Kranz am Grab eines Soldaten
       niederzulegen, der an Kriegsverbrechen gegen die Herero und Nama beteiligt
       war, sei „inakzeptabel“ und eine „Verhöhnung der Opfer“. Tritschlers
       Verhalten habe laut Kampmann dem Zweck der Delegationsreise konträr
       entgegengestanden. Sie habe sich von der Reise gewünscht, ein
       [2][Aussöhnungsabkommen der Herero und Nama mit Deutschland] „mit Leben zu
       füllen“.
       
       Der Historiker und Professor für Globalgeschichte an der Universität
       Hamburg Jürgen Zimmerer bestätigt der taz, dass es sich bei Wilhelm Eduard
       Richard Heldt um einen 1899 verstorbenen Offizier der deutschen
       Schutztruppe handelt. Er war Bezirkshauptmann von Swakopmund und gehörte zu
       den ersten deutschen Soldaten, die die gewaltsame militärische Eroberung
       Deutsch-Südwestafrikas unterstützten. So habe er laut Zimmerer dazu
       beigetragen, ein menschenverachtendes, rassistisches Unrechtsregime zu
       etablieren.
       
       Dass Tritschler einen solchen Menschen ehrt, kritisiert Zimmerer scharf:
       „Im Kontext des Genozids an den Herero und Nama und dem Leid, das die
       deutsche Kolonialherrschaft über Namibia brachte, ist das eine
       Geschmacklosigkeit und eine Provokation“. Sie reihe sich in eine Abfolge
       von Versuchen der AfD ein, eine „Ehrenrettung der deutschen
       Kolonialgeschichte“ vorzunehmen. Dies sei ein Rückschritt in eine
       nationalistische, heroische Geschichtsauffassung.
       
       ## „Erinnerungspolitischer Roll-back“
       
       Durch die Ehrung deute Tritschler an, dass er das Verhalten der
       Schutztruppe als positiv bewerte, so Zimmerer. Dabei sei die Schutztruppe
       ein „Instrument der gewaltvollen, militärischen Landnahme“ gewesen und
       somit auch vor dem Genozid ab 1904, also zur Dienstzeit Heldts, für
       Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen an der lokalen Bevölkerung
       verantwortlich.
       
       Tritschlers Aktion zeige, „dass die AfD bewusst einen
       erinnerungspolitischen Roll-back anstrebt“. Auf Bundesebene sei sie damit
       sogar erfolgreich, da der politische Wille zur [3][Aufarbeitung der
       dunkelsten Seiten der deutschen Kolonialgeschichte] über die Parteien
       hinweg nachließe, meint Zimmerer.
       
       Auch im Bundestag setzt sich die AfD-Fraktion zum Beispiel in ihrer
       [4][Kleinen Anfrage vom 9. Januar 2024] dagegen ein, den Genozid an den
       Herero als Völkermord zu bezeichnen. Dies hatte der [5][damalige
       Außenminister Heiko Maas 2021 für die Bundesregierung offiziell verkündet].
       
       ## AfDler verteidigt sich
       
       Sven Tritschler verteidigte auf Anfrage der taz sein Verhalten: „Als
       deutscher Volksvertreter sah ich mich – im Gegensatz zu meinen Kollegen von
       den anderen Fraktionen – in der Pflicht, auch einen Kranz am Grab der hier
       gefallenen deutschen Soldaten niederzulegen“. Zudem habe der Besuch am Grab
       von Heldt nach Abreise der Delegation stattgefunden.
       
       „Im Übrigen ist die Erzählung von der ‚unschuldigen‘ Herero- und
       Namabevölkerung, die ‚verbrecherischen‘ deutschen Soldaten zum Opfer
       gefallen sei, historisch nicht haltbar“, fügte Tritschler hinzu. Das hätten
       seiner Auslegung nach auch Gespräche im Rahmen des offiziellen
       Besuchsprogramms so ergeben.
       
       Verena Schäffer, grüne Fraktionsvorsitzende in NRW und ebenfalls Teil der
       Delegation, ist „fassungslos“. Der taz sagte sie, Tritschlers Aussage käme
       einer Leugnung des Genozids gleich und sei, anders als er selbst behauptet,
       „historisch faktenfrei“.
       
       Dass der AfD-Fraktionsvize behauptet, als Mandatsträger Soldaten der
       Schutztruppe ehren zu müssen, zeige die ganze Verachtung der AfD für die
       Opfer der deutschen Kolonialverbrechen. Das sei nichts anderes als eine
       „Täter-Opfer-Umkehr“.
       
       Ob es Konsequenzen für den AfD-Abgeordneten Tritschler geben wird, gab die
       Ausschussleitung des NRW-Landtags noch nicht bekannt.
       
       18 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tiktok.com/@beautifulcolours_/video/7391910138086526241?is_from_webapp=1&sender_device=pc&web_id=7387326602320184864
 (DIR) [2] /Genozid-an-Herero-und-Nama/!5894473
 (DIR) [3] /Aufarbeitung-des-deutschen-Kolonialismus/!5949531
 (DIR) [4] https://dserver.bundestag.de/btd/20/100/2010003.pdf
 (DIR) [5] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/335257/voelkermord-an-herero-und-nama-abkommen-zwischen-deutschland-und-namibia/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabrina Osmann
       
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       deutschen Kolonialzeit Opfer eines Genozids wurden, Entschädigung
       erreichen.