# taz.de -- Digitalpakt ausgelaufen: Fortsetzung gefährdet
       
       > Der milliardenschwere Pakt zur Digitalisierung der Schulen ist im Mai
       > ausgelaufen. Bund und Länder haben sich noch auf keinen Nachfolger
       > geeinigt.
       
 (IMG) Bild: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger am „Tag der kleinen Forscher“ 2022
       
       Berlin taz | Auf dem Papier gehört Bettina Stark-Watzinger zu den
       Gewinnern. Trotz der angespannten Haushaltslage erhält die
       FDP-Bundesbildungsministerin für 2025 satte 833 Millionen Euro mehr als
       noch in diesem Jahr. Das hat das Kabinett vergangene Woche beschlossen.
       
       Damit erreicht das Bildungsbudget einen neuen Höchststand: 22,3 Milliarden
       Euro. Ein Achtungserfolg für die [1][wegen der „Fördergeld-Affäre“]
       angezählte Ministerin. Der mittelfristige Finanzplan, auf den sich die
       Ampel vorigen Sommer geeinigt hatte, hatte für ihr Haus im kommenden Jahr
       zunächst sogar nur 20,6 Milliarden Euro vorgesehen.
       
       Und noch einen Erfolg kann Stark-Watzinger vorweisen: Erstmals hat die
       Ministerin in ihrem Haushalt eine konkrete Summe für den Digitalpakt 2.0
       eingeplant. Rund 1,6 Milliarden sind als „Zuweisungen an die Länder zur
       Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur für Schulen“
       vorgemerkt.
       
       Damit erfüllt Stark-Watzinger, was die Länder seit Monaten fordern: ein
       klares Bekenntnis zur Fortsetzung des im Mai ausgelaufenen (ersten)
       Digitalpaktes. Zumindest auf den ersten Blick.
       
       Auf den zweiten ergibt sich ein anderes Bild. Zum einen, weil bereits
       feststeht, dass von dem Posten für den Digitalpakt noch mindestens ein
       „Konsolidierungsbeitrag“ in Höhe von 163,5 Millionen Euro abgezogen wird.
       Insgesamt muss Stark-Watzinger von ihrem Rekordbudget sogar 833,5 Millionen
       (die so genannten globalen Minderausgaben) einsparen – also fast exakt die
       Summe, die sie 2025 „mehr“ bekommen soll.
       
       ## Nur eine Mogelpackung?
       
       Zum anderen, weil die Länder daran zweifeln, ob vom Bildungsetat
       tatsächlich Geld für den Digitalpakt 2.0 zur Verfügung stehen wird. Sie
       werfen dem Bund Taschenspielertricks vor. „Der vorliegende Haushalt erweckt
       den Eindruck, als wolle man durch Buchungstricks das Fehlen der wichtigen
       zusätzlichen Investitionen in die digitale Bildung verschleiern“, sagte
       Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin und Koordinatorin der
       unionsgeführten Länder in der Kultusministerkonferenz, Karin Prien, der
       taz.
       
       Auch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die für
       die SPD-regierten Länder spricht, äußerte sich gegenüber der taz irritiert:
       Es sei an der Zeit, dass das Bundesbildungsministerium „jetzt schnell und
       deutlich erklärt, ob und welche Gelder für den Digitalpakt 2.0 im Haushalt
       2025 vorgesehen sind“.
       
       Der Vorwurf: Die 1,6 Milliarden für digitale Schulen im Haushalt seien in
       Wahrheit keine neuen Gelder für den versprochenen Digitalpakt 2.0, sondern
       noch nicht abgerechnete Restmittel aus dem Digitalpakt 1.0. Also Gelder,
       die die Länder schon längst ausgegeben, dem Bund nur noch nicht in Rechnung
       gestellt haben. Zudem seien für die Folgejahre keine Mittel für den
       Digitalpakt 2.0 eingeplant.
       
       Laut Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP soll dieser bis 2030 laufen
       und die „Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik
       sowie die Gerätewartung und Administration“ bezahlen. Entgegen der
       Ankündigung des Ministeriums komme im Haushalt 2025 das Wort Digitalpakt an
       keiner Stelle vor, kritisieren mehrere Ministerien auf taz-Anfrage. Karin
       Prien nennt den vorgelegten Haushalt deswegen „enttäuschend“. Der
       sächsische Bildungsminister Christian Piwarz (CDU) sprach gegenüber der
       Sächsischen Zeitung von „dreistem Vertrauensbruch“.
       
       ## Streit, Streit, Streit
       
       Es ist nicht das erste Mal, dass im Zusammenhang [2][mit dem Digitalpakt
       schwere Vorwürfe] laut werden. Vor einem Jahr berief die
       Kultusministerkonferenz sogar eine außerplanmäßige Pressekonferenz ein, um
       öffentlich das „fehlende Vertrauen“ in den Bund und dessen „mangelnde
       Verlässlichkeit“ anzuprangern. Ihr Ziel – eine nahtlose
       Anschlussfinanzierung zum Juni 2024 – erreichten die Länder damit nicht.
       Anfang Juli nun kam es zu einem erneuten Schlagabtausch – dieses Mal im
       Bundesrat.
       
       Dort mahnten die Länder die Fortsetzung des Digitalpaktes an, „um den
       positiven Impuls der bisherigen Projekte aufrechtzuerhalten und weiter
       auszubauen“. Dort blaffte der BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg zurück:
       „In Ihrem Entschließungsantrag steht: ‚Die Verhandlungen zwischen Bund und
       Ländern müssen (…) zügig und belastbar abgeschlossen werden.‘ Da kann ich
       Ihnen auch persönlich nur zustimmen. Um es ganz deutlich zu sagen: Es ist
       nicht der Bund, der auf der Bremse steht“.
       
       Zu den aktuellen Vorwürfen der Länder wollte sich das
       Bundesbildungsministerium (BMBF) gegenüber der taz nicht äußern.
       Stattdessen spielte eine Sprecherin – ähnlich wie Staatssekretär
       Brandenburg – den Ball zurück: „Die Gesamtfinanzierung, die vonseiten des
       Bundes im Haushalt 2025 und den Folgejahren angelegt ist, hängt maßgeblich
       von der Bereitschaft der Länder ab, hierzu die Voraussetzungen zu schaffen
       und einen substantiellen finanziellen Beitrag zu leisten.“
       
       ## Länder sollen mehr zahlen
       
       Bereits seit Anfang Dezember 2022 verhandeln Bund und Länder nun über den
       Nachfolger des Digitalpakts. Seit 2019 hat der Bund insgesamt 6,5
       Milliarden Euro für die Digitalisierung an Schulen bereitgestellt. Mit den
       Mitteln aus den Ländern standen sogar mehr als 7 Milliarden Euro zur
       Verfügung. Bislang waren sich Bund, Länder und Kommunen immer einig, dass
       der Digitalpakt fortgeführt wird. Doch ob sich die Beteiligten einigen
       können, ist nach wie vor unklar.
       
       Der größte Streitpunkt ist das Geld: Beim ersten Digitalpakt mussten die
       Länder gerade mal zehn Prozent der Gesamtmittel aufbringen. Beim Nachfolger
       aber pocht der Bund auf eine finanzielle Beteiligung der Länder in Höhe von
       50 Prozent – und hat bereits Fakten geschaffen: Ein Kabinettsbeschluss zum
       Haushalt 2024 verbietet dem Bund, bei künftigen Bund-Länder-Programmen mehr
       als 50 Prozent der Kosten zu tragen. Zu einer so hohen Beteiligung sind die
       Länder aber nicht bereit.
       
       Den Ländern sei der Kabinettsbeschluss bewusst, teilt etwa eine Sprecherin
       aus Rheinland-Pfalz mit. Gleichzeitig appellierten die Länder an den Bund,
       diesen Beschluss „zu überdenken und auch flexibel bei der Frage nach der
       Anrechenbarkeit von Landesleistungen zur Digitalisierung“ zu sein.
       Schließlich hätten die Länder und Kommunen bereits massiv in die
       Digitalisierung ihrer schulischen Infrastruktur investiert.
       
       ## Vorbild Startchancen-Programm
       
       Dass der Bund durchaus bereit ist, die Investitionen der Länder
       anzurechnen, zeigen [3][die Verhandlungen zum „Startchancen-Programm“], mit
       dem in den kommenden zehn Jahren insgesamt 4.000 Brennpunktschulen
       bundesweit gefördert werden sollen. Auch hier müssen die Länder 50 Prozent
       der Gesamtmittel stellen.
       
       Ob dies ein möglicher Ausweg auch beim Digitalpakt wäre? Anfang August
       kehren Bund und Länder an den Verhandlungstisch zurück. Nach Angaben des
       BMBF ist der Bund bereit zu „intensiven und konstruktiven“ Verhandlungen.
       Die Länder erwarten zunächst „Klarheit“ bei ihren Fragen zum Haushalt,
       bevor sie über die strittigen Punkte wie die Co-Finanzierung reden.
       
       Für die Kommunen geht das große Warten also erst mal weiter. „Wenn sich
       Bund und Länder nicht bald einigen, sind wir die Leidtragenden“, sagt der
       Gießener Stadtrat Francesco Arman der taz. Seine Stadt habe wie die meisten
       Kommunen und Städte die Gelder aus dem Digitalpakt 1.0 bereits vollständig
       ausgegeben. Derzeit liefen die letzten Aufträge, darunter die vollständige
       Ausstattung aller Klassenzimmer mit digitalen Tafeln.
       
       Sollte der neue Digitalpakt nicht bald kommen, könne Gießen maximal den
       laufenden Betrieb aufrechterhalten, so Arman, „auf Sparflamme. Den Ausbau
       und die Verbesserung der IT-Infrastruktur können wir dann nicht stemmen“.
       
       Die Bundesschülerkonferenz befürchtet, dass letztlich die Schüler:innen
       das „aktuelle Gerangel“ zwischen Bund und Ländern ausbaden müssen. Trotz
       des Digitalpaktes fehle es heute an sehr vielen Stellen noch an digitaler
       Ausstattung oder Digitalisierung des Unterrichts, sagt Generalsekretärin
       Louisa Basner der taz. „Wenn der Digitalpakt 2.0 nicht zustande kommt,
       werden aktuelle Probleme noch größer und die Schulen werden im Punkt
       Digitalisierung immer mehr zurückfallen“. Auch sie fordert eine baldige
       Einigung. Wie alle Seiten.
       
       24 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
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