# taz.de -- Neuer Roman von Franziska Gänsler: Trauer und Wut der Pubertierenden
       
       > Franziska Gänsler beschreibt in „Wie Inseln im Licht“ eine von Ambivalenz
       > geprägte Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Der Spannungsbogen hält.
       
 (IMG) Bild: „Wie Inseln im Licht“ ist der zweite Roman von Franziska Gänsler
       
       Etwas hat sich verändert im Leben der Ich-Erzählerin Zoey. Dass es sich um
       keine gute Wendung handelt, weiß Franziska Gänsler in ihrem zweiten Roman
       „Wie Inseln im Licht“ mit wenigen Worten atmosphärisch zu fassen, noch vor
       jeder inhaltlichen Erläuterung: „Als ich auftauchte, hat das Wetter
       umgeschlagen. Das Wasser, das kurz zuvor noch glatt in seinem türkis
       gekachelten Becken gelegen hatte, wird jetzt von einem kühlen Wind bewegt,
       genau wie die Palmenblätter, die dabei ein schnelles, schabendes Geräusch
       erzeugen.“
       
       So beginnt die Erzählung, kurz darauf erfahren die Lesenden vom Tod der
       Mutter vor vier Tagen. Beunruhigung liegt in der Luft, am Strand
       attackieren die Möwen einen Surfer, Meer und Himmel gehen dunkel ineinander
       über.
       
       Diese Art Bilder, die darin liegende Verdichtung, war auch schon [1][im
       2022 erschienenen Debüt „Ewig Sommer“] eine der Stärken der Autorin. Und es
       gibt weitere Gemeinsamkeiten.
       
       Gänsler interessieren erneut Frauenfiguren, ihre Beziehungen zueinander;
       [2][insbesondere die zwischen Müttern und Töchtern]. Sie blickt ein
       weiteres Mal auf eine missbräuchliche enge Bindung, wenn sie hier auch ganz
       anderer Art ist. Schmerzhafte Erfahrungen in der Vergangenheit, die bis in
       die Gegenwart wirken und teils von einer Generation in die nächste getragen
       werden, sind Thema beider Romane.
       
       Ein doppelter Verlust 
       
       „Wenn ich an Oda denke, dann liegt der Schmerz der Mutter wie ein Filter
       zwischen mir und meiner Erinnerung“, hier deutet sich der doppelte Verlust
       Zoeys an. Oda ist die jüngere Schwester, die vor zwanzig Jahren verschollen
       ist.
       
       Die beiden waren Kinder, fünf und sieben Jahre alt. Sie lebten zusammen mit
       der jungen Mutter an jenem Ort an der französischen Atlantikküste, an dem
       Zoey sich in der Erzählgegenwart des Romans aufhält. Sie wohnten damals auf
       einem Campingplatz, abgeschieden, in bewusster Abgrenzung zur Gesellschaft
       außerhalb.
       
       Zoey ist hier, um den Lücken ihrer Erinnerung nachzugehen. Denn die Mutter
       schwieg über die Geschehnisse, versank in ihrem Schmerz. Mit nur 44 Jahren
       ist sie gestorben, nachdem Zoey sie in einer beklemmenden, isolierenden
       Symbiose drei Jahre lang gepflegt hatte. Die Mutter verweigerte jede Hilfe
       von außen.
       
       Die frische Trauer um die Mutter verbindet sich mit der nie vergangenen um
       die Schwester. Die auch deshalb wirkmächtig ist, weil das Verschwinden Odas
       nie aufgeklärt wurde und Zoey zugleich Schuldgefühle quälen, da die
       Leerstellen ihrer Erinnerungen offenlassen, ob sie eine Mitschuld trägt.
       Von der Mutter nur das Schweigen.
       
       Missbräuchliches Verhalten der Mutter 
       
       Die tiefe Ambivalenz dieser von beidseitiger emotionaler Abhängigkeit
       geprägten [3][Mutter-Tochter-Beziehung] zeichnet Gänsler mit viel
       Feingefühl. Ihre Wut als Teenagerin über das Schweigen drängt Zoey zurück,
       weil sie glaubt, die Mutter davor schützen zu müssen. Weil sie sie liebt,
       weil die Bilder ihrer früheren Dreisamkeit von inniger Verbundenheit
       getragen sind. Das missbräuchliche Verhalten der Mutter spiegelt die
       Autorin vor allem durch die Außensicht anderer, etwa einer engen Freundin
       Zoeys.
       
       Wie bereits in ihrem Debüt eindrucksvoll vorgeführt, verknüpft Gänsler
       gekonnt ein spannungsgetriebenes Erzählen mit der dichten Vielschichtigkeit
       ihres Schreibens. Fast krimihaft muten Zoeys Recherchen an: Was wurde
       damals unternommen, um Oda zu finden? Was weiß die Polizei? Der
       Spannungsbogen hält und findet zu einer überzeugenden Auflösung, das sei
       verraten.
       
       Nicht ganz so feingliedrig miteinander verwoben wie im Debüt sind hier die
       Themen und Erzählebenen. Doch ist Gänsler eine kluge, berührende Erzählung
       über verschiedene Arten des Umgangs mit großem Schmerz gelungen, die auch
       um Momente der Befreiung weiß.
       
       19 Jul 2024
       
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