# taz.de -- Gewaltaufrufe gegen Frauen: Wenn er schlägt, liebt er nicht
       
       > Ein russischer Imam ruft im Internet zu häuslicher Gewalt gegen Frauen
       > auf. In Politik und Gesellschaft stößt das vor allem auf
       > Gleichgültigkeit.
       
 (IMG) Bild: Moskau, 12. Februar 2017: Protest gegen die Gesetzgebung zur häuslichen Gewalt in Russland
       
       Moskau taz | Timur Kamajew hat in dem Video in seiner Moschee Irek in
       Kasan, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan, Platz
       genommen. Einen weißen Umhang trägt er, auch eine weiße Kappe. Vor sich auf
       dem niedrigen Tischschen stehen eine Kanne Tee, eine volle Tasse, ein paar
       Süßigkeiten. Kamajew spricht ruhig. Er gibt Ratschläge zum Leben zwischen
       Mann und Frau – in der Ehe, versteht sich. Ratschläge, die auf Schlägen
       beruhen. [1][Mache die Frau „etwas falsch“], gehorche sie nicht, sagt der
       Imam. Da dürfe der Mann gern ausholen.
       
       Dass er mit seinen wenigen Sätzen eine Anleitung zur häuslichen Gewalt
       erteilt, das lässt sich Kamajew nicht sagen. Auch die geistliche Verwaltung
       der Muslime in Tatarstan sieht in den Ausführungen ihres Imams kein
       Problem. Die Journalisten hätten es falsch verstanden, der Imam aus Kasan
       habe sich nichts zuschulden kommen lassen, ließ die Verwaltung ausrichten.
       Das Video hat sie vorsichtshalber aus Youtube entfernen lassen.
       
       In den sozialen Netzwerken äußern sich viele Nutzer*innen aufgebracht
       zur „Rechtfertigung [2][häuslicher Gewalt]“ durch den Imam. In der
       Öffentlichkeit findet keine Debatte statt. Wie auch, wenn der Begriff
       „häusliche Gewalt“ seit Jahren [3][keinen Einzug in die russische
       Gesetzgebung] findet? Der russische Staat hält das für „nicht notwendig“.
       Es gebe viele andere Gesetze, erklärte einst Russlands Präsident Wladimir
       Putin, als es Bemühungen von Menschenrechtler*innen gab, ein Gesetz
       gegen häusliche Gewalt anzunehmen.
       
       Für den Präsidenten, wie so viele in Russland [4][äußerst tolerant
       gegenüber häuslicher Gewalt] und davon überzeugt, dass der Stärkere immer
       recht habe, ist das Prügeln in der Familie eine Bagatelle. Die Tat wird mit
       einem Bußgeld von umgerechnet etwa 50 Euro geahndet. Forderungen, Frauen
       besser vor häuslicher Gewalt zu schützen, sieht das Justizministerium als
       „Diskriminierung von Männern“ an.
       
       ## Gleichgültigkeit ist weit verbreitet
       
       Gewalt in den Familien stößt in der russischen Gesellschaft oft auf
       Gleichgültigkeit: Schlage der Mann die Frau, so müsse die Frau schuld sein,
       schlagen die Eltern ihr Kind, so habe es das Kind verdient, wird oft
       erklärt. Selbst die Opfer sehen darin nichts Kriminelles.
       
       Auch der Imam in Kasan wähnt sich im Recht. Drei Punkte unterstreicht er in
       seiner Rede für das russische Video. Beginnen solle der Mann mit einer
       „Ermahnung der Frau“. Verstehe sie diese nicht, werde sie des Ehebetts
       verwiesen, „um nachzudenken“. Bringe auch das nichts, solle der Mann seine
       Frau „schlagen“. Natürlich nicht so, dass sie blaue Flecken davontrage. Der
       Schlag solle nur aus dem Arm heraus erfolgen, nicht aus der Schulter.
       
       Es sei ein „Verhauen“, kein „Verprügeln“, stellt er klar. „Verprügeln“
       verletzte die Rechte der Frau. Manchmal reagiere der Mann „emotional“ und
       „verprügele“ die Frau dann doch. Aber das solle sie ihm bitte verzeihen.
       Wenn das öfter vorkomme, solle sie sich an den Imam wenden.
       
       ## Zahnbürste, das richtige Werkzeug für Züchtigung
       
       Ein „leichtes Verhauen“ sei völlig angemessen, meint der muslimische
       Geistliche und unterscheidet sich dabei kaum von den Ausführungen
       russisch-orthodoxer Priester. Diese fallen immer wieder mit Aussagen auf,
       [5][eine Frau gehöre geschlagen], wenn sie ihrem Mann nicht gehorche.
       Kamajew sieht in einem Miswāk, der traditionellen Zahnbürste, das
       richtige Werkzeug für die Züchtigung. „Sorgfältig, mit kleinen Schlägen“
       solle dieses eingesetzt werden.
       
       Für welche „Vergehen“ die Frau geschlagen werden dürfe, weiß der Imam auch:
       Respektlosigkeit gegenüber Verwandten, Gebrauch von Alkohol, Untreue.
       Derweil lässt die Moskauer Stadtregierung Plakate in Metrostationen und
       Einkaufszentren aufhängen: „Wenn er schlägt, liebt er nicht“, steht da. Ein
       QR-Code führt zu den wenigen Frauenhäusern im Land.
       
       23 Jul 2024
       
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