# taz.de -- Ausgleichsflächen in Schleswig-Holstein: Zu wenig Platz für Naturschutz
       
       > Wird gebaut, braucht es Ausgleichsflächen. In Schleswig-Holstein findet
       > diese eine landeseigene Agentur. Aber mittlerweile wird der Boden knapp.
       
 (IMG) Bild: Sehlendorfer Binnensee: Wo früher ein Campingplatz war, wächst heute wieder Kriechender Sellerie
       
       Hohwacht taz | Die Kröten sind gerade einmal so groß wie ein Daumennagel,
       aber sie wissen genau, wohin sie wollen: ans Licht. Als der Biologe Hauke
       Drews den Deckel des weißen Plastikeimers lüpft, machen sich die winzigen
       Tiere auf den Weg.
       
       Drews hockt am sandigen Rand eines Tümpels, neben ihm geht Tobias
       Goldschmidt in die Knie: Schleswig-Holsteins Umwelt- und
       Energiewendeminister darf den ersten Schwung seltener Wechselkröten in die
       Freiheit entlassen. Ein Grünen-Politiker beim Krötenschubsen – mehr
       Klischee geht eigentlich gar nicht.
       
       „Das passt schon“, sagt Goldschmidt. „Ich habe in letzter Zeit so [1][viele
       Windräder und Solarparks eingeweiht], da darf es auch mal ein
       Naturschutzgebiet sein.“ Wobei Naturschutz und Bauprojekte hier Hand in
       Hand gehen: Wird irgendwo gebaut, braucht es Ausgleichsflächen, die der
       Natur zurückgegeben werden.
       
       Diese Flächen zu finden und zu verwalten, ist Aufgabe der
       [2][Ausgleichsagentur Schleswig-Holstein]. Eine Aufgabe, die im Lauf der
       Zeit eher schwieriger wird, denn auch in einem dünn besiedelten Land wie
       Schleswig-Holstein wird der Boden knapp.
       
       Hinter der Ausgleichsagentur steht die [3][Stiftung Naturschutz
       Schleswig-Holstein], die das Bundesland 1978 ins Leben rief. Die Stiftung
       finanziert sich durch Pachteinnahmen, Zinserträge, Drittmittel aus Bund und
       Ländern sowie aus Spenden, erklärt Ute Ojowski, Vorstandsmitglied der
       Stiftung und Geschäftsführerin der Ausgleichsagentur.
       
       Die Stiftung besitzt heute knapp 39.000 Hektar Land. Darunter sind
       Biotopflächen wie am Sehlendorfer Binnensee in der Gemeinde Hohwacht nahe
       der Ostsee, sowie landesweit Moore oder Wälder. Zwischen den Biotopen
       verlaufen grüne Pfade, auf denen Tiere wandern und sich Pflanzen verbreiten
       können, so zumindest das Ideal.
       
       Die Stiftung kauft Flächen wie das Gelände am Sehlendorfer Binnensee, auf
       dem früher ein Campingplatz stand und auf dem nun wieder Kriechender
       Sellerie oder Raue Nelken wachsen.
       
       Wer bauen will, sei es ein Unternehmen wie der [4][Batteriehersteller
       Northvolt], eine Kommune, die ein Wohngebiet erschließt, oder ein einzelner
       Landwirt, der einen neuen Stall braucht, kann sich an die Agentur wenden,
       die einen „Full-Service vom Flächenkauf über die Planung und Umsetzung, die
       Abstimmung mit den Genehmigungsbehörden, dauerhafte Pflege und das
       Monitoring“ bietet.
       
       „Die Stiftung ist ein starker Player“, lobt Minister Goldschmidt bei seinem
       Besuch. Allerdings sieht auch er die Probleme, neue Flächen zu finden:
       „Schleswig-Holstein ist Vorzugsgebiet für Agrar, Tourismus, Energiewende
       und Naturschutz, es sind [5][viele Nutzungsinteressen im Raum].“
       
       ## Stiftung hat Vorkaufsrecht
       
       In Gebieten, die bereits für den Naturschutz vorgesehen sind, die Moore
       oder bestimmte Gewässer umfassen, hat die Stiftung ein Vorkaufsrecht.
       Ansonsten bietet sie zum marktüblichen Preis mit, wenn
       Landeigentümer:innen ihre Flächen veräußern wollen.
       
       „Wir wollen keine Preistreiber sein“, betont Ojewski. Nicht alle Flächen,
       die die Stiftung in Obhut nimmt, werden der [6][Landwirtschaft] entzogen.
       So können Bäuer:innen Wiesen für extensive Viehhaltung pachten:
       Robustrinder halten dann das Gras kurz, sodass Wiesenvögel brüten können.
       
       1.400 Pächter:innen arbeiten mit der Ausgleichsagentur
       Schleswig-Holstein zusammen, das Verhältnis sei gut, berichtet Ojowski.
       Aber sie weiß auch: „Die Fläche ist endlich.“ Wer Land besitzt, zögert
       zurzeit mit dem Verkauf. Aktuell beträgt die landwirtschaftliche Fläche in
       Schleswig-Holstein rund 982.750 Hektar, also ein Vielfaches der
       Naturschutzflächen.
       
       Allerdings sind Naturschützer und Landwirte an unterschiedlichen Flächen
       interessiert. Moore oder magere Böden, die für den Naturschutz am
       spannendsten sind, sind für die Landwirtschaft am wenigsten interessant,
       sagt Goldschmidt. Und durch neue EU-Regeln wie die Gemeinwohlprämie
       verdienen Landwirte auch dann Geld, wenn sie Flächen für Naturschutz
       bereitstellen.
       
       Zurzeit schafft es die Agentur, genug passende Flächen für alle Bauvorhaben
       bereitzustellen, berichtet Ute Ojowski. Aber vom Ziel der EU, 30 Prozent
       ihres Gebietes naturnah zu gestalten, ist auch Schleswig-Holstein noch sehr
       weit entfernt. Das Land der Stiftung umfasst gerade einmal zwei Prozent.
       
       5 Jul 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Energiewende-in-Schleswig-Holstein/!6013628
 (DIR) [2] https://www.ausgleichsagentur.de/
 (DIR) [3] https://www.stiftungsland.de/
 (DIR) [4] /Batteriewerk-in-Norddeutschland/!5997685
 (DIR) [5] /Artenschutz-gegen-Energiewende/!6007022
 (DIR) [6] /Doppeltes-Spiel-des-Agrarverbandes/!6009938
       
       ## AUTOREN
       
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