# taz.de -- Geflüchtete in Mauretanien: Bis hier und nicht weiter
       
       > In Mauretanien sammeln sich Geflüchtete aus ganz Afrika. Spanien und die
       > EU bezahlen das Land dafür, Menschen mit dem Ziel Kanaren aufzuhalten.
       
       Nouadhibou und Nouakschott taz | Als das Kreuzfahrtschiff Insignia am
       vergangenen Freitag um 5.30 Uhr morgens in den Hafen von Teneriffa
       einfährt, hat es nicht nur 670 Touristen an Bord, sondern auch sechs
       Leichen und 67 Geflüchtete. Die Insignia hatte die Schiffbrüchigen am
       Vorabend im Atlantik gerettet und an Bord genommen.
       
       Rund 100 Menschen aus Westafrika waren am 30. Mai in Mauretanien in See
       gestochen, sagt später Marcela Posca vom spanischen Roten Kreuz. 33 von
       ihnen seien während der fast dreiwöchigen Fahrt nach und nach gestorben.
       Die Überlebenden hätten Leichen ins Wasser werfen müssen.
       
       Rund 40.000 Geflüchtete sind 2023 [1][auf den Kanaren angekommen] – ein
       Rekord, der 2024 noch übertroffen werden dürfte. Die rund 800 Kilometer
       weite Fahrt von der Küste Westafrikas in großen Holzpirogen überleben viele
       nicht. 4.808 Tote zählt die spanische NGO Caminando Fronteras von Januar
       bis Juni 2024 auf der Route. Auf 959 Tote kommt die
       UN-Migrationsorganisation IOM für den gleichen Zeitraum. Sie ertrinken,
       verdursten oder sterben an Erschöpfung. Teils melden gar Behörden aus der
       Karibik und Brasilien angeschwemmte Boote mit Leichen, die in Mauretanien
       ablegten und vom Kurs abkamen.
       
       Kurz bevor die Insignia die Schiffbrüchigen aufnimmt, steht der
       kongolesische Priester Arthur Kalonda, ein kleiner Mann mit Backenbart und
       grauer Kapuzenjacke, auf einem kleinen Hügel, nahe des Hafens von
       Nouadhibou, im äußersten Norden Mauretaniens. Seine Kirche hat die Farbe
       von Eierschalen und die Form eines Iglus, aus blauem Gitter ist die Tür,
       auf dem Dach wie ein Wetterhahn ein Fisch aus Metall – das etwas
       unauffälligere Symbol des Christentums. Es ist eine von nur wenigen
       christlichen Kirchen in dem islamischen Land und der einzige katholische
       Friedhof: Eine ummauerte staubige Brache, nur sechs Gräber sind zu
       erkennen. „Aber hier sind überall tote Migranten begraben, es ist voll“,
       sagt Arthur. „Jetzt haben wir keinen Platz mehr.“ Er zeigt auf die Fläche
       vor der Tür. „Nur da liegt noch keiner. Aber wenn ich da noch wen beerdige,
       müsste jeder, der hereinkommt, über das Grab laufen.“
       
       Seit vielen Jahren ist das Cap Blanc vor Nouadhibou, [2][einer von
       Fischfang, Gas- und Erzproduktion lebenden] Industriestadt, ein bevorzugter
       Abfahrtsort Richtung Kanaren. Seit September 2023 steigt die Zahl der
       Abfahrten. Die spanische und die mauretanische Küstenwache würden viele der
       Menschen auf dem Meer aufhalten, sagt Arthur. „Dann kommen sie in die
       Polizeistation am Hafen.“ Er, der Kirchenmann, solle den Menschen dann
       Essen bringen, Decken, etwas Zuspruch. „Nach einigen Tagen werden sie
       weggebracht“– immer dann, wenn genug für einen Transport zusammen gekommen
       seien.
       
       Manchmal aber bringt die Küstenwache auch Leichen vom Meer mit. „Wir
       versuchen dann herauszufinden, woher sie stammen, und abzuschätzen, ob sie
       Christen waren“, sagt Arthur. Falls ja, ist er für das Begräbnis zuständig.
       „Wenn möglich, versuchen wir Angehörige zu verständigen.“ Doch meist gibt
       es keine Hinweise auf die Identität. Und so füllt sich sein Friedhof mit
       Namenlosen.
       
       Am nächsten Morgen ist Gottesdienst. Einige weiße Expats sind da, die
       meisten aber sind Menschen aus christlichen Regionen Afrikas, die auf dem
       Weg nach Norden nach Nouadhibou kamen und hier nun festsitzen.
       
       Nach Marokko, dessen besetztes Gebiet Westsahara direkt an Nouadhibou
       grenzt, dürfen Afrikaner:innen eigentlich ohne Visum einreisen. Aber um
       den Zugang für mögliche Flüchtlinge zu erschweren, gibt es eine
       Sonderregel: Über Land kommen darf nur, wer schon einmal mit dem Flugzeug
       nach Marokko gereist ist. Das können sich nur wenige leisten. Und so hängen
       viele in Nouadhibou fest, so wie auch jene, die auf einen der rund 1.300
       Euro teuren Plätze in den Pirogen Richtung Kanaren warten.
       
       Eine der Kirchgängerinnen ist eine Frau aus Burundi, ihr Name ist Marie.
       Wie alle hier hat sie sich für die Messe schick gemacht, trägt ein rotes
       Kleid, rote Schuhe, roten Lippenstift, rote Handtasche. Ihr 10-jähriger
       Sohn und ihre 15-jährige Tochter spielen mit anderen Kindern.
       
       Nouadhobou ist das bisherige Ende einer Odyssee auf der Flucht vor ihrem
       gewalttätigen Mann. Dessen Familie habe eines der drei gemeinsamen Kinder
       getötet, sagt sie. Fast die gesamten Ersparnisse ihrer eigenen Familie habe
       sie für drei Flugtickets von Ruanda nach Mexiko ausgegeben. Sie wollte von
       dort zu Fuß in die USA. Doch die Grenzpolizei in der [3][ruandischen
       Hauptstadt Kigali] habe sie nicht ausreisen lassen. „Sie sagten, ich hätte
       keine Mittel, um dort zu leben,“ sagt Marie. Das Geld für die Tickets bekam
       sie nicht zurück.
       
       Was blieb, reichte noch für die Reise nach Mauretanien. Im Februar kam sie
       hier an. In Nouadhibou sprachen Männer sie an, nahmen ihr alles Geld ab und
       versprachen ihr einen Platz auf einer „Fähre“ nach Spanien. „Sie
       vertrösteten mich Tag um Tag. Und dann hörte ich nichts mehr.“ Seither ist
       sie mittellos, die Kirche unterstützt sie ein wenig, das Rote Kreuz auch.
       Sie konnte ein kleines Zimmer mieten. Doch sie lebe dort in steter Angst.
       „Männer klopfen nachts an meine Tür, weil sie wissen, dass wir allein
       sind.“ Fremde Männer sprächen sie an, wollten sie oder ihre Tochter
       heiraten. „Andere geben meinem Sohn auf der Straße etwas Geld, und sagen
       ihm, er solle mir sagen, sie seien in mich verliebt. Einem Zehnjährigen.“
       Sie fängt an zu weinen. Seit zwei Jahren gehen ihre Kinder in keine Schule
       mehr. Das sei für sie das Schlimmste. Wenn sich eine Möglichkeit ergäbe,
       nach Spanien zu gehen, würde sie das tun. „Alles was ich will, ist ein Ort
       in Sicherheit, an dem meine Kinder lernen können,“ sagt sie.
       
       Menschen wie Marie aufzuhalten – das will die EU von Mauretanien. Im
       Februar kamen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Spaniens
       Premier Pedro Sánchez, im März EU-Innenkommissarin Ylva Johansson und
       Spaniens Innenminister Fernando Grande-Marlaska in die Hauptstadt
       Nuakschott. Sie trafen den Präsidenten Mohamed Ould Ghazouani und
       erneuerten Abkommen zu Finanzhilfen und Migrationsabwehr. 210 Millionen
       Euro bekommt Mauretanien aus Brüssel, 64 Millionen Euro aus Madrid –
       zusätzlich zur westlichen Entwicklungshilfe.
       
       Johansson lobte das Land als „strategischen Partner in der Sahelzone“, mit
       dem „wirtschaftliche Chancen“ geschaffen und die „gemeinsamen Anstrengungen
       zur Bekämpfung von Schleusern verstärkt“ werden sollten. Mauretanien habe
       in dieser Hinsicht „bereits hervorragende Arbeit geleistet“, so Johansson.
       
       Und so darf Spaniens Küstenwache weiter entlang der mauretanischen Küste
       patrouillieren und Boote abfangen. Auf dem Atlantik – oder von Marokko in
       der Wüste – gestoppte Migranten kommen nach Mauretanien. Für die EU und
       Marokko ist das extrem praktisch: Sie braucht so weder Asylanträge zu
       prüfen, noch mühsam Identitäten zu klären oder gar Pässe zu beschaffen. Es
       kommen einfach alle Abgefangenen nach Mauretanien, und das Land schiebt sie
       unbesehen direkt weiter nach Mali oder Senegal ab. Einfacher geht es aus
       EU-Sicht nicht.
       
       Eigentlich wollte die EU in Mauretanien – so wie im Senegal – die
       EU-Grenzschutzagentur Frontex stationieren. Doch die Regierung lehnte das
       bisher ab, sie fürchtete Proteste. Brüssel akzeptierte dies. Zu wertvoll
       ist die Kooperation mit Ould Ghazouani – einem der wenigen verbliebenen
       Regierungschefs der Region, die sich nicht vom Westen abgewandt haben.
       
       Im Mai veröffentlichte unter anderem der Spiegel eine aufwändige Recherche
       der NGO Lighthouse zu illegalen Abschiebungen in die Sahara. In Marokko,
       Tunesien und Mauretanien würden „Tausende Menschen mit schwarzer Hautfarbe
       festgesetzt, in Wüstenregionen verschleppt und ausgesetzt“, heißt es darin
       – und zwar mit Wissen und Ausrüstung der EU. Die Europäer ließen „Haftlager
       renovieren, liefern Pick-ups und Geländefahrzeuge, trainieren
       Sicherheitskräfte und patrouillieren mit ihnen“. Asylsuchende würden „auf
       der Straße oder auf See abgefangen, in Haftlager gesteckt und später an
       entlegenen Orten zurückgelassen, bisweilen mitten in der Wüste.“
       
       In Mauretanien kommt die Hilfe für die menschenrechtswidrige Praxis vor
       allem aus Spanien. Das Land „renoviert Migrantenlager, liefert
       Schlauchboote, Geländewagen und Drohnen – oft mithilfe der staatlichen
       Entwicklungshilfeagentur Fiiapp“, heißt es in dem Bericht. Der spanische
       Konsul in Nouadhibou, Francisco Javier Ruiz Navarro, sagt auf taz-Anfrage,
       dass Auskünfte zum spanischen Vorgehen „nicht möglich“ seien. Das
       Innenministerium Mauretaniens beantwortet Interview-Anfragen nicht.
       
       Die Lighthouse-Recherche hat Aufmerksamkeit auf die teils mörderischen
       Pushbacks gelenkt. Neu ist die Praxis allerdings nicht. Bereits 2006
       stationierte Spanien in Nouadhibou Boote der Guardia Civil. Seither
       patrouilliert diese mit mauretanischen Sicherheitskräften und fängt Boote
       Richtung Kanaren ab. Mauretanien verpflichtete sich schon damals, nicht nur
       eigene Staatsangehörige zurückzunehmen, sondern auch Angehörige von
       Drittstaaten, die über Mauretanien versuchen, nach Spanien zu gelangen.
       2008 berichtete Amnesty von „regelrechten Verhaftungswellen“ – auf See und
       an Land. Die Menschen wurden in ein zum Gefängnis umfunktioniertes, völlig
       überbelegtes Schulgebäude in Nouadhibou gebracht, das dort im Volksmund
       „Guantánamito“ hieß.
       
       Das Berliner European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR)
       zwang die beteiligte EU-Grenzschutzagentur Frontex später, die
       Einsatzdokumente herauszugeben. Es wollte wissen, auf welcher
       Rechtsgrundlage die Menschen teils wohl auf hoher See und ohne Asylprüfung
       zur weiteren Abschiebung nach Nouadhibou verfrachtet wurden. Doch das blieb
       ungeklärt – Frontex gab die Dokumente nur geschwärzt heraus.
       
       Damals wurden die Menschen auf LKW-Ladeflächen nach Gogui im Westen Malis
       gekarrt. Rund 1.400 Kilometer sind es von Nouadhibou dorthin, etwa 30
       Stunden dauert der Transport. Damals gab es am Grenzübergang buchstäblich
       nichts, außer brutaler Hitze und Sand. Einige der Abgeschobenen
       verdursteten, bis das spanische Rote Kreuz dort einen kleinen Posten
       eröffnete, um zumindest Wasser und etwas Essen auszugeben.
       
       „Neu ist nur, dass sie heute Busse nehmen“, sagt Amadou M’Bow von der
       mauretanischen Menschenrechtsliga ADHM der taz. Zudem habe sich die Dauer
       der Internierung verkürzt: „Sie bleiben nur so lange in der Polizeistation,
       bis sie genug für einen Transport zusammen haben. Meist fahren sie nach
       einigen Tagen los.“
       
       Eine schwere Verletzung der Menschenrechte bleibt das Ganze gleichwohl: Wer
       nach Europa wollte, kann keinen Asylantrag mehr stellen, egal, woher er
       stammt. Je nach Nationalität der Abzuschiebenden werden die Menschen heute
       nach Rosso an der Grenze zu Senegal oder nach Gogui an der Grenze zu Mali
       gebracht – ein von Terrorismus und Kämpfen gezeichnetes Land.
       
       Heute sind zwar malische Grenzsoldaten in Gogui vor Ort. Doch die Region
       leidet unter Entführungen und Attacken der Dschihadisten. Mauretanische
       Menschenrechtler berichten der taz etwa von einem minderjährigen Guineer,
       der 2020 bei einer Abschiebung in Gogui ausgesetzt und von Dschihadisten
       gekidnappt wurde. Heute gilt er als Anführer einer Terrorgruppe.
       
       Elizabeth Eyster erzählt eine andere Geschichte von Mauretanien. Die
       Historikerin leitet das UN-Flüchtlingswerk UNHCR, ihr Büro liegt in einem
       großen, weißen Block mit blauen Mauern, im Zentrum der Hauptstadt
       Nouakchott, eine Tagesreise südlich von Nouadhibou. Außerordentlich
       „welcoming“ sei das Land, sagt Eyster. Die jüngsten Berichte über die
       Pushbacks hätten viel Aufmerksamkeit bekommen, die positiven Seiten der
       mauretanischen Politik würden kaum gewürdigt. Eyster hat auf drei
       Kontinenten gearbeitet, nirgends sei die Regierung so kooperativ gewesen
       wie hier, meint sie.
       
       Gerade kommt sie aus dem Osten des Landes zurück. Dort lebt das Gros der
       rund 249.000 Flüchtlinge, die Mauretanien aufgenommen hat. Es ist eine
       beachtliche Zahl für ein Land mit der Einwohnerzahl von Berlin und der
       Wirtschaftsleistung von Gelsenkirchen.
       
       Seit in Mali ab 2012 die Gewalt durch dschihadistische Gruppen zunahm, gibt
       Mauretanien Maliern Zuflucht. Die Bedingungen sind dabei jenen ähnlich,
       unter denen Ukrainer:innen in der EU aufgenommen werden: Sie müssen
       keine individuelle Prüfung durchlaufen, sondern werden prima facie, wie
       Eyster sagt, vom UNHCR per Herkunftsnachweis anerkannt. Mauretanien stellt
       eine Identitätskarte inklusive Aufenthaltstitel aus, die Menschen haben
       unbeschränkten Zugang zum – bescheidenen – mauretanischen
       Gesundheitssystem. Kinder dürfen die staatlichen Schulen besuchen,
       Erwachsene dürfen arbeiten.
       
       Viele von ihnen werden langfristig nicht nach Mali zurückkehren können. Mit
       Geldern der Weltbank will die Regierung deshalb nun das Camp Mbera, im
       äußersten Südosten des Landes, in eine dauerhafte Siedlung für rund 100.000
       Menschen umwandeln. Angesichts der Wasserknappheit ist das eine enorme
       Herausforderung. Eyster ist optimistisch. „Das ist machbar“, sagt sie.
       Solarenergie und modernes Wassermanagement sollen es ermöglichen.
       
       Dabei sind die meisten der Geflüchteten Hirten, die ihr Vieh mit über die
       Grenze gebracht haben – und so mit der Lokalbevölkerung in harter
       Konkurrenz um Land und Wasser stehen. Doch bisher habe dies keine größeren
       Konflikte nach sich gezogen. „Die Regierung redet nicht groß drüber und
       macht es einfach. Deswegen ist das kein umstrittenes Thema im Land“, sagt
       Eyster.
       
       Es ist paradox: Wer in dem armen Land bleiben will, wird gut behandelt.
       Umso härter aber geht die Regierung gegen jene vor, die nach Europa
       weiterziehen wollen.
       
       Zwei Tage vor dem islamischen Opferfest treiben überall in den Straßen
       Nuakschotts Hirten Ziegenherden umher. Sie drängen sich durch die Abgase,
       vorbei an Motorrädern und den in Massen umherfahrenden, komplett zerbeulten
       Mercedes-Wagen. Wer es sich leisten kann, schlachtet zu Tabaski, wie das
       Fest in Westafrika heißt, eine Ziege, auch wenn diese mittlerweile
       mindestens 150 Euro kosten.
       
       Hier lebt Sori Kanagie, 33 Jahre alt, ein ehemaliger Bauer aus Mali, mit
       seiner Frau und zwei Kindern. Als Wasserverkäufer verdient er 80 Euro im
       Monat, zurück nach Mali könne und wolle er nicht. Zwei Mal hat die Reise zu
       den Kanaren versucht, ohne Erfolg. In dem Büro einer NGO, der „Kämpfenden
       Frauen aus Mali“, berichtet Kanagie von seinen Überfahrten. Beim ersten
       Mal, 2020, sei er mit 63 Menschen auf der Piroge gewesen, sie hätten
       Wasser, Kekse, Benzin für fünf Tage gehabt. 1.300 Euro habe die Passage
       gekostet.
       
       „Man kann nicht beschreiben, wie das ist,“ sagt er. „Die Haut löst sich
       wegen dem Salzwasser von den Fingern und den Füßen, man ist immer in
       derselben Position, kann die Beine nicht mehr bewegen. Irgendwann fühlt man
       die Beine nicht mehr.“
       
       Nach zwei Tagen gerieten sie in einen schweren Sturm, mussten umkehren.
       „Wir dachten, wir kentern“. An der Küste nahm die Polizei sie fest, sperrte
       sie vier Tage in eine Halle, sagt er. Geschlagen worden seien sie nicht.
       Dann wurde Kanagie nach Gogui abgeschoben, zu zehnt in einem Kleinbus,
       immer zu zweit mit Handschellen aneinander gefesselt. Nach einem Monat in
       Mali kehrte er zurück. Eine „Wiedereinreisesperre“, so wie in Europa, gibt
       es in Mauretanien nicht. Doch die Polizei hatte ihm alles Geld abgenommen.
       „Ich musste bei Null anfangen.“
       
       Im November 2023 wurde sein zweites Kind geboren. „Das Geld, das ich
       verdiene, reicht nicht“, sagt er. Und so versuchte er es im Dezember 2023
       noch einmal. Wieder kaufte er Wasser und Kekse, weil diesmal 80 Menschen in
       der Piroge saßen, habe der Platz umgerechnet nur 1.200 Euro gekostet. Doch
       auch diesmal mussten sie nach drei Tagen auf dem Meer umkehren. Kanagie
       weiß, dass viele bei der Überfahrt sterben. „Aber wenn es hier für mich
       nicht besser wird, versuche ich es wieder“, sagt er.
       
       27 Jun 2024
       
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