# taz.de -- Urteil gegen Chiquita in den USA: Bananenkonzern muss zahlen
       
       > Jahrelang finanzierte der US-Konzern Chiquita kolumbianische
       > Paramilitärs. Jetzt muss er 38 Millionen Dollar an deren Opfer zahlen.
       
 (IMG) Bild: Chiquita-Bananen
       
       Bogotá taz | Das Urteil gilt als historisch: Der US-Bananenkonzern Chiquita
       Brands hat die paramilitärische Gruppe AUC in Kolumbien finanziert. Jetzt
       muss Chiquita Brands erstmals die Familien von acht ermordeten Opfern mit
       rund 38 Millionen Dollar entschädigen. Das entschied am Montag ein
       Geschworenengericht in Florida in einem Zivilprozess.
       
       „Dieses Urteil ist eine Botschaft an alle Firmen dieser Welt, die sich auf
       Kosten der Menschenrechte bereichern: Ihre Taten werden nicht ungestraft
       bleiben“, sagte Marco Simons von der Organisation EarthRights
       International in einer [1][Stellungnahme]. EarthRights International hat
       einige der Opfer vertreten.
       
       Sie sieht in dem Urteil einen [2][Präzedenzfall]: „Es ist das erste Mal in
       den USA, dass ein Gericht einen Großkonzern für seine Komplizenschaft bei
       Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Land zur Verantwortung zieht.“
       Das Urteil fiel in erster Instanz. Chiquita hat angekündigt, Berufung
       einlegen zu wollen.
       
       Die Autodefensas Unidas de Colombia (AUC, dt. Vereinigte Bürgerwehren
       Kolumbiens) gelten als die grausamste paramilitärische Gruppe im
       bewaffneten Konflikt in Kolumbien. Sie ermordeten Zehntausende, vertrieben,
       folterten. In den Bananenregionen Urabá und Magdalena an der Karibikküste
       waren sie ebenfalls aktiv – und arbeiteten mit dem Bananenkonzern Chiquita
       Brands zusammen.
       
       ## Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen
       
       Die rechten paramilitärischen Gruppen gründeten sich einst, um die linken
       Guerillas wie die Farc zu bekämpfen. Vor allem Großgrundbesitzer und
       Unternehmer heuerten diese privaten Söldnertruppen an, um ihr Hab und Gut
       zu verteidigen. Auch der kolumbianische Staat und seine Armee arbeitete mit
       ihnen zusammen. Doch schnell artete das aus.
       
       Schwere Menschenrechtsverbrechen waren die Folge. Im bewaffneten Konflikt
       sind die Paramilitärs mit Abstand für die meisten Todesopfer verantwortlich
       gewesen. Und sie schufen mit Zwangsvertreibungen riesige Landgüter für
       Rinderzucht und Monokulturen wie Bananen und Palmöl, von denen Unternehmen
       profitierten.
       
       Es ist bewiesen, dass Chiquita Brands mittels seiner Ableger wie Banadex in
       Kolumbien zwischen 1997 und 2004 1,7 Millionen Dollar an paramilitärische
       Gruppen gezahlt hat. Das hat das Unternehmen auch eingeräumt.
       
       Die regelmäßigen Zahlungen begannen nach einem Treffen von AUC-Chef Carlos
       Castaños mit Vertretern der Bananenindustrie – und liefen auch weiter,
       nachdem die damalige US-Regierung Castaños’ AUC als Terrororganisation
       eingestuft hatte. (Die Guerillas, an die Chiquita [3][ebenfalls Geld
       zahlte], waren das zu dem Zeitpunkt nicht.) Deshalb hat Chiquita Brands
       2007 eine Strafe von 25 Millionen Dollar an die US-Regierung gezahlt – aber
       bisher keinen Cent an die Opfer der AUC. In der Buchhaltung tauchten die
       Zahlungen an die Mörderbande als „Sicherheitsdienstleistungen“ auf – was
       Chiquita Brands also noch Steuervorteile brachte.
       
       ## Aus den aufgelösten AUC entstanden mehrere Nachfolger
       
       Auch die damalige kolumbianische Regierung meinte es gut mit Chiquita
       Brands: Sie richtete der Firma eine Sondersteuerzone ein. Am dortigen Hafen
       drückten die kolumbianischen Zollbeamten alle Augen zu. Chiquita nutzte den
       Hafen auch, um Waffen und Munition aus Nicaragua nach Kolumbien einzuführen
       und damit die Paramilitärs auszustatten. „Chiquita zahlte Geld für die
       Kugeln, die unschuldige Kolumbianer außerhalb von seinen Ländereien
       ermordeten“, hatte schon 2007 das US-Justizministerium gefolgert.
       
       Laut dem Abschlussbericht der kolumbianischen Wahrheitskommission von 2023
       hat Chiquita auch für die AUC Drogen [4][in Bananenkisten außer Landes
       geschmuggelt].
       
       Nach dem [5][Urteil von 2007] klagten Tausende kolumbianische Bauern in den
       USA. Das Geschworenengericht in Florida griff sich stellvertretend neun
       symbolische Fälle heraus. Davon konnten acht für das Gericht beweisen, dass
       ihre Angehörigen zu der Zeit von den AUC ermordet wurden, als Chiquita
       Brands diese finanzierte. Nach 17 Jahren Rechtsstreit.
       
       Die kolumbianische Zeitung [6][El Espectador] verzichtete „zum Schutz der
       Kläger“ darauf, die Höhe der Entschädigung zu nennen. Das sagt einiges über
       die Sicherheitslage in Kolumbien. Die AUC demobilisierten sich 2006
       offiziell – doch entstanden daraus mehrere Nachfolgegruppen. Eine davon ist
       der [7][Golfclan], der bis heute die Bananenregion beherrscht.
       
       ## Chiquita bezahlte die Mördergruppe für eigene Geschäft
       
       Chiquita Brands hatte im Prozess argumentiert, durch Bedrohung und
       Erpressung zur Zahlung an die AUC gezwungen worden zu sein. Doch diese
       Opferrolle hatte die Firma weder in den USA noch in Kolumbien jemals
       angezeigt, noch konnte sie diese im Prozess glaubhaft belegen.
       
       Laut Anklage bezahlte Chiquita hingegen die Mördergruppe, um die Kontrolle
       über ihr höchst rentables Geschäft zu sichern. 2003 sei ihr kolumbianischer
       Ableger Banadex sogar international der lukrativste gewesen – in einer
       gewalttätigsten Konfliktregionen der Welt.
       
       Chiquita Brands hieß früher United Fruit Company und ist eng mit der
       kolumbianischen Geschichte verbunden. Mit dem sogenannten Bananenmassaker
       an Arbeitern, die für mehr Lohn streikten (1918), ging der Konzern später
       in den Literaturklassiker „Hundert Jahre Einsamkeit“ des Nobelpreisträgers
       Gabriel García Márquez ein. Auf dem ganzen Kontinent prägte er mit seinen
       Praktiken den Begriff Bananenrepublik.
       
       Der kolumbianische Senator und renommierte Menschenrechtsverteidiger Iván
       Cepeda sieht die Verantwortung nicht nur beim US-Konzern, sondern auch bei
       den kolumbianischen Behörden, die ihm die Lizenzen erteilten und die
       Verbrechen „unter ihrer Nase“ zuließen.
       
       In Kolumbien droht das Strafverfahren gegen Chiquita im September 2025 zu
       [8][verjähren]
       
       11 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://earthrights.org/media_release/colombian-victims-win-historic-verdict-over-chiquita-jury-finds-banana-company-liable-for-financing-death-squads/
 (DIR) [2] /Paramilitaers-im-Dienste-Chiquitas/!5036854
 (DIR) [3] https://verdadabierta.com/especiales-v/2017/chiquita/pagos-guerrillas-chiquita.html
 (DIR) [4] https://www.comisiondelaverdad.co/las-accu-y-la-industria-bananera
 (DIR) [5] /Archiv-Suche/!271861
 (DIR) [6] https://www.elespectador.com/judicial/colombianos-le-ganan-juicio-a-bananera-chiquita-brands-y-seran-indemnizados/
 (DIR) [7] /Drogenkriminalitaet-in-Kolumbien/!5850828
 (DIR) [8] https://voragine.co/informe/proceso-contra-directivos-de-chiquita-brands-en-riesgo-de-prescribir/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
       ## TAGS
       
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