# taz.de -- Zwischenbilanz einer neuen Technologie: Im KI-Taumel
       
       > Nach dem ersten Hype um die KI-Anwendung ChatGPT ist einiges im Gange.
       > Entwickler setzen auf einen Wissenschaftsschub durch eine
       > Superintelligenz.
       
 (IMG) Bild: Sam Altman, Geschäftsführer (CEO) von OpenAI ist Erfinder der KI-Software ChatGPT
       
       „Wenn diese Technologie schiefgeht, dann wird sie ziemlich schiefgehen.“ So
       besorgt zeigte sich [1][Sam Altman], der CEO von OpenAI, im Mai 2023 bei
       einem Hearing im US-Senat. Zwei Monate zuvor hatten ein paar tausend
       Wissenschaftler nach einem Moratorium in der KI-Forschung gerufen und nach
       Regulierung durch die Politik – [2][weil diese Technologie den Weltfrieden,
       die Demokratie, ja die Zivilisation zerstören könnte].
       
       Realisten hielten die Moratoriumsidee für naiv, ökonomische Zyniker [3][für
       einen Werbetrick oder den Versuch, den Vorsprung der großen Konzerne zu
       sichern]. Das Forschen, das Investieren und das Vermarkten jedenfalls ging
       munter weiter. Millionen von Menschen staunten über die Fähigkeiten von
       [4][ChatGPT], ließen die KI Gedichte schreiben, produzierten mit Dall-E
       komische Fotos vom Papst im Anorak, und Altman ging auf Akquise.
       
       Allmählich veralltäglichte sich das technologische Charisma. Lehrer
       lernten, wie man Eigenleistungen der Schüler erkennen kann, Versicherungen
       machten sich ans Rationalisieren. Lidl, SAP und Bosch bauen mit 500
       Millionen Euro ein KI-Zentrum in Heilbronn, damit Europa nicht untergeht,
       und Microsoft investiert 3,2 Milliarden für Rechenzentren in Deutschland.
       In den USA will die Firma allerdings bis 2030 für 100 Milliarden neue
       Zentren bauen, das Projekt trägt den schönen Namen Stargate.
       
       In Hiroshima (!) bekundeten die G7-Lenker ihre Absicht, die Fortschritte im
       Drohnenkriegswesen zu zügeln. Der Luftraum über Gaza und der Ukraine zeigt:
       so leicht wird das nicht gehen. Die EU regelt die Algorithmen und die
       sozialen Netzwerke, der Präsident der USA erlässt eine Executive Order zur
       Kontrolle der KI-Modelle – aber in allen diesen Fällen wartet die Welt auf
       Ausführungsbestimmungen und Planstellen.
       
       Aufs Ganze gesehen flaut die Zahl der täglichen Meldungen über automatische
       Hunde, die Äpfel pflücken, KI-Einsatz in kleinen und mittleren Betrieben,
       Gesichtserkennungs-KI für Soldaten und Bademeister allmählich ab. Die
       Sprachsysteme halluzinieren immer noch, nur die Nerds fiebern der nächsten
       Revolution entgegen. Es gibt schließlich noch andere Aufreger genug.
       Analoge.
       
       Aber irgendetwas geht seinen Gang. Dieser leicht unheimliche Gedanke
       stellte sich ein, als ich kürzlich ein langes Gespräch sah, das der Blogger
       und Informatiker Lex Fridman mit Sam Altman führte. Fridman versuchte, dem
       OpenAI-Chef Einzelheiten über GTP-5 zu entlocken. Kommt es? Und wann? Und
       die Antwort: „Weiß man, was der große Durchbruch sein wird? Ein größerer
       Computer? Ein neues Geheimnis? Irgendwas sonst? Es ist all dies zusammen.
       Ich glaube, die Stärke von OpenAI besteht darin, 200 mittelgroße
       Entwicklungen zu multiplizieren zu einer gigantischen Sache.“
       
       ## Die Power der Weltmaschine
       
       Und das „giant thing“, das aus all diesen Teilresultaten „emergiert“, also
       entsteht, das wird, so die Überzeugung, eines mehr oder weniger fernen
       Tages AGI werden, die allgemeine künstliche Intelligenz. Im Halbdunkel des
       Studios redete Altman über diesen Heiligen Gral der Informatiker, die
       Superintelligenz, die einen ungeheuerlichen Schub in der wissenschaftlichen
       Erkenntnis der Welt auslösen wird. Die selbsttätig lernen wird, weil sie
       durch Roboter und ihre Sensoren Erfahrungen mit der physikalischen, der
       wirklichen Welt macht. Sich selbst Experimente ausdenkt, kurz, den
       Erkenntnisprozess der Menschheitsgeschichte automatisiert, die ungelösten
       Aufgaben der Mathematik bearbeitet und die Rätsel des Universums angeht.
       „To become smarter“, das ist der Antrieb für Altman, und dazu gehört auch
       der Wunsch nach einer Art persönlichem Assistenten, der alle Gedanken, alle
       Erfahrungen und Erinnerungen des eigenen Lebens parat hält, das eigene
       Leben verbindet mit dem Weltwissen.
       
       Die Computerpower, die für eine solche Weltmaschine mit ihren Milliarden
       von Angeschlossenen erforderlich wäre, überträfe alles bis heute Gedachte.
       Microsoft untersucht zurzeit die Möglichkeit, die gigantischen
       Rechenzentren der nächsten Welle mit Atomstrom zu betreiben, Altman denkt
       an Fusionsreaktoren der Firma Helion, und die kündigt an, im Jahr 2028 die
       ersten kleinen Exemplare an Microsoft zu liefern – Altman ist Aktionär.
       Effektiver Altruismus. Leider reagiere die Öffentlichkeit mit
       Massenhysterie auf Atomenergie, das führe zu einer Politisierung der
       Technologieentwicklung, in „Kriege zwischen links und rechts“, vor allem,
       wenn „die Dinge irgendwann dramatisch schiefgehen“ könnten. „Ich weiß noch
       nicht, wie das aussehen wird, aber so geht es eben mit allen folgenreichen
       Dingen, leider.“
       
       ## Ein faustischer Rausch der Erkenntnis und des Machens?
       
       Spätestens an dieser Stelle des Gesprächs zwischen den beiden Liebhabern
       des Fortschritts und der Menschheit überkam mich der Schwindel, den
       Vexierbilder auslösen: Wird da über Projekte geredet, von denen niemand
       weiß, ob sie jemals funktionieren können; reden sich hier zwei
       Wissenschaftler in einen faustischen Rausch der Erkenntnis und des Machens?
       Oder werden demnächst Billionen an Renditen aus unserer alltäglichen
       Nutzung digitaler Produkte in ein gigantisches Menschheitsexperiment
       gesteckt, verantwortet von jugendlichen Milliardären? Oder ist das alles
       Reklame, dicke Hose, Gemurmel von großen Kindern, die mit großem, ernsten
       Staunen mit digitalen Legosteinen hantieren – und zwischendurch
       halluzinogene Pilze kauen. Immerhin will Altman auf der Erde bleiben und
       nicht zum Mars, und sein Chef-Entwickler Sutskever träumt von einer
       Weltmaschine, die Frieden und Wohlstand schafft, mit einer KI, die er sich
       wie den Vorstand einer Weltgesellschaft vorstellt – mit sieben Milliarden
       im Aufsichtsrat.
       
       Oder ist das alles Science-Fiction und ich hole einen Grusel nach, den ich
       nie hatte? Andererseits sagen mir auch seriöse Professoren aus der
       Max-Planck-Welt, dass die beiden Elemente Science und Fiction nun
       zusammenrücken. Irgendetwas geht seinen Gang. So heißt es im „Endspiel“ von
       Beckett.
       
       8 May 2024
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [4] /Beschwerde-gegen-OpenAI-in-der-EU/!6007268
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mathias Greffrath
       
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