# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Düstere Stimmung im Osten Europas
       
       > Die Abwehr des iranischen Luftangriffs auf Israel weckt Fragen in
       > Osteuropa. Warum ist eine solche Intervention nicht auch in der Ukraine
       > möglich?
       
 (IMG) Bild: Ukrainische Arbeiter errichten mit sogenannten Drachenzähnen neue Verteidigungsstellungen in Charkiw, nahe der russischen Grenze
       
       Vor ein paar Tagen haben wir in einer Gruppe von Freunden in Warschau
       diskutiert. Die Gesellschaft war bunt gemischt: mehrere Intellektuelle und
       Aktivisten, nicht nur Polen, sondern auch andere Europäer von der östlichen
       Seite der Elbe. Das Gespräch drehte sich um die Frage, ob die Ukraine noch
       gerettet werden kann. Die Stimmung war düster.
       
       Die Sorge unter den Europäern von der östlichen Seite Europas ist, dass
       Berlin auf Abstand zu der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen
       Zeitenwende gehen könnte. Einerseits steht [1][Deutschland zwar an
       vorderster Front], wenn es um Hilfe für die Ukraine geht. Andererseits
       herrscht der Eindruck vor, dass die deutsche Regierung die Entscheidungen
       lange hinauszögert und immer erst unter Druck gesetzt werden muss.
       
       Mehr noch, man meint, dass die deutsche politische Elite immer weniger Mut
       hat, je näher die Wahlen rücken. Immerhin hat es in letzter Zeit Versuche
       gegeben, sogar von diesem bisher extrem vorsichtigen Kurs abzurücken. Die
       Frage der Lieferung deutscher [2][Taurus-Raketen] ist ein Beispiel dafür.
       
       Obwohl Charkiw brennt, Kraftwerke in Kyjiw bombardiert werden und Warschau
       in Bezug auf das Weimarer Dreieck gibt, was es kann, scheint sich an der
       Zurückhaltung in der deutschen Ostpolitik nichts zu ändern. Als würde sich
       vor den Wahlen in der deutschen politischen Klasse zunehmend eine Angst
       breitmachen vor der Gesellschaft, die keinen Krieg will.
       
       Dazu kommt, dass nach dem jüngsten iranischen Angriff auf Israel die
       Stimmung unter den osteuropäischen Verbündeten der Ukraine noch
       verbitterter ist. In jener dramatischen Nacht, als iranische [3][Raketen
       gegen Israel] flogen, haben britische, amerikanische, französische und
       sogar jordanische Streitkräfte geholfen, sie abzuschießen. Warum ist es
       möglich, im Falle Israels zu intervenieren, aber nicht im Falle der
       Ukraine?
       
       Die Bedenken aus Mittel- und Osteuropa wurden zuerst vom ehemaligen
       britischen Premierminister David Cameron angesprochen. Als derzeitiger Chef
       des Außenministeriums erklärte er, dass ein Abschuss von Drohnen durch die
       Briten im ukrainischen Luftraum nicht infrage käme, da dies „das Risiko
       einer Eskalation und des Ausbruchs eines ausgewachsenen Kriegs mit sich
       bringen würde“. Es ist kaum zu glauben, dass das Argument der Eskalation
       immer noch im Umlauf ist.
       
       ## Eine schmerzliche Schlussfolgerung
       
       Will Cameron nach zwei Jahren Krieg wirklich noch jemanden davon
       überzeugen, dass die Form eines russischen Angriffs nicht von Moskau,
       sondern von Paris oder London entschieden wird? Die Angelegenheit wurde
       dann vom Sprecher des Sicherheitsrats des Weißen Hauses angesprochen, John
       Kirby. Er erklärte, dass Israel und die Ukraine die besten Freunde der USA
       seien. Beide Länder kämpften um ihre Souveränität.
       
       Der Kontext ihrer militärischen Kämpfe sei jedoch ein anderer, und die USA
       hätten nicht die Absicht, sich direkt an dem Krieg zu beteiligen. Osteuropa
       hat heute das Gefühl, dass Tausende von toten Ukrainern immer noch nicht
       genug Eindruck auf die westlichen Verbündeten machen; auf dieselben
       Verbündeten, die in den 1990er Jahren die Unverletzlichkeit der
       ukrainischen Grenzen im Austausch für den Verzicht Kyjiws auf seine
       Atomsprengköpfe garantierten.
       
       Eine schmerzliche Schlussfolgerung, aber eine, die auch von ukrainischen
       Freunden zu hören ist. Hätten sie damals ihre Atomwaffen nicht aufgegeben
       oder zumindest nicht alle, bräuchte es heute vielleicht keine Eisenkuppel
       wie in Israel. Vielleicht hätte es gar keine russische Aggression gegeben,
       und selbst wenn, hätte Kyjiw auch etwas zu einer möglichen Eskalation des
       Kriegs zu sagen gehabt.
       
       20 Apr 2024
       
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