# taz.de -- Schröder, Gaza und Feiertagspolitik: Nach dem Offensichtlichen fragen
       
       > Kiffen kann, wie vieles andere gerade, starke Übelkeit verursachen.
       > Trotzdem wäre es jetzt nicht schlecht, sich ein bisschen wegzuballern.
       
 (IMG) Bild: Die Lage ist kompliziert bis deprimierend. Wenigstens das Kiff-Trauma ließe sich jetzt aber überwinden
       
       Morgens einen Joint und der Tag ist dein Freund. Das Problem ist
       allerdings, dass der Stoff nicht immer in einer rauchbaren Form daherkommt.
       Was mein Verhältnis zu Cannabis angeht, so leide ich aus diesem Grund an
       einer Art posttraumatischen Belastungsstörung. Ich hatte an jenem
       verhängnisvollen Sommerabend auf der „Marie-Huana-Party“ Bier getrunken
       und, da ich noch nie allzu trinkfest war, beschlossen, mir etwas Essbares
       zu besorgen.
       
       Glücklicherweise hatte jemand kleine, knuffige Schokoladenmuffins
       mitgebracht. Ich fand schon, dass es ein etwas ungewöhnlicher Snack zu Bier
       und Wein war, aber lieber schnell zuschlagen, dachte ich mir, bevor sie weg
       sind. Sie waren wirklich lecker. Allen anderen ist klar gewesen, dass den
       Küchlein eine berauschende Zutat beigemengt worden war. Nur ich hatte das
       Offensichtliche nicht bemerkt.
       
       So speiübel wie in jener Nacht ist mir nicht einmal geworden, als ich aus
       nächster Nähe eine Rede von Martin Sellner vor Identitären in Dresden
       miterlebt habe.
       
       ## Warum wird Schröder eigentlich noch interviewt?
       
       Jedenfalls habe ich daraus gelernt, dass man immer nach dem
       Offensichtlichen fragen sollte, selbst wenn andere es nicht tun. Zum
       Beispiel: Warum hat Ostern zwei Feiertage? Oder: Wie kann es sein, dass
       Olaf Scholz Bundeskanzler geworden ist? Und ganz aktuell in dieser Woche:
       Warum wird Gerhard Schröder eigentlich noch interviewt? Anlässlich seines
       80. Geburtstages hat der NDR eine Doku über sein heutiges Leben – „Außer
       Dienst? Die-Gerhard-Schröder-Story“ – erstellt. Ausführlich bringt er dort
       sein warmherziges Verständnis für seinen Freund Wladimir Putin zum
       Ausdruck.
       
       „Es gibt freie Wahlen, das kann man nicht bestreiten“, lässt der Altkanzler
       wissen. Und die russische Opposition sei auch nicht direkt verboten.
       Putin-Gegner verschwinden oder sterben halt nur auf rätselhafte Weise, wenn
       sie den Mund aufmachen. Schröder erinnert dabei an einen Geisterfahrer, der
       im Radio die Nachricht hört, es sei auf seiner Strecke ein Falschfahrer
       unterwegs. „Wieso einer? Tausende!“
       
       Apropos Tausende: In den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf)
       finanzierten und konzipierten Integrationskursen haben die
       Teilnehmer*innen keine Möglichkeit, sich Urlaub zu nehmen – auch nicht
       zum Ende des Fastenmonats Ramadan, das mit dem Zuckerfest groß gefeiert
       wird. Es sind ganz normale Unterrichtstage, denn die festgelegten Ferien
       gruppieren sich größtenteils um die christlichen Feste herum. Da wissen die
       Zuwanderer gleich, was man in Deutschland unter Integration versteht.
       
       ## Warum gibts keinen einzigen muslimischen Feiertag in Deutschland?
       
       Die offensichtliche Frage dazu lautet: Warum existiert in einem
       Einwanderungsland mit mittlerweile über fünf Millionen Muslim*innen
       [1][nicht ein einziger muslimischer Feiertag]? Er müsste ja [2][nicht mal
       religiös benannt sein], sondern könnte auch neutral formuliert sein, etwa
       der Silke-Mertins-von-der-taz-zu-verdankende-Feiertag. Nur so als Beispiel.
       
       Eine andere offensichtliche Frage, die auch in dieser Woche wieder nicht
       gestellt wurde, ist: Warum werden Hilfsgüter aus der Luft über Gaza
       abgeworfen und über improvisierte Häfen debattiert, wenn es so viel
       einfacher und effizienter wäre, über Ägypten massenhaft humanitäre Hilfe
       nach Gaza zu schaffen? Und warum fordert niemand, dass Ägypten einfach mal
       die Grenzen öffnet, damit von Hunger und Krieg bedrohte Frauen, Männer und
       Kinder sich in Sicherheit bringen können?
       
       Die ägyptische Regierung will verhindern, dass Gaza entvölkert wird und
       dadurch den palästinensischen Anspruch auf den Küstenstreifen verliert.
       Oder anders formuliert: [3][Die palästinensische Sache ist wichtiger als
       das Leben der Palästinenser]. Ein bisschen Verlust ist immer. Dabei wäre
       den Menschen schon geholfen, wenn sie temporär im Sinai untergebracht
       werden würden. In Zelt- und Behelfslagern nahe der Grenze könnten sie
       immerhin versorgt werden.
       
       Die [4][Lage im Nahen Osten] ist wieder einmal so ausweglos und
       verzweifelt, dass man am liebsten nur noch Katzenvideos anschauen würde.
       Oder einen Joint rauchen, wenn man dahingehend bereits Vorbereitungen
       getroffen hat. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir wird ja seit langem
       nachgesagt, entsprechende Gewächse auf seinem Balkon zu hegen und zu
       pflegen. Und wer weiß, vielleicht kann er auch Muffins backen. Ich bin
       bereit, mein Trauma zu überwinden und rechne täglich mit einer Einladung.
       
       6 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Ramadan-in-Italien/!6000983
 (DIR) [2] /Kommerzialisierung-des-Ramadan/!5997664
 (DIR) [3] /Fluchtweg-nach-Aegypten/!5988781
 (DIR) [4] /Israelischer-Psychologe-ueber-Krieg/!6000125
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Mertins
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Cem Özdemir
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) GNS
 (DIR) Gaza
 (DIR) Gerhard Schröder
 (DIR) Legalisierung Marihuana
 (DIR) Marihuana
 (DIR) Ramadan
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Ramadan
 (DIR) Neue deutsche Medienmacher
 (DIR) Ägypten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) AfD mitregieren lassen?: Macht macht mächtig
       
       Eine Regierungsbeteiligung würde die AfD entzaubern? Die FPÖ an der Spitze
       hat einen anhaltenden Rechtsruck bewirkt, zeigt der Blick nach Österreich.
       
 (DIR) Kommerzialisierung des Ramadan: Ausverkauf statt Besinnung
       
       Es ist nicht so, dass der Ramadan die Gesellschaft islamisiert. Es ist
       andersherum: Der Ramadan wird zunehmend kommerzialisiert – wie Weihnachten.
       
 (DIR) Antimuslimischer Rassismus: „Verfälschte Darstellung“
       
       Medien sollten Muslim*innen sprechen lassen, statt Stereotype zu
       reproduzieren, sagt Elena Kountidou von den Neuen deutschen
       Medienmacher*innen.
       
 (DIR) Fluchtweg nach Ägypten: Druck statt falscher Solidarität
       
       Israel stößt im Gazastreifen nach Rafah vor, dem Hauptzufluchtsort der
       Menschen. Ägypten könnte helfen und die Grenze für Frauen und Kinder
       öffnen.