# taz.de -- Ökonom über Gemeingüter und Klimawandel: „Ein neues Verständnis der Fülle“
       
       > Als Maßnahme gegen den Klimawandel propagiert der Politökonom Lukas
       > Warning „öffentlichen Luxus“ statt Verzicht. Kern der Idee ist eine
       > Umverteilung.
       
 (IMG) Bild: Straßenbahnen in Luxemburg: Im Großherzogtum ist der kostenlose Nahverkehr bereits eingeführt
       
       taz: Herr Warning, wieso brauchen wir öffentlichen Luxus und nicht eher
       öffentliche oder gemeinschaftliche Genügsamkeit? 
       
       Lukas Warning: Es geht darum, dass wir für alle Menschen die
       lebensnotwendigen Dinge zugänglich machen. Unter öffentlichem Luxus
       verstehe ich hier: Wohnen, Energie, Bildung, Mobilität, Gesundheit und
       Sorge, aber auch Kultur, Parks und Pools. Die Idee ist [1][öffentlicher
       Luxus] und gleichzeitig private Suffizienz. Nur wenn wir Zugang zu guter
       Mobilität haben, verzichten Leute aufs Auto. Der Appell ist nicht „Wir
       müssen alle weniger“, sondern „Wir haben viel zu gewinnen, wenn wir es
       richtig organisieren.“ Mit [2][Verzichtsdebatten] sind keine Mehrheiten zu
       gewinnen.
       
       Also erzählen die sozialen Bewegungen aus dem Bereich Klima & Co. die
       Geschichte vom Verzicht falsch? 
       
       Wo das passiert, werden soziale und ökologische Kämpfe fälschlicherweise
       gegeneinander ausgespielt. Dabei gibt es wirklich was zu gewinnen! Uns ist
       ja bewusst, dass zwischen den Begriffen „Luxus“ und „öffentlich“ erst
       einmal eine Spannung liegt, ein Kontrast, eine Provokation. Aber eigentlich
       finden wir, dass demokratisch verwaltete Gemeingüter was Geiles sind und
       privater Verzicht ohne öffentlichen Luxus eher ein Lifestyle bleibt, den
       man sich erst mal leisten können muss.
       
       Gelingt es Ihnen, auch bei den Veranstaltungen zu Ihrem Sammelband, Leute
       außerhalb einer links-grünen Blase anzusprechen? 
       
       Wir haben bislang verschiedenen Workshops für Aktivist*innen selbst
       gemacht: für Gewerkschaften, Verbände, soziale Bewegungen, aus den
       Bereichen Klima oder Armut. Da ging es um genau diese strategische Frage:
       Was sind die nächsten Schritte, die Inhalte in die breite Gesellschaft zu
       tragen? Das können wir nicht allein beantworten, sondern mit den
       Bewegungen. Unser Buch ist sehr anschlussfähig und nicht akademisch
       geschrieben. Trotzdem ist es kein Spiegel-Bestseller geworden. Das hat uns
       aber nicht überrascht, da es nur der erste Schritt zur Ausformulierung
       dieses Projekts ist.
       
       Sie fordern die [3][Vergesellschaftung öffentlicher Güter] und den
       kostenlosen Zugang. Wie stellen Sie sich die Finanzierung vor? 
       
       Im Vorwort schreibt Nancy Fraser, dass es darum gehen muss, den Überschuss,
       der aktuell in die Profite privater Konzerne fließt, der Gesellschaft
       zugänglich zu machen. Für diese kollektive Aneignung, also für Umverteilung
       gibt es natürlich schon eine Reihe von Vorschlägen wie die Besteuerung von
       Erbschaften und Vermögen. Zudem wird es Einsparungen geben, wenn einige
       Ideen umgesetzt werden.
       
       Was denn beispielsweise? 
       
       Wenn Mobilität kostenfrei wäre, bräuchte es keine Ticketsysteme, keine
       Verkehrsverbünde, keine Kontrolleur*innen, weniger Gefängnisplätze. Bisher
       gibt es kein fertiges Konzept, aber es braucht auch ein grundsätzliches
       Umdenken. Der Staat muss sich nicht verhalten wie ein privater Haushalt.
       Wir müssen weg von einer Logik der Knappheit zu einem Verständnis der
       Fülle.
       
       Inwieweit haben Sie die Vorschläge mit der aktuellen politischen Realität
       gegengecheckt? 
       
       Eine Stärke des Projekts ist, dass das Ende des Kapitalismus durchscheint
       und eine andere Art zu wirtschaften vorstellbar wird. Wir wollen alles für
       alle – aber wir müssen darauf nicht warten, um anzufangen. Auch im jetzigen
       System sind autofreie Innenstädte und [4][kostenloser Nahverkehr] möglich.
       Wir können auch jetzt schon nach und nach radikale Ideen umsetzen und
       erlebbar machen.
       
       15 Apr 2024
       
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