# taz.de -- Theater in Heidelberg: Safe Space aus Plüsch
       
       > In „Meine Hölle / Моє пекло“ erzählt Oksana Savchenko von zwei aus der
       > Ukraine geflohenen Frauen. Simone Geyer inszeniert das Stück in
       > Heidelberg.
       
 (IMG) Bild: Wolkensoft ist die Welt von Mutter und Sohn
       
       Geschmeidig, wolkensoft ist diese Welt, als wäre sie mit Weichspüler
       behandelt worden. Hellblaue Gardinen umfassen den Raum, aus der Mitte ragen
       ein überdimensionaler, mit Plüsch überzogener Tisch mit Hockern hervor. Und
       der Gemütlichkeit wegen trägt man in diesem Interieur konsequent Pyjamas.
       Eine idealer Save Space also, wie Helena (Nicole Averkamp) ihre wohlige
       Wohnoase nennt, der jedoch im Laufe der Handlung von Oksana Savchenkos
       Stück „Meine Hölle / Моє пекло“ die Idylle abhanden kommt.
       
       Denn zwei eigens eingeladene Zwischenbewohnerinnen bringen Alltag und
       Gewohnheiten der Frau und ihres Sohnes Luka (Simon Mazouri) durcheinander.
       Die Rede ist von Olena und ihrer Tochter Marysja, die wie ihre
       Darstellerinnen Vladlena Sviatash und Kateryna Kravchenko aus der Ukraine
       stammen – und allerlei Seelenballast aus dem Kriegsgebiet auf ihren
       Schultern tragen.
       
       Nur kann man nicht trotzdem mit dem Wischer die Dusche trocknen? Kann man
       nicht trotzdem, bitte schön, die deutschen Ruhezeiten beachten? Kann man
       nicht trotzdem vegan einkaufen? Was der Wohnungseigentümerin lieb und
       heilig ist, dem können die traumatisierten Frauen kaum gerecht werden.
       Erwartbar treten in diesem so beklemmenden wie gleichsam oft komischen Text
       daher bald schon die Risse und Konflikte im Bemühen um Integration und
       Humanität zutage.
       
       Sie gewinnen auf absurde Weise an Raum, vielleicht weil Putins
       Zerstörungsfeldzug in der Uraufführung am Theater und Orchester Heidelberg
       weit weg anmutet. Mit ironischem Impetus hat [1][Regisseurin Simone Geyer]
       nämlich den gesamten Bühnenraum mit den Vorhängen geradezu abdichten
       lassen, damit das Übel der Welt ja draußen bleibt.
       
       Dabei ist es längst in die geschützten vier Wänden eingezogen. Besonders
       intensiv wird man seiner Präsenz in den ergreifenden Monologen der
       Ukrainerinnen gewahr. Dann wenn Olena um ihren vermissten Mann bangt, oder
       wenn ihre Tochter von Verhören träumt. Gewicht, Alter, Größe, nach allem
       wird sie gefragt, mal von einem offenbar deutschen, mal von einem
       russischen Beamten.
       
       Bezeichnenderweise werden beide Figuren, der Bürokrat und der feindliche
       Besatzer, von Hans Fleischmann verkörpert, der ansonsten den pedantischen
       Nachbarn und deutschen Mustermülltrenner spielt. Mit Mikrofon feuert er
       seine Fragen ab, während sich auf der Leinwand verschiedene Porträts von
       Marysja übereinanderlegen.
       
       ## Das blanke Chaos im Inneren
       
       Von der eigenen Identität sind eben nur noch Bruchstücke geblieben, wie
       übrigens auch die klug komponierte Hintergrundmusik von Jel Woschni
       nahelegt. Sie collagiert mitunter melancholische Gitarrenklänge mit
       Marschtrommeln. Im Inneren der Geflohenen muss blankes Chaos herrschen, so
       die Aussage hinter diesem Klang-, Text- und Filmkomplex.
       
       Den unermessliche Erfahrungsschutt aus Vertreibung und Gewalt kann man
       allerdings nicht in einzelnen und gut abgrenzbaren Momentaufnahmen
       einhegen. So wie die Vorhänge vom Grauen am Rand Europas abschotten, so
       erweisen sie sich als Gefängnis aller Figuren, ohne Möglichkeit auf
       Rückzug. Alle sind stets mit allen Sorgen konfrontiert.
       
       Dass dabei mehrfach dieselben Reibereien Thema werden, versteht sich von
       selbst, trägt aber auch zu einer Redundanz der Dialoge bei. Gemeinsam mit
       den in Teilen klischeebehafteten, konträr zueinander arrangierten Figuren
       kann somit nichts über einige Konstruktionsschwächen des Textes
       hinwegtäuschen.
       
       Dennoch gelingt das Kammerspiel, vor allem weil es bis zuletzt eine
       wichtige Qualität verteidigt: seine Ehrlichkeit. Schonungslos zeigt es uns
       jenseits der konkreten Wunden durch den Krieg ebenso jene, die im
       Aufeinandertreffen zweier fremder Kulturen unvermeidlich entstehen.
       Nachsicht ist dem Tenor des Abends zufolge geboten, von allen Seiten. Denn
       keimt schließlich nicht gerade in dieser Fähigkeit die zarte Pflanze einer
       heute uns ferner denn je erscheinenden Friedensutopie?
       
       28 Feb 2024
       
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