# taz.de -- Berlinale-Film „Shambhala“: Das Beste in sich tragen
       
       > In „Shambhala“ gerät eine Frau im nepalesischen Himalaja in Konflikt mit
       > der polygamen Gemeinschaft. Die Dreharbeiten waren äußerst schwierig.
       
 (IMG) Bild: Spiritualität als Ausweg oder Erlösung?
       
       Warum zwinkern Sterne nachts?“, fragt ein Junge von nicht mehr als 12
       Jahren. Er, Dawa, sitzt an einem Lagerfeuer, neben ihm seine Frau Pema. Die
       wiederum ist schwanger von Tashi, der sich mit anderen Männern in Richtung
       der tibetischen Hauptstadt Lhasa aufgemacht hat, um dort Wolle, Yaks und
       andere Waren zu tauschen. Pemas dritter Mann ist der Mönch Karma, der
       unweit des nepalesischen Dorfes im Himalaja im Kloster dient.
       
       [1][„Shambhala“], so heißt der zweite abendfüllende Spielfilm des
       Regisseurs und Drehbuchautors Min Bahadur Bham und der erste nepalesische
       Beitrag [2][im Wettbewerb der Berlinale.] Mit seinem Erstlingswerk „Kalo
       Pothi“ gewann Bham 2015 auf den Filmfestspielen in Venedig den
       Kritikerpreis für den besten Film. Shambhala bezeichnet im tibetischen
       Buddhismus ein mythisches Königreich, das dem, der es findet, inneren
       Frieden verspricht.
       
       Im Film ist es Pema, die sich auf die Suche macht: Eigentlich nicht nach
       diesem Ort, sondern nach Tashi, der von seinem Geschäftstrip in Lhasa nicht
       mehr zurückkehrt. Gerüchten zufolge, die ganz ohne mobile
       Kommunikationsmittel bis zu ihm dringen, soll Pemas Baby nicht seines sein,
       sondern das des Dorflehrers Ram Sir. Die gesellschaftliche Ächtung, die ihr
       daraufhin entgegentritt, wirkt bedrohlich.
       
       Obwohl Mehrheirat nicht offiziell anerkannt ist, leben im nepalesischen
       Himalajagebirge nach wie vor Gesellschaften polyandrisch. In ihnen heiratet
       eine Frau mehrere Männer, meist Brüder. Was zu Beginn von „Shambhala“ nach
       Matriarchat aussieht, trügt. Wirtschaftliche Interessen stehen im
       Vordergrund, denn so muss der Besitz nach dem Tod des Patriarchen nicht
       unter den Brüdern aufgeteilt werden, sondern wird gemeinsam verwaltet.
       
       ## Zwischen Nepal und Tibet
       
       Für Dawa ist Pema eher Mutterersatz, Tashi ist der, der die ehemännlichen
       Vorteile genießt. Und Karma? Der begleitet Pema bei ihrer Suche nach dem
       älteren Bruder durch das unwirtlich wirkende Gebirge.
       
       Die Filmarbeiten im Oberen Dolpo seien nicht einfach gewesen, wie Bham dem
       Branchenblatt Variety verrät. In dieser Zone zwischen Nepal und Tibet, auf
       über 5.000 Metern Höhe gibt es keine Elektrizität, die nächste
       Energiequelle sei vier Tage Fußmarsch entfernt gewesen. Die Strapazen haben
       sich gelohnt, die Bilder, die Bham und sein Team an diesem unberührten
       Fleckchen Erde eingefangen haben, sind trotz der Kargheit der Landschaft
       atemberaubend.
       
       Anfangs dauert es etwas, bis sich die Handlung entspinnt, bis verständlich
       wird, was der Plot erzählen will. Hier entfacht sich die Magie der
       Berlinale, die die Zuschauenden mit fremden Sehgewohnheiten konfrontiert.
       Umso trauriger, wer die zweieinhalb Stunden nicht durchhält, weil zu ruhig
       und zu wenig Action.
       
       Eine Szene, die Pema und Karma am Fluss zeigt, wäre in jedem westlichen
       Film einfach nur kitschig, hier aber rührt sie zu Tränen, so wenig gespielt
       wirkt sie – ein großes Lob gebührt den Darstellenden Thinley Lhamo und
       Sonam Topden. Hier musiziert Pema auf einem nepalesischen Saiteninstrument,
       Karma singt dazu so wunderschön, im Hintergrund das Bergpanorama, davor
       grasende Pferde: Ist das schon Shambhala?
       
       Man spürt das Bedürfnis Bhams, durch seinen Film etwas mitzugeben, das
       jenseits unserer materialistisch geprägten Gesellschaft liegt. Einer Welt,
       die unsere Ungleichheit durch haben oder nicht haben prägt, uns immer
       unzufriedener zurücklässt, weit entfernt von uns selbst. „Wir vergessen,
       dass wir die besten Eigenschaften in uns selbst tragen“, so formuliert es
       Bham. Das wird auch Pema auf ihrer Reise irgendwann klar.
       
       Auch auf die Frage, warum die Sterne nachts zwinkern, gibt es eine Antwort:
       Es sind die Verstorbenen, die Liebe und Glück auf die Erde schicken.
       
       24 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=N2EXOwDgrIg
 (DIR) [2] https://www.berlinale.de/de/festival/sektionen/wettbewerb.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sophia Zessnik
       
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