# taz.de -- Cirque du Soleil in München: Katzenklo in Kuriosistan​
       
       > Cirque du Soleil kommt mit einer zehn Jahre alten Show nach Deutschland.
       > Was es den Zuschauern darin bietet, ist reichlich kurios – Gott sei Dank!
       
 (IMG) Bild: Szene aus „Kurios“ in den Lüften
       
       München taz | Die Künstler sind so klein, dass sie während ihres Auftritts
       in Echtzeit auf einen über der Bühne schwebenden Heißluftballon projiziert
       werden müssen: Breakdancer mit ihren obligaten Baseballkäppis etwa oder
       Skater auf der Halfpipe. Doch in Wirklichkeit sind die kleinen Artisten nur
       die Hände eines Künstlers, die auf schwarzem Grund die Vorstellungskraft
       der Zuschauer triggern. Man kennt es als Schattenspiel, hier macht das
       Original dem Schatten Konkurrenz.
       
       Es ist eine der leiseren Nummern in „Kurios“, dem Programm, mit dem der
       Cirque du Soleil nun wieder nach Deutschland kommt; seit Freitag gastiert
       er auf der Münchner Theresienwiese. Dort hat er sein ältestes Chapiteau
       aufgeschlagen – passend zu den Farben der Stadt in Schwarz und Gelb.
       
       Eher bombastische Shows, dafür ist [1][der in Montréal beheimatete Cirque
       du Soleil] heute bekannt, ja, auch für eine gelegentliche Überdosis Kitsch
       und Pathos. Die vor 40 Jahren gegründete Truppe um Guy Laliberté hat sich
       längst zu einer bedeutenden Marke der Unterhaltungsindustrie gewandelt, zu
       einer Traumfabrik, Betonung auf Fabrik. Eigentümer des Soleil-Imperiums mit
       nach eigenen Angaben rund 4.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist
       mittlerweile ein internationales Investorenkonsortium.
       
       ## Mehr Zirkus, weniger Disney
       
       Dabei war der heutige Milliardär Laliberté einst selbst ein
       Straßenkünstler, ganz in der Tradition der Saltimbanchi, ein
       Springaufdiebank also. Saltimbanques oder Saltimbanchi nannte man die
       Gaukler im 19. Jahrhundert und auch davor, die am Rande der Gesellschaft
       lebten, von Marktplatz zu Marktplatz tingelten und dort in einer
       unterhaltungsarmen Zeit die Menschen amüsierten – als Jongleure,
       Stelzenläufer, Spaßmacher. Fahrendes Volk eben. „Saltimbanco“ hieß auch
       eine der früheren und bis heute bekanntesten Shows des Cirque du Soleil.
       
       Und jetzt die gute Nachricht: Die Gaukler sind zurück. In „Kurios“, das vor
       zehn Jahren in Montréal seine Uraufführung hatte und seitdem durch die
       ganze Welt zieht, finden wir sie wieder. In aller Opulenz zwar serviert,
       aber doch in einer Aufführung, die wieder etwas mehr Zirkus ist und etwas
       weniger Disney. Selbst die Bühne erinnert an eine Manege.
       
       Klar sind da auch die Nummern, derer die besonders kritische Zuschauerin in
       anderen Zirkussen mitunter schon überdrüssig ist: die Strapaten, die
       Kontorsion, die Stuhlpyramide. Der Unterschied zur Dutzendware: Hier sind
       sie immer ein bisschen besser und vor allem immer einen Deut anders, sei es
       nun dank des Extratempos in der Kontorsionsnummer oder der Schaukel, auf
       der der Rola-Bola-Künstler James Gonzalez seinen ohnehin schon wagemutigen
       Balanceakt in luftiger Höhe vorführt.
       
       ## Retro-futuristischer Look and Feel
       
       Dann wären da noch die Frau, die durch die Luft radelt, die Springer auf
       dem Fischernetz oder der Mann mit dem Jo-Jo, dem offenbar weit
       unterschätzten kleinen Bruder des Diabolo. Und vor allem die 13-köpfige
       Gruppe, die in der Kunst der Banquine brilliert, einer Disziplin, bei der
       je zwei Artisten einen Kollegen ohne Hilfsmittel in die Luft werfen, der
       dann auf einer Menschenpyramide zu stehen kommt oder von anderen
       Mitgliedern der Truppe wieder aufgefangen wird – Salti, Pirouetten und
       andere Kleinigkeiten selbstverständlich mit inbegriffen. In solchen
       Momenten erscheint die Akrobatik noch rekordverdächtiger als die Preise der
       Pausensnacks: zehn Euro kostet die Tüte Popcorn, sechs Euro eine kleine
       Breze.
       
       Die Show hat sogar eine Rahmenhandlung. In der geht es um einen Forscher,
       der sich zwischen seinen Reagenzgläschen (wobei der Diminuitiv hier nicht
       ganz passend erscheint) mehr der Fantasie als der Wissenschaft verschrieben
       hat und die Zuschauerinnen und Zuschauer mit der helfenden Hand seiner
       Gefährten, etwa dem Akkordeonmann oder Klara, der Telegrafin des
       Unsichtbaren, auf eine Reise durch sein Kuriositätenkabinett mitnimmt. Auch
       Mr. Microcosmos und seine Kuriosistaner sind dabei.
       
       Der Story muss man freilich nicht folgen können, ohne eine eingehende
       Lektüre des digitalen Programmhefts wird sich dieses Geschehen dem
       geneigten Zirkusbesucher ohnehin nicht erschließen. Ist auch nicht so
       schlimm, dient sie schließlich nur der ästhetischen und – das muss man
       sagen: – sehr gelungenen Kulisse der Vorstellung, dem retro-futuristischen
       Look and Feel, angesiedelt irgendwo zwischen Dampfmaschine, Grammofon und
       Heißluftballon in einer Zeit, als wir Roboter noch für eine wahnsinnig
       fortschrittliche Entwicklung der Zukunft hielten. Steampunk nennen das die
       Kenner dann wohl.
       
       ## Die Vorstellung, die man nicht sah
       
       Mit viel Liebe zum Detail ist die Show perfekt durchchoreografiert bis hin
       zu den komischen Nummern, für die der Argentinier Facundo Giminez
       verantwortlich zeichnet. Selten mimte ein Mensch eine Katze
       originalgetreuer. Der Bogen zu Helge Schneider, der übrigens schon mal mit
       Katzen in der Manege stand, mag gewagt sein, doch seit ihm ward dem
       Katzenklo keine würdigere künstlerische Aufmerksamkeit mehr zuteil. Giminez
       tritt auch als Direktor eines unsichtbaren Zirkus auf: „This was the show
       you never saw!“
       
       Das Publikum, das sie nicht sah, tobte dennoch. Nicht nur bei dieser
       Nummer. Und nicht ganz zu Unrecht. Bis 25. Februar [2][ist „Kurios“ noch in
       München zu sehen], von 8. März bis 14. April dann im Glasmacherviertel in
       Düsseldorf.
       
       29 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Athletik-und-Artistik/!5133770
 (DIR) [2] https://www.cirquedusoleil.com/kurios
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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